Materie im Universum: Astronomen finden fehlenden Teil

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Jahrzehntelang standen Astronomen vor einem Rätsel: Etwa ein Drittel der „normalen“ Materie, aus der auch Planeten und Menschen bestehen, entzog sich der Beobachtung. Jetzt konnte ein internationales Forscherteam, zu dem auch Wissenschaftler der Universität Bonn gehören, diese „fehlende“ Materie mithilfe von zwei Röntgensatelliten aufspüren. Die Wissenschaftler berichten im Fachblatt „Astronomy & Astrophysics“, dass ein 23 Millionen Lichtjahre langes Filament aus zehn Millionen Grad heißem Gas vier Galaxienhaufen verbindet.

Das untersuchte Filament verbindet die Galaxienhaufen A3532 und A3530 auf der einen Seite und A3528-N sowie A3528-S auf der anderen Seite. Diese vier Haufen gehören zum Shapley-Superhaufen, einer Ansammlung von über 8000 Galaxien, die sich im Sternbild Centaurus befindet und rund 650 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist.

Die Teilchendichte in dem Filament liegt bei etwa zehn Teilchen pro Kubikmeter und ist damit 30- bis 40-mal höher als der durchschnittliche Wert im Universum. Insgesamt besitzt das heiße Gas in diesem Filament eine Masse, die ungefähr dem Zehnfachen der Masse unserer Milchstraße entspricht.

Modelle haben offenbar recht

„Zum ersten Mal stimmen unsere Ergebnisse mit den Modellen des Kosmos überein“, freut sich Teamleiter Konstantinos Migkas von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden, „Wie es scheint, hatten die Simulationen also recht.“ Mithilfe von Simulationen versuchen Astrophysiker, die Entstehung und Entwicklung von Strukturen im Kosmos – also Galaxien und Galaxienhaufen – nachzuvollziehen. In diesen Modellen sind Galaxienhaufen durch langgestreckte Filamente, also fadenförmige Strukturen, verbunden, die sehr viel Gas enthalten. Zwar konnten viele solcher Filamente tatsächlich nachgewiesen werden, doch sie enthielten viel weniger Materie, als es die Simulationen vorhersagen.

Es brauchte zwei Röntgenteleskope

Jetzt wissen die Himmelsforscher, warum: Aufgrund seiner extrem hohen Temperatur ist das Gas nur im Röntgenbereich sichtbar. Unglücklicherweise senden aber auch andere Himmelsobjekte Röntgenstrahlung aus, insbesondere große Schwarze Löcher. Deshalb benötigte das Team um Migkas gleich zwei Röntgenteleskope, um die „fehlende“ Materie nachzuweisen. Das japanische Instrument Suzaka registrierte die Stärke der Röntgenstrahlung entlang des Filaments, der europäische Satellit XMM-Newton identifizierte die störenden Quellen. Nach Abzug dieser störenden Einflüsse ergab sich für das Filament eine Gesamtmasse, die etwa dem Zehnfachen der Masse der Milchstraße entspricht, was in guter Übereinstimmung mit den Simulationen ist.

„Die fehlende Materie hat sich also in kaum sichtbaren Fäden im Universen versteckt“, fasst Norbert Schartel, Projektwissenschaftler von XMM-Newton, zusammen. „Damit haben wir unser kosmologisches Standardmodell gestärkt und seit Jahrzehnten durchgeführte Simulationen bestätigt.“