Die Fahrradbranche sucht Gründe für Optimismus

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Kommt nun wirklich die immer wieder angekündigte Erholung des Fahrradmarktes? Seit 2023 hieß es auf der größten Fahrradmesse Europas in Frankfurt, dass sich die Konjunktur im folgenden Jahr wieder normalisieren werde. Langsam stellt sich die Frage, ob die goldenen Wachstumsjahre je wieder zurückkehren oder ob auch mit Elektrofahrrädern der erste Bedarf erst einmal gedeckt ist. „In Deutschland ist eine gewisse Sättigung des Marktes für E-Bikes zu spüren“, sagt Mathias Heller von der Unternehmensberatung Roland Berger. Doch im Gegensatz zu Deutschland sei die Präsenz von Elektrofahrrädern in vielen europäischen Märkten, vor allem in Südeuropa, noch sehr ausbaufähig. Für die sei der deutsche Markt für Elektrofahrräder ein Vorreiter.

Das zeigt schon ein einfacher Vergleich deutscher und europäischer Marktzahlen: In Deutschland übersteigt seit 2023 der Absatz der E-Bikes die Verkaufszahlen der normalen, mit Muskelkraft betriebenen Fahrräder. 2024 lag der Anteil der E-Bikes bei 2,1 Millionen von insgesamt 3,9 Millionen verkauften Fahrrädern, das sind etwa 53 Prozent. Für Europa schätzte dagegen Roland Berger den gesamten Fahrradabsatz 2024 auf 15,3 Millionen Stück, wovon die Elektrofahrräder nur etwa ein Drittel ausmachen.

Im Gegensatz etwa zu deutschen Verbänden wagten die Unternehmensberater von Roland Berger in ihrer vor einigen Monaten präsentierten Untersuchung auch einen Ausblick für mehrere Jahre. Demzufolge würde der europäische Fahrradabsatz nach dem von der Covid-Pandemie hervorgerufenen Absatzrekord von 22,1 Millionen Rädern im Jahr 2021 und dem Tiefpunkt von 15,3 Millionen im Jahr 2024 erst wieder sehr langsam wachsen, auf 15,4 Millionen für 2025 und 15,9 Millionen für 2026.

Treiber einer weiteren Verbreitung sei unter anderem auch die Zielsetzung der Politik, das Fahrrad gerade in den Städten zu einem wichtigen Bestandteil einer Strategie für mehr Klimaschutz zu machen. Diesen Wunsch spiegelt eine Vorgabe des Europäischen Parlaments wider, der zufolge die Zahl der mit Fahrrädern gefahrenen Kilometer in der EU verdoppelt werden solle. Doch grundsätzlich wurde eine Stagnation des Marktes erwartet, auf dem nur höhere Preise für die Fahrräder und ein steigender Anteil teurerer E-Bikes für Umsatzwachstum sorgen könnten.

„Die Krise hat den Fahrradmarkt sichtbar getroffen“

In Deutschland als größtem europäischen Fahrradmarkt, mit einem Anteil von mehr als einem Viertel am Absatz und einem noch weit höheren Anteil am europäischen Geschäftsvolumen, suchen eine Reihe von fahrradbegeisterten Institutionen und Vereinigungen nicht nur Sympathien, sondern auch wirtschaftlichen Schwung für die wieder aufgeblühte Branche aufrechtzuerhalten. Die Verbreitung des E-Bikes hat innerhalb von 15 Jahren wieder Perspektiven für Fahrradproduktion in Deutschland geschaffen, nachdem zuvor für die muskelbetriebenen Räder immer größere Anteile der Produktion in asiatische Billiglohnländer verlagert worden waren. Ein Durchschnittspreis von 4190 Euro je verkauftem Elektrofahrrad von 2023 schafft genügend Anreiz für Innovation und Produktion in Deutschland.

Doch selbst der immer optimistische Wirtschaftsverband Zukunft Fahrrad muss nun zugeben, dass das Jahr 2024 einen Tiefpunkt für die Fahrradbranche dargestellt habe: „Die Krise hat den Fahrradmarkt sichtbar getroffen, Unternehmen litten unter nachlassender Nachfrage, Preisrückgängen und den Nachwehen überfüllter Lager.“ In Beschäftigung und Umsatz zeige sich, „dass der Boom der vorangegangenen Jahre an Dynamik verloren hat“.

Hoffnung auf die Wende

In der deutschen Fahrradproduktion sei die Beschäftigung vom Rekordwert von 14.400 im Jahr 2022 bis 2024 auf 13.400 gesunken. Der Handel hat nach Angaben des Wirtschaftsverbandes Zukunft Fahrrad gegenüber den 58.100 Beschäftigten für 2023 bis zum vergangenen Jahr 800 Arbeitsplätze verloren. Nur bei Dienstleistungen rund ums Rad, etwa Leasing, gab es bis 2024 ein Plus von 500 Mitarbeitern auf 6000. Der inflationsbereinigte Umsatz der Fahrradbranche sei schon seit 2022 nicht mehr gestiegen. Selbst mit den Marktpreisen einschließlich der Inflation sei der Gesamtumsatz 2024 gegenüber dem Vorjahr um 7,2 Prozent auf 27,2 Milliarden Euro gesunken.

Grund für Optimismus sieht der Wirtschaftsverband Zukunft Fahrrad in den seit Anfang 2025 deutlich verbesserten Umfrageergebnissen für das Geschäftsklima. Der Verband der deutschen Fahrradindustrie (ZIV) sieht in den Verkaufszahlen im ersten Quartal 2025 ein Anzeichen für eine Erholung des Marktes. In den ersten drei Monaten 2025 habe der Gesamtabsatz an Fahrrädern mit 885.000 um etwa elf Prozent über dem Wert des Vorjahres gelegen. Ebenso um elf Prozent sei der Absatz an Elektrofahrrädern gestiegen, auf 500.000 Stück. Der Export von E-Bikes sei um sieben Prozent auf 156.000 gewachsen, die gesamte Produktion an E-Bikes um 16 Prozent auf 520.000.

Dennoch werden die Zahlen mit Vorsicht behandelt. Die Vergleichsdaten von 2024 seien besonders schwach gewesen. Im April und Mai 2025 habe sich der Wachstumsimpuls schon wieder abgeschwächt, das Absatzplus für die ersten fünf Monate betrage nur noch fünf Prozent. Für 2025 wird insgesamt noch immer eine „angespannte Lage für Hersteller und Handelsunternehmen“ erwartet, von 2026 an dann Licht am Ende des Tunnels.

Auswirkungen des Covid-Katers

Wie ein Teil einer unverdauten Mahlzeit nach ausgiebiger Völlerei liegen den deutschen Herstellern noch immer die Folgen des Booms in der Covid-Zeit im Magen. Als große Reisen unmöglich waren und Fahrradfahren besonders attraktiv war, hatten die Deutschen 2020 und 2021 schnell die Fahrradläden leer gekauft. Für 2022 wurde die Nachfrage überschätzt, zudem erwartete der Handel nach den Erfahrungen der vorausgehenden Jahre, dass weiterhin nur ein Bruchteil der bestellten Ware auch ausgeliefert werde. Die optimistischen, teils strategisch übertriebenen Bestellungen ergaben dann für 2022 und 2023 übervolle Lagerbestände. Die betrugen nach Angaben des Industrieverbandes ZIV Ende 2023 rund 1,5 Millionen Fahrräder, Ende 2024 immer noch die Hälfte davon.

Ende 2025 könnte der Druck der übergroßen Lagerbestände im Handel endgültig vorbei sein, meint Berater Mathias Heller vom Beratungsunternehmen Roland Berger. Dann könnten Hersteller und Zulieferer im Laufe des Jahres 2026 die letzten Folgen des Covid-Booms überwinden.

Konsolidierung könnte folgen

Für die Branche mit vielen Kleinunternehmen und Mittelständlern kann mittelfristig dann eine Auslese und Konsolidierung der Unternehmenszahl zur nächsten Herausforderung werden. „Nur wenige schaffen es, sich dauerhaft in einer kleinen und feinen Nische zu behaupten, etwa mit Fahrrädern, die wirklich an den individuellen Kunden angepasst werden“, sagt Mathias Heller. Schwierig werde es für all diejenigen, die sich im großen Mittelfeld vorankämpfen müssten. Da erleben längst alle, wie schwer es ist, mit Rädern aus immer den gleichen Teilen bekannter Zulieferer Produkte zu schaffen, die auch einen Wiedererkennungswert für die eigene Marke erzeugen.

Weil viele Käufer von E-Bikes in den Jahren stürmischer Absatzzahlen ihr teures Elektrorad nun nicht gleich ersetzen wollen, wird nun versucht, mit neuen Produktsegmenten neue Nachfrage zu erschließen, etwa mit den Gravelbikes, sportlichen Rädern mit breiten Reifen für den Feldweg, oder andererseits mit leichten E-Bikes, die auch über eine Treppe in eine Stadtwohnung getragen werden können. Zugleich beginnt auch ein Wettbewerb um attraktive Angebote zu niedrigeren Preisen. Eine besondere Herausforderung für den deutschen Markt der E-Bikes wird nun der Umgang mit gebrauchten Rädern. Nach stürmischem Wachstum des Marktes für Dienst- und Leasingfahrräder kommen nun erstmals Leasingrückläufer in großer Zahl auf den Markt für Gebrauchträder.

Wasilis von Rauch, Geschäftsführer des Verbandes Zukunft Fahrrad, bleibt für die Zukunft dennoch optimistisch: Es gelte, noch die Hälfte der Arbeitgeber von den Vorteilen des Dienstrades zu überzeugen. Die Abverkäufe der Lagerbestände mit Rabatt hätten auch gezeigt, wie mit günstigeren Preisen neue Nachfrage entstehe. Langfristig gebe es zugunsten der Branche aber nur ein Rezept: mehr Fahrradwege.