Haft für GPG-Gründer – doch von 800 Millionen Euro fehlt jede Spur

8

Hohe Renditen mit Bestandsobjekten in Deutschland, noch dazu steuerliche Anreize einer Abschreibung, die eine Investition in denkmalgeschützten Wohnraum für Privatanleger attraktiv machen soll: Damit warb der Immobilienentwickler Charles Smethurst von der niedersächsischen Provinz aus um das Geld von zahlreichen Kapitalgebern. Und Tausende von Anlegern, viele davon aus dem Ausland, vertrauten seinem Unternehmen Dolphin Trust mit Sitz in Langenhagen bei Hannover ihr Geld an.

In Wirklichkeit lag kaum eines der Objekte in einer Top-Lage, viele Immobilien waren heruntergekommen. Das Geschäftsmodell blieb das gleiche, nur der Name von Smethursts Unternehmen änderte sich im Jahr 2019 in German Property Group , kurz GPG. Beschwerden von Anlegern über den mangelnden Rückfluss an Kapital gab es schon damals. Es folgten erste Strafanzeigen gegen Verantwortliche von GPG, dann nahm die Staatsanwaltschaft Hannover Ermittlungen auf, unter anderem wegen des Verdachts der Untreue. Fahnder durchsuchten 2021 die Geschäftsräume von GPG und das Anwesen von Firmengründer Smethurst – der zu diesem Zeitpunkt bereits Insolvenz anmelden musste.

Vergangenes Jahr legten die Strafverfolger dann eine Anklage gegen den Projektentwickler vor: 27 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs mit einem Schaden von 56 Millionen Euro werfen die Ermittler Smethurst in den Jahren 2018 und 2019 vor. Spätestens zur Jahresmitte 2018 sei es zu Liquiditätsengpässen bei GPG gekommen, de Firma habe Rechnungen nicht mehr bezahlen und Kredite nicht mehr bedienen können. Die Insolvenzreife habe der Angeklagte erkannt und dennoch weitere Darlehen aufgenommen.

Das „Lebenswerk“ nicht gefährden

In dieser Woche sitzt Smethurst, flankiert von seinen beiden Strafverteidigern, auf einer Anklagebank im Landgericht Hildesheim. Der 65 Jahre alte Unternehmer entschuldigt sich mit seinen letzten Worten für seine Taten und den entstandenen Schaden, er habe sein Lebenswerk nicht gefährden wollen. Der Ausgang des von vielen betrogenen Anlegern erwarteten Strafverfahrens ist da bereits absehbar. Schon früh haben sich das Gericht, Ankläger und Smethursts Verteidiger Michael Bärlein verständigt: Ein Großteil der angeklagten Tatvorwürfe wird eingestellt, damit schrumpft auch der Schaden.

Schon am ersten Prozesstag Mitte Mai legte Smethurst ein umfassendes Geständnis ab. Im Gegenzug stellte das Gericht im Fall einer Verurteilung einen Strafrahmen von maximal sieben Jahren und drei Monaten in Aussicht. Eine langwierige Beweisaufnahme wie etwa im Wirecard-Prozess in München blieb allen Prozessbeteiligten damit erspart. Am Dienstag dieser Woche verurteilte die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim den Angeklagten wegen besonders schweren Betrugs in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten (Az. 21 KLs 5413 Js 12435/20).

Trotz diverser Indizien, die darauf hindeuteten, dass Smethurst seinen aufwendigen Lebensstil mit Anlegergeldern finanzierte, konnte die Wirtschaftsstrafkammer keine persönliche Bereicherung des Angeklagten feststellen. Allerdings sprachen die Richter in ihrer Entscheidung bei den Tatvorwürfen von einem Vermögensverlust in großen Ausmaß. Wie eine Gerichtssprecherin der F.A.Z. sagte, taxierte die Strafkammer den durch Smethurst verursachten Betrugsschaden bei etwas mehr als 26 Millionen Euro.

Nur die Spitze eines Eisbergs?

Dennoch spricht Justus von Buchwaldt, der Insolvenzverwalter der GPG-Gruppe, von einem „fairen und gut aufgearbeiteten Prozess“. Dies sei angesichts der Komplexität des Verfahrens auch dringend geboten, um dem Strafverfolgungsinteresse der vielen geschädigten Anleger gerecht zu werden, lässt sich von Buchwaldt nach seiner Zeugenaussage im Strafprozess in Hildesheim in einer Mitteilung zitieren. „Allerdings befürchte ich, dass hier bisher nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs aufgearbeitet werden konnte. Es ist weiter ungeklärt, welche weiteren Personen an dem groß angelegten Betrugssystem beteiligt waren und wo ein Großteil des Geldes der Anleger verblieben ist.“

Denn mit dem Urteil endet vorerst nur die strafrechtliche Aufklärung gegen Smethurst persönlich. Als die Ermittlungen gegen sein Unternehmen vor Jahren Fahrt aufnahmen, sprachen nicht wenige von einem „zweiten Fall Wirecard“. Auch bei der GPG-Gruppe steht ein Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro im Raum, wovon der Verbleib „von rund 800 Millionen Euro ungeklärt oder zumindest verdächtig“ sei , sagt der Insolvenzverwalter von Buchwaldt, Partner der Kanzlei BRL .

Insgesamt sind bei ihm 8000 Forderungen von Gläubigern eingegangen. Von Buchwaldt geht von global 25.000 betroffenen Anlegern der GPG-Pleite aus, von denen viele aus England, Irland, Frankreich, Singapur, Japan und Südkorea kommen. In der Mehrheit handele es sich um Kleinanleger, die schon mit kleineren vierstelligen Beträgen in GPG investieren konnten. Die Verwertung der noch vorhandenen 55 Liegenschaften erweist sich als äußerst schwierig. Wie der Insolvenzverwalter sagte, werde diese häufig durch zweifelhafte Grundpfandrechte einzelner internationaler Gläubiger blockiert.