Im Krieg zwischen Israel und Iran erscheint eine diplomatische Lösung zunehmend ungewiss. In der Nacht lieferten sich die Erzfeinde abermalige Angriffe. Trotz wachsenden Drucks auch angesichts eines möglichen Kriegseintritts der USA an der Seite Israels lehnt Iran nach den Worten von Außenminister Abbas Araghtschi Verhandlungen ab, solange Israels Angriffe andauerten. Israels Führung zeigt jedoch keine Anzeichen, die vor einer Woche begonnene Militärkampagne in Iran einzustellen. „Wir müssen uns auf einen länger dauernden Einsatz einstellen“, sagte Israels Generalstabschef Ejal Zamir. „Wir haben den komplexesten Einsatz unserer Geschichte begonnen.“
Israel schätzt, dass seine Angriffe in Iran die Entwicklung einer Atombombe durch die Islamische Republik um Jahre verzögert haben. „Ich glaube, laut den Einschätzungen, die wir hören, haben wir die Möglichkeit für sie, eine Atombombe zu erlangen, bereits um mindestens zwei oder drei Jahre verzögert“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar in einem „Bild“-Interview. Israel habe viel erreicht, werde aber „nicht aufhören, bis wir alles getan haben, was möglich ist, um diese Bedrohung zu beseitigen“, sagte Saar.
Israels Außenminister: Iran täuscht die Welt
In einem anderen Interview mit dem japanischen Fernsehsender NHK sagte er: „Wir werden nicht zulassen, dass Iran wie Nordkorea wird. Iran hat versucht, den Weg Nordkoreas einzuschlagen, weil er glaubt, dass die Sicherheit seines Regimes durch Atomwaffen gewährleistet wird. Aber wir werden das im Iran nicht zulassen“. Auf die Frage von NHK, ob Israel bereit sei, eine diplomatische Lösung im Konflikt mit Iran zu akzeptieren, sagte Saar: „Persönlich glaube ich nicht, dass der Iran eine (diplomatische) Lösung anstrebt. Iran versucht, die internationale Gemeinschaft zu täuschen“.
US-Präsident Donald Trump hält die jüngsten Vermittlungsbemühungen der Europäer für nicht zielführend. „Iran will nicht mit Europa sprechen. Sie wollen mit uns sprechen. Europa kann dabei nicht helfen“, sagte Trump auf die Frage eines Journalisten, ob die Gespräche der Europäer hilfreich gewesen seien. Es gebe aktuell Kontakte der USA mit Iran, und man werde sehen, was passiere. Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten sich am Freitag in Genf mit ihrem iranischen Kollegen Araghtschi getroffen. Die Europäer und auch Teheran wollen die Gespräche fortsetzen.
Trump: Israel „gewinnt“ den Krieg aktuell
Araghtschi betonte allerdings: „Solange die Angriffe Israels andauern, werden wir mit keiner Partei verhandeln.“ Zu einer Forderung aus Teheran, wonach es vor Verhandlungen eine Waffenruhe bräuchte, sagte Trump, es sei schwierig, das von Israel zu verlangen, weil Israel in dem Krieg aktuell gewinne. Eine solche Forderung wäre einfacher, wenn die eine Seite nicht die Oberhand hätte.
Trump will diplomatischen Bemühungen eigenen Angaben vom Donnerstag zufolge noch rund zwei Wochen Zeit geben, bevor er eine Entscheidung über eine mögliche Kriegsbeteiligung der USA trifft. Auf dem Weg in sein Wochenende sagte Trump vor Journalisten am Freitag am Flughafen in Morristown im Bundesstaat New Jersey, „zwei Wochen sind das Maximum“.
Iran: Wissen nicht, ob wir USA noch vertrauen können
In einem Gespräch mit dem US-Sender NBC News in Genf zweifelte Irans Außenminister daran, dass Washington an diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges interessiert ist. Araghtschi äußerte den Verdacht, dass die USA vorherige Verhandlungen mit der Islamischen Republik nur als Deckmantel für Israels Offensive nutzten. „Sie hatten vielleicht diesen Plan im Kopf und brauchten die Verhandlungen nur, um ihn zu verschleiern“, sagte Araghtschi. „Wir wissen nicht, wie wir ihnen noch vertrauen können. Was sie getan haben, war in Wirklichkeit ein Verrat an der Diplomatie“, sagte er.
Abermalige Angriffe
Die israelische Luftwaffe griff unterdessen wieder Ziele in Iran an. Man habe mit einer Serie an Attacken gegen Raketenlager und Abschusseinrichtungen im Landesinneren Irans begonnen, gab die Armee in der Nacht bekannt.
Nach Angaben staatsnaher iranischer Medien wurde mindestens eine 16-jährige Person bei einem israelischen Angriff auf die iranische Stadt Ghom getötet. Zwei weitere Menschen seien verletzt worden, berichtete das der iranischen Regierung nahestehende Onlineportal „Iran Nuances“. Bei dem Angriff sei ein Wohngebäude getroffen worden.
Ghom liegt rund 50 Kilometer nördlich der Uran-Anreicherungsanlage in Fordo. Die Anlage gilt als das wichtigste Ziel Israels in dem aktuellen Krieg. Nach Angaben von „Iran Nuances“ kam es auch in der zentraliranischen Stadt Isfahan zu einer Explosion. Die Luftabwehr sei dort aktiviert worden. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt. In Isfahan liegt ein wichtiges Atomforschungszentrum.
Kurz zuvor hatte Iran seinerseits Israel mit Raketen angegriffen, die jedoch anscheinend abgefangen werden konnten. Es gab keine Berichte über Einschläge. Trümmer einer abgefangenen Rakete verursachten Medien zufolge zwar ein Feuer auf dem Dach eines Wohnhauses, Schäden in Wohnungen gebe es aber wohl nicht.
Die Bevölkerung könne die Schutzräume wieder verlassen, teilte das Militär mit. Am Vortag waren bei einem iranischen Raketenbeschuss in der israelischen Mittelmeerstadt Haifa laut dem Rettungsdienst mindestens 23 Menschen verletzt worden, drei davon schwer.
Deutsche aus Israel ausgeflogen
Die Bundeswehr flog unterdessen erstmals seit Beginn des Krieges deutsche Staatsbürger direkt aus Israel aus. Zwei Maschinen mit 64 Rückkehrern an Bord landeten in der Nacht am Flughafen Köln/Bonn in Nordrhein-Westfalen. Wegen des Krieges zwischen Israel und dem Iran ist der Luftraum in beiden Ländern für den Luftverkehr gesperrt.