Zohran Mamdani triumphiert in New York

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New Yorker werden im November mit einiger Wahrscheinlichkeit einen neuen Bürgermeister wählen. Der gegenwärtige Amtsinhaber Eric Adams ist in der größten US-Metropole sehr unbeliebt, und er geriet durch eine Korruptionsaffäre zusätzlich ins Straucheln. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte entschied er, anders als vor vier Jahren nicht im Vorwahlkampf der Demokratischen Partei ins Rennen zu gehen, er will sich im November als parteiunabhängiger Kandidat zur Wahl stellen.

Am Dienstag hatten die New Yorker darüber zu entscheiden, wer anstatt Adams für die Demokraten antreten soll. Elf Kandidaten standen zur Auswahl. Niemand von ihnen erhielt mehr als 50 Prozent der Stimmen und konnte sich damit offiziell den Sieg sichern. Aber nach den ersten Auszählungen am Wahlabend lag der erst 33 Jahre alte Zohran Mamdani mit überraschend deutlichem Vorsprung an der Spitze, und sein schärfster Rivale, der 67 Jahre alte Politikveteran Andrew Cuomo, sah sich gezwungen, seine Niederlage einzugestehen. Mamdani trat kurz nach Mitternacht auf seiner Wahlparty vor die Mikrofone und sagte: „Heute Abend haben wir Geschichte geschrieben.“ Cuomo hatte Mamdani zuvor auf seiner Veranstaltung gratuliert: „Der heutige Abend gehört ihm. Er hat es verdient. Er hat gewonnen.“

Mamdani hat gute Chancen auf das Bürgermeisteramt

Mamdani wurde am Dienstag von 43 Prozent der Wähler als erste Präferenz angegeben, Cuomo, der die Umfragen vor der Wahl lange Zeit klar angeführt hatte, kam dagegen nur auf etwas mehr als 36 Prozent. Im Prinzip könnte das eigentümliche Wahlsystem in New York noch dafür sorgen, dass sich das Ergebnis dreht. Wähler konnten eine Rangfolge von bis zu fünf Kandidaten angeben, die Zahlen vom ersten Abend zeigen nur an, wie oft Kandidaten an die erste Stelle gesetzt wurden. In den folgenden Runden wird dann jeweils der Kandidat oder die Kandidatin mit den wenigsten Stimmen eliminiert, und diese Stimmen werden dann der Person zugeordnet, die als nächste auf dem jeweiligen Wahlzettel stand. Am Ende verbleiben zwei Kandidaten, und wer die meisten Stimmen hat, gewinnt. Offenbar sieht Cuomo aber keine Aussichten mehr, seinen Rückstand aufzuholen.

Mamdani zitierte in seiner Ansprache Nelson Mandelas Satz: „Es scheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.“ Er ist nun in der besten Ausgangsposition, um im November zum Bürgermeister gewählt zu werden. In New York gibt es mehr als sechsmal so viele Demokraten wie Republikaner, und der republikanische Kandidat Curtis Sliwa gilt als weitgehend aussichtslos. Er trat schon 2021 an und hat damals deutlich gegen Adams verloren. Allerdings wird Cuomo womöglich noch nicht ganz aufgeben. Er hat angedeutet, dass er im November so wie Adams als unabhängiger Kandidat antreten könnte, falls er die Vorwahlen der Demokraten verliert.

Wie wollen sich die Demokraten künftig positionieren?

Das Rennen um die Kandidatur der Demokraten für das New Yorker Bürgermeisteramt galt als Richtungswahl, die weit über New York hinaus Symbolcharakter haben könnte. Von ihr wurden Hinweise erwartet, welchen Weg die Partei nach den verheerenden Wahlniederlagen des vergangenen Jahres einschlägt und wie sie dem Präsidenten Donald Trump Paroli zu bieten versucht. Cuomo gilt als Vertreter des moderaten „Establishments“ der Partei. Der frühere Präsident Bill Clinton, unter dem er einst Bauminister war, hat ihm kürzlich seine Unterstützung ausgesprochen. Mamdani positioniert sich dagegen weit links und beschreibt sich als „demokratischer Sozialist“. Das ist eine politische Bewegung, die radikale Ziele formuliert hat, etwa die „Abschaffung des Kapitalismus“. Sie fordert unter anderem eine Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und Immobilienunternehmen. Mamdani hat die Unterstützung anderer prominenter Politiker vom linken Rand, zum Beispiel Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez.

Sowohl Cuomo als auch Mamdani haben versucht, sich als Kandidaten darzustellen, die es mit Trump aufnehmen können. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, weil Trump zunehmend versucht, seinen Willen auch auf lokaler Ebene durchzusetzen, gerade in Großstädten, die von Demokraten kontrolliert werden. Das zeigte sich unlängst, als er inmitten von Protesten gegen seine Einwanderungspolitik die Nationalgarde nach Los Angeles schickte. Kürzlich drohte er, in Metropolen wie Los Angeles und New York die Anstrengungen zu verstärken, Einwanderer aufzuspüren und abzuschieben. Trump hat auch versucht, eine Citymaut in New York zu stoppen.

Cuomo veröffentlichte kürzlich einen Werbespot, in dem es hieß: „Trump steht vor den Toren der Stadt. Wir brauchen jemanden mit Erfahrung, der sie zuknallt.“ Über Mamdani hat Cuomo gesagt, Trump werde ihn auf eine Art und Weise zerlegen, „wie ein heißes Messer durch Butter schneidet“. Mamdani hat sich dagegen selbst als „Donald Trumps schlimmster Albtraum“ beschrieben.

Cuomos politische Karriere schien zwischenzeitlich am Ende

Cuomo war zwischen 2011 und 2021 Gouverneur in New York. Er hat sich in dem Amt als Zupacker einen Namen gemacht, unter dem größere Gesetzesvorhaben und Bauprojekte umgesetzt wurden. In der Corona-Krise positionierte er sich in häufigen Pressekonferenzen als nüchterner Krisenmanager, und er grenzte sich damals auch klar von Trump ab, dem er vorwarf, die Bedrohung nicht ernst genug zu nehmen. Im weiteren Verlauf der Pandemie geriet Cuomo aber auch selbst die Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, mit seinen Entscheidungen dazu beigetragen zu haben, dass Bewohner in Pflegeheimen im Bundesstaat einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Gestürzt ist Cuomo dann über Vorwürfe, Frauen sexuell belästigt zu haben. Er hat die Anschuldigungen zwar vehement bestritten, sah sich aber trotzdem gezwungen, zurückzutreten.

Die politische Karriere Cuomos schien nach all den Negativschlagzeilen zunächst am Ende. Das hielt ihn aber nicht ab, im März seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt in New York anzukündigen, und er setzte sich schnell an die Spitze des Bewerberfeldes. Für viele New Yorker schien zu zählen, dass sie ihn als Politiker mit Kompetenz und Führungsqualitäten in Erinnerung hatten. Als Cuomo in das Rennen einstieg, lag Mamdani im Feld der Kandidaten noch weit hinten. Das sollte sich dann aber von Monat zu Monat ändern. Mamdani konzentrierte sich im Wahlkampf auf das Versprechen, New York erschwinglicher zu machen, und das kam in der notorisch teuren Stadt gut an. Er gab sich volksnah und verstand es, seine Botschaft in sozialen Netzwerken auf eine Art und Weise zu verbreiten, die viele Menschen ansprach. Er mobilisierte Tausende von freiwilligen Helfern, die ihn im Wahlkampf unterstützten.

Einige seiner Wahlkampfvideos gingen viral. Am Freitag vor der Wahl marschierte er öffentlichkeitswirksam durch ganz Manhattan, von der Nord- bis zur Südspitze, eine Distanz von mehr als zwanzig Kilometern. Im dabei gedrehten Video sagt er: „New Yorker verdienen einen Bürgermeister, den sie sehen können, hören können und sogar anschreien können.“

Mamdani ist bei jüngeren, gebildeten Wählern beliebt

Mamdanis bisherige politische Erfahrung ist überschaubar, seit 2021 hat er einen Sitz im Parlament des Bundesstaats New York. In diesem Amt machte er sich unter anderem damit einen Namen, dass er sich einem Hungerstreik von New Yorker Taxifahrern anschloss, die für einen Schuldenerlass auf ihre Taxilizenzen kämpften. Mamdani ist in Uganda geboren. Seine Eltern stammen aus Indien, seine Mutter ist Mira Nair, eine Regisseurin, die preisgekrönte Filme wie „Monsoon Wedding“ gedreht hat. Nach New York zog Mamdani mit seinen Eltern, als er sieben Jahre alt war. Seit 2018 ist er amerikanischer Staatsbürger. Zwischenzeitlich hat er sich als Rapper unter dem Namen „Mr. Cardamom“ versucht. Sollte seine Kandidatur erfolgreich sein, wäre er der erste muslimische Bürgermeister New Yorks.

Im Wahlkampf hat Mamdani Ziele ausgegeben, die sich klar vom politischen Mainstream abheben. Er will Busse in New York gratis machen und die Mieten in einem großen Teil der Wohnungen in der Stadt, die Mietregulierungen unterliegen, einfrieren. Er will Supermärkte eröffnen, die von der Stadt betrieben werden, und er will kostenlose Kinderbetreuung anbieten. Finanzieren will er all das mit Steuererhöhungen. Unternehmenssteuern sollen steigen, und das wohlhabendste Prozent der New Yorker soll eine zusätzliche Steuer von zwei Prozent auf ihr Einkommen zahlen. Umfragen zufolge kommt Mamdani vor allem bei jüngeren Wählern und Wählern mit Hochschulabschluss gut an.

Auf Vertreter des New Yorker Establishments wirkt Mamdanis Programm indessen viel zu extrem. Die Wirtschaftswelt der Stadt empfinde beim Gedanken an ihn „Terror“, sagte Kathryn Wylde vom lokalen Wirtschaftsverband Partnership for New York City dem Fernsehsender „CNBC“ am Dienstag. Der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg und der Investor Bill Ackman, beide Multimilliardäre, haben Cuomo unterstützt. Auch keine der großen New Yorker Zeitungen wollte sich auf Mamdanis Seite schlagen. Die „New York Times“ zeigte sich zwar von keinem der elf Kandidaten begeistert, riet aber ausdrücklich von Mamdanis Wahl ab. Dessen Agenda sei „besonders ungeeignet“, um den Herausforderungen der Stadt zu begegnen. Jenseits seines Wahlprogramms ist Mamdani auch deshalb umstritten, weil er sich kritisch über Israel geäußert hat. Er hat Israels Angriffe im Gazastreifen als „Genozid“ beschrieben.

Schlechte Umfragewerte für Amtsinhaber Adams

All das hat Mamdanis Triumph nicht verhindert. Die New Yorker Demokraten haben sich für einen Kandidaten entschieden, der Wandel verheißt. Darin dürfte auch die Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Amtsinhaber Eric Adams zum Ausdruck kommen. In einer im März veröffentlichten Umfrage der Quinnipiac University zeigten sich nur 20 Prozent der Befragten zufrieden mit Adams. Das ist die niedrigste Zustimmungsrate für einen New Yorker Bürgermeister in den fast 30 Jahren, in denen es diese Erhebung gibt. Adams hat vor vier Jahren nicht zuletzt dank seines Versprechens gewonnen, für mehr öffentliche Sicherheit in New York zu sorgen. Seine Bilanz ist aber gemischt. Zwar sanken die Zahlen von Schießereien und Morden seit seinem Antritt, andere Verbrechen wie Diebstähle nahmen aber zu.

Vor allem aber beschädigten Korruptionsaffären sein Ansehen. Im vergangenen September wurde er als erster amtierender Bürgermeister der Stadt strafrechtlich angeklagt. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, illegale Wahlkampfspenden und Geschenke wie Luxusreisen akzeptiert zu haben. Adams hat die Anschuldigungen bestritten. Im Februar forderte das Justizministerium der Trump-Regierung die Staatsanwaltschaft auf, den Fall fallen zu lassen, was dann im April auch geschah. Dies ließ bei vielen New Yorkern den Eindruck entstehen, Adams habe sich auf einen Deal mit Trump eingelassen, um die Angelegenheit aus der Welt zu schaffen.

Adams zeigt sich von alledem unbeirrt und hofft trotz seiner schlechten Umfragewerte weiter darauf, im Amt zu bleiben. Er nahm die Vorwahlen der Demokraten zum Anlass, sich selbst ins Gespräch zu bringen. Nach Bekanntwerden von Mamdanis Wahlerfolg schrieb er auf der Online-Plattform X: „Der Kampf um die Zukunft New Yorks beginnt heute Abend.“