Wir Sharen in Scharen

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Bedauernd hebt der junge Mann hinter dem Tresen die Hände. Er könne wirklich nichts tun, der langjährige Kunde des Volkswagen-Händlers dürfe seinen Autoschlüssel für den am Folgetag vereinbarten Reparaturtermin nicht abgeben. Der Schlüssel sei bitte an der im Eingangsbereich installierten „Sharebox“ einzuwerfen. Nun hat der Kunde dieses Wort zuvor nie gehört, beugt sich aber widerwillig. Einfach einwerfen freilich funktioniert nicht, man muss sich zuvor mit dem Smartphone auf der Internetseite des Schlüsselkasten-Anbieters registrieren, anschließend das eigene Menschsein bestätigen. Nach einigen Minuten ist es vollbracht, von Zauberhand öffnet sich ein Fach. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Die Antwort verrät die Internetseite des Anbieters: „Entdecken Sie, wie Sharebox Selbstbedienungskioske das Kundenerlebnis revolutionieren, indem sie unübertroffenen Komfort bieten, der die Markentreue fördert.“

Edel und gut ist, wer teilt. Die jedem Kindergartenkind vermittelte Haltung nutzen immer mehr Unternehmen. Dann heißt es „Sharing is Caring“, ursprünglich übrigens ein Werbespruch der amerikanischen Heilsarmee. Oder so ähnlich, Hauptsache, wir sharen, Autos und Lastenräder beispielsweise, gern auch den Arbeitsplatz im Büro, sogar für Kinderwagen und Spielzeug soll es Sharing-Anbieter geben. Wer im Kindergarten während der Nikolausfeier aufgepasst hat, weiß allerdings: Einen Mantel, den man nicht hat, kann man auch nicht entzweischneiden.

Geschäftsmodelle, die damit werben, eine Sharing Economy zu befördern, klingen irgendwie cool, wegen Klimaschutz, Ressourcenverbrauch und so. Damit lässt sich gut Kapital einsammeln, das dann von den alles sharenden, aber nichts habenden Kunden verzinst wird. Am besten schafft man das zu teilende Anlagegut gar nicht an, sondern vermittelt nur den Besitz anderer, das heißt dann Plattformökonomie. Mit diesem Ansatz hat es der Fahrdienstleister Uber auf 177 Milliarden Euro Marktkapitalisierung gebracht, mehr als das Dreifache von BMW oder Mercedes-Benz. Die wiederum haben sich aus dem Carsharing-Geschäft längst zurückgezogen, produzieren munter weiter und schaffen gut bezahlte Arbeitsplätze. Wie altmodisch.

Es gibt durchaus Sharing-Modelle, die das Wohl des Kunden im Blick haben. Besonders gut gefällt uns das Auerochsen-Sharing, das ein Zusammenschluss norddeutscher Biobauernhöfe anbietet. Wahlweise kommt per Internetbestellung ein Achtel-, ein Viertel- oder ein halbes Rind ins Haus.