Die Insolvenz des Batterieherstellers Northvolt erweist sich immer mehr als ein Fiasko für das Bundeswirtschaftsministerium. Damit könnte nicht nur ein gut dreistelliger Millionenbetrag zulasten der Steuerzahler auf Nimmerwiedersehen versickert sein. Vielmehr zeigt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss auf, dass das zur fraglichen Zeit von Robert Habeck (Die Grünen) geführte Haus bei der Prüfung der geplanten Wandelanleihe zur Unterstützung eines neuen Werks im schleswig-holsteinischen Heide gegen zentrale Grundsätze verstieß, die bei der Vergabe solcher Subventionen üblich sind.
Wie die unabhängige Behörde einleitend zu bedenken gibt, muss die Bundesregierung die Chancen und Risiken ausreichend abwägen, wenn sie ausnahmsweise einzelne Unternehmen finanziell fördern will. „Bei der Unterstützung Northvolts im Jahr 2023 hat sie dies nicht getan“, urteilt sie in dem als Verschlusssache und „nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Bericht. In der Gesamtschau stellt der Bundesrechnungshof fest, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) „wesentliche Risiken der Wandelanleihe unzureichend ermittelt und bewertet hat“. Weiter heißt es: „Es agierte stattdessen weitestgehend nach dem Prinzip Hoffnung.“ Der Haushaltsausschuss hatte den Bericht angefordert. Am 17. Juni hat er ihn erhalten. Die 50 Seiten umfassende Analyse der Vorgänge zu den Subventionen für den einstigen Hoffnungsträger aus Skandinavien liegt der F.A.Z. vor.
Unabhängigkeitswunsch dominierte Hilfszusagen
Der Wunsch, den Aufbau einer eigenständigen Batteriezellenproduktion in Europa zu unterstützen, die der starken Konkurrenz aus China etwas entgegenzusetzen vermag, sodass die deutsche Autoindustrie nicht in eine gefährliche Abhängigkeit gerät, dominierte offenkundig die Hilfen für das Start-up. Das politische Engagement in Deutschland begann vor fünf Jahren. „Der Bund übernahm im Jahr 2020 eine Garantie für einen ungebundenen Finanzkredit eines Kreditinstituts an Northvolt über 80 Prozent des Kreditvolumens von 525 Millionen Dollar (Haftungsrisiko: 420 Millionen Dollar)“, rufen die Prüfer in Erinnerung. Diese „UFK“-Garantie habe nicht im Zusammenhang mit dem geplanten Werk bei Heide gestanden, sondern auf den Aufbau der Batteriezellenproduktion in Schweden gezielt, um deutsche Automobilhersteller mit hochwertigen Batteriezellen zu versorgen. „Der Kredit wurde vollständig ausgereicht. Der Bund wurde bisher nicht aus der Garantie in Anspruch genommen.“
Vor zwei Jahren ging es um eine Wandelanleihe von 600 Millionen Euro. Sie sollte als Brückenfinanzierung dienen, um die Batteriezellenproduktion bei Heide aufzubauen. Die staatliche Förderbank KfW zeichnete im Oktober 2023 die Wandelanleihe, der Bund sicherte das Institut gegen Ausfallrisiken und Kosten ab. Das Land Schleswig-Holstein sagte verbindlich zu, gegebenenfalls davon hälftig bis zu 300 Millionen Euro zu übernehmen. Zudem bewilligten das Wirtschaftsministerium und das norddeutsche Bundesland eine Zuwendung von bis zu 700 Millionen Euro für den Zeitraum von Anfang Juli 2023 bis Ende Dezember 2025. Die Zuwendung wurde bisher nicht ausgezahlt. Im November 2024 beantragte Northvolt ein Verfahren nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts.
Das Wirtschaftsministerium entschied allein
Bemerkenswert ist, was die Prüfer zu den ausgezahlten Hilfen zu berichten haben. Bei der ersten entschied ein interministerieller Ausschuss. Die eingebundene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stellte die Annahmen und Grundlagen des Vorhabens ausführlich dar. Zudem untersuchte sie nach dem Bericht des Rechnungshofs in Szenarioanalysen, wie sich Änderungen wesentlicher Annahmen auswirken würden, insbesondere die Erhöhung der Investitionskosten, eine Bauzeitverzögerung oder die Steigerung der Investitionskosten, die Erhöhung der Betriebskosten sowie die Reduzierung der Abnahmemenge.
Die Stellungnahme habe auch betrachtet, welche Preis- oder Mengenverfehlung die Tilgungsfähigkeit des Projekts gefährdet. „Dies war jeweils bei einer Verfehlung um rund acht Prozent der Fall.“ So sei eine Entscheidungsgrundlage für den Ausschuss erstellt worden. Das Zwischenfazit des Rechnungshofs lautet: „Über die Gewährung von UFK-Garantien wurde entsprechend einer etablierten Praxis entschieden.“
Anders lief es dem Bericht zufolge bei der Wandelanleihe. Hier entschied das Wirtschaftsministerium allein. Die für den künftigen Erfolg von Northvolt wichtige Wettbewerbsfähigkeit der Produkte sei anhand begrenzter Informationen untersucht worden, heißt es. Es habe zwar dazu kritische Fragen gegeben, diese hätten jedoch zu keinen relevanten Anpassungen an der Stellungnahme geführt. Mangels einer Dokumentation von Videokonferenzen und Hintergrundgesprächen könne nicht bewertet werden, welchen Kenntnisstand das Ministerium bei seiner Entscheidung gehabt habe. „Es ist allerdings weder in der Leitungsvorlage noch in weiteren Vorgängen dokumentiert, dass das BMWE die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte hinterfragte und wie es die bereits seinerzeit erkennbaren Informationslücken zu schließen versuchte.“ Das Ministerium hätte die Stellungnahme in mehrfacher Hinsicht nicht als hinreichende Entscheidungsgrundlage betrachten dürfen. Es hätte den Informationslücken und Risiken weiter nachgehen müssen.
Das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium konnten zum Entwurf des Berichts Stellung nehmen. Sie argumentierten, die Insolvenz von Northvolt sei maßgeblich durch externe Faktoren ausgelöst worden. Private Investoren hätten sich bei dem Unternehmen ebenfalls engagiert. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe unabhängig gearbeitet. Das BMWE stellte fest, man habe sauber geprüft.
Den Rechnungshof überzeugte das nicht. Er schrieb dem Wirtschaftsministerium, das einmal als das ordnungspolitische Gewissen der Bundesregierung galt, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ins Stammbuch: „Grundsätzlich darf der Bund nur ausnahmsweise zugunsten einzelner Unternehmen in den Markt eingreifen. Wenn in Ausnahmefällen ein übergeordnetes Interesse daran besteht, einzelne Unternehmen zu unterstützen, erfordert dies immer eine umfassende und belastbare Betrachtung der damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken.“ Anzeichen für Verzögerungen und Kostensteigerungen im schwedischen Werk seien erkennbar gewesen. Die finanziellen Auswirkungen schon geringer Abweichungen von der ambitionierten Unternehmensplanung hätte das Bundeswirtschaftsministerium mit entsprechenden Szenarioanalysen erkennen können.