Abspaltung der Marinesparte von Thyssenkrupp rückt näher

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In einer außerordentlichen Sitzung am Freitag hat der Aufsichtsrat des traditionsreichen Industriekonzerns Thyssenkrupp den Weg freigemacht für die Abspaltung der Marinesparte Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Das angeschlagene Unternehmen aus Essen will seine Tochtergesellschaft, die Schiffe und U-Boote baut und angesichts der großen Nachfrage von Militärs rund um die Welt einen enormen Auftragsschub bekommen hat, noch in diesem Jahr an die Börse bringen. Die Aktionäre sollen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 8. August darüber abstimmen. „Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG ist davon überzeugt, dass TKMS das enorme Wachstumspotenzial als ein globaler Vorreiter der maritimen Verteidigungsindustrie in einer eigenständigen Aufstellung am besten ausschöpfen kann“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Siegfried Russwum in einer Mitteilung des Unternehmens am Freitag.

Noch offen ist, welche Rolle die Bundesregierung bei der Abspaltung der Werftengruppe spielt. Die Gewerkschaft IG Metall fordert schon länger einen Staatseinstieg auch bei TKMS, es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass sich der Bund eine Sperrminorität an dem für die Verteidigung strategisch wichtigen Unternehmen sichern möchte. Über den Ablauf gab es bislang aber noch keine Einigkeit, der Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende Miguel López verwies stets nur auf die „sehr vertrauensvollen Gespräche“ in Berlin. Möglich wäre etwa, dass der Bund nach dem Börsengang ein Aktienpaket erwirbt und die IG Metall fordert, dass das Unternehmen mit der Regierung noch vor der außerordentlichen Hauptversammlung im August einen verbindlichen Anteilskauf von mindestens einem Viertel vereinbart.

Rekordauftragsbestand für TKMS

Thyssenkrupp möchte 49 Prozent der Anteile abgeben und mit 51 Prozent weiterhin die Mehrheit an TKMS halten. Aktionären von Thyssenkrupp soll die neue Aktie von TKMS dann automatisch ins Depot gebucht werden. Die Werftengruppe hat derzeit einen Auftragsbestand von etwa 18 Milliarden Euro, wodurch die Fabriken des U-Boot-Herstellers bis mindestens zum Jahr 2040 gut ausgelastet sind. Singapur hat kürzlich eine große Bestellung getätigt, im vergangenen Winter kamen Großaufträge von der deutschen Marine. Neben ihrem Werftenstandort in Kiel hat die Thyssenkrupp-Tochtergesellschaft in Wismar ihre Produktionskapazität ausgebaut und schon 2022 einen Standort von den insolventen MV Werften übernommen. Das war noch bevor die großen Aufträge für TKMS reingekommen sind.

An der Werftengruppe hatten in der Vergangenheit zahlreiche Unternehmen Interesse: Ursprünglich sollte der amerikanische Investor Carlyle eine Beteiligung von knapp 50 Prozent übernehmen, doch zog der Investor sich im Herbst vergangenen Jahres zurück. Danach wurden Konkurrenten wie die Bremer Werft Lürssen genauso als möglicher Käufer ins Spiel gebracht wie der Rüstungskonzern Rheinmetall und der – deutlich kleinere – Motorenhersteller Deutz . Wiederholt Interesse am Kauf angemeldet hatte der Vorstandschef des italienischen Schiffsbaukonzerns Fincantieri , der mehrheitlich dem italienischen Staat gehört. Eine europäische Konsolidierung ist in der Rüstungsindustrie in vielen Bereichen wahrscheinlich, doch gerade da will die Bundesregierung angesichts der nationalen Interessen sicherlich mitsprechen.

Darf Thyssenkrupp noch länger umbauen: Der Vorstandsvorsitzende Miguel López.
Darf Thyssenkrupp noch länger umbauen: Der Vorstandsvorsitzende Miguel López.Reuters

Ebenfalls am Freitag in der Aufsichtssitzung verhandelt wurde die Vertragsverlängerung von Thyssenkrupp-Chef López. Bis zum 31. Mai 2031 wurde sein Vertrag nun vorzeitig verlängert. Unklar war zunächst, ob der Thyssenkrupp-Aufsichtsratsvorsitzende Russwurm abermals seine Doppelstimme einsetzen musste, um ein Patt zu verhindern. Russwurm hatte das in der Vergangenheit schon zwei Mal machen müssen, wodurch die Stimmung im Aufsichtsratsgremium zwischen der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite angespannt ist.

Der zweite Hauptgeschäftsführer der IG Metall, Jürgen Kerner, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzende ist, hatte schon vor der Aufsichtsratssitzung angekündigt, nicht für die vorzeitige Vertragsverlängerung für López stimmen zu wollen. „Die Reihenfolge des Vorgehens ist verkehrt. Über eine Vertragsverlängerung kann erst dann sinnvoll geredet werden, wenn die betreffende Person geliefert hat. Das ist hier nicht der Fall“, sagte Kerner am Freitag. Sowohl über die Personalie López als auch seine geplante Ausrichtung für den Konzern gibt es Uneinigkeit: Der Vorstandsvorsitzende will in den kommenden Jahren auch die Werkstoffsparte und die Automobilzulieferung für den Einstieg von Partnern fit machen. Die Mehrheit will aber jeweils Thyssenkrupp behalten.