Was ein neues SPD-Mitglied im ersten Jahr in der Partei erlebt

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Zur Rettung der Demokratie geht es in der „Speisegaststätte zum Dorfbrunnen“ ins Hinterzimmer. Michael Nagel hat sich dafür einen dunklen Anzug angezogen, ist von seinem Wohnort einen Westerwaldhügel weitergefahren, und jetzt soll es losgehen mit der ersten Jahreshauptversammlung seiner neuen Partei. Seit ein paar Wochen ist Nagel SPD-Mitglied, um endlich etwas zu tun für die Demokratie, die er jetzt, Anfang 2024, „von ganz rechts“ bedroht sieht „wie schon einmal in Deutschland“.

Aber wie kämpft man eigentlich für die Demokratie? Einige Wochen zuvor war Michael Nagel zum ersten Mal de­monstrieren gegen Rechtsextremismus, 500 Leute waren in der nächstgrößeren Stadt Montabaur angemeldet, es kamen 2000. Endlich gab es Widerstand gegen die Partei ganz rechts-außen. Millionen gingen gegen sie und das gar nicht so geheime Gerede von „Remigration“ auf die Straße, Millionen machten klar, dass sie für die Demokratie und ihren Rechtsstaat sind, für Abstimmung statt Abstammung. „Ein Glück war das, als sich der Platz füllte. Ein Glück, dass wir so viele waren“, sagt Nagel über die Demonstration. Aber es war eben auch: ein flüchtiger Moment.

Die SPD, findet Michael Nagel, ist die Partei, die aus solchen Momenten eine Grundhaltung gemacht hat. Die Partei, die sich Hitler entgegenstellte. Das Bollwerk gegen rechts, wie Sozialdemokraten stolz sagen. Nagel geht auf die 60 zu, sein ganzes Leben schon stehe er der SPD nahe, habe sie fast immer gewählt. Aber erst die wachsende AfD brachte ihn dazu, einzutreten. „Ich habe über die Demokratie früher nicht viel nachgedacht, für mich war sie immer selbstverständlich“, sagt er.

Überparteilich gegen die AfD. Nagel, neben der Laterne im dunklen Mantel, bei einer Demonstration im März 2024 in Montabaur.
Überparteilich gegen die AfD. Nagel, neben der Laterne im dunklen Mantel, bei einer Demonstration im März 2024 in Montabaur.Hans-Peter Metternich

Als Ende der Achtzigerjahre die Republikaner aufkamen, hat Michael Nagel sich zum ersten Mal Sorgen gemacht und ging zu einer ihrer Veranstaltungen, um sich ein Bild von ihnen zu machen. „Das waren Trottel, die waren keine Gefahr.“ Aber die AfD ist anders, sagt Nagel, planvoller, kälter, vor allem: stärker. „Wir werden sie jagen“, an diese Drohung von Alexander Gauland müsse er immer wieder denken. Irgendwann habe er gemerkt: „Ich muss was machen.“

An diesem Abend im Frühjahr 2024 im „Dorfbrunnen“ in Niederelbert sieht das sozialdemokratische Bollwerk nicht sonderlich mächtig aus, Michael Nagel trifft nur auf sechs andere Sozialdemokraten, dreimal Apfelschorle, zweimal Wasser, ein Bier. Nagel stellt sich vor, wird gleich geduzt, duzt zurück, dann wird ein Parteifreund ausgezeichnet. Willi Wirges ist 55 Jahre in der SPD, dafür gibt es eine Urkunde und eine vergoldete Anstecknadel.

Eigentlich hatte sich Michael Nagel vorgenommen, mit seiner neuen Partei darüber zu sprechen, warum er eingetreten ist, warum er die Demokratie in Gefahr sieht, was man dagegen tun kann. Aber als er fragt, ob man nicht einmal die Bevöl­kerung einladen sollte, um über den Rechtsruck zu debattieren, antwortet ein Neuparteifreund: „Da kommt keiner. So funktioniert das hier nicht, Michael.“ Aber man könne gern bald einmal darüber reden, was man stattdessen tun könnte.

„Toll, dass du Sozi geworden bist“

Nagel findet, dass es fünf vor zwölf ist. Und jetzt soll er warten. Aber immerhin die innerparteiliche Demokratie kann er ein bisschen retten, schon vor der Sitzung hat ihn Uli Schmidt dazu angerufen. Ohne ihn geht im Ortsverein nichts, er kennt die SPD hier und auch fast alle außerhalb der Partei. Mit Rudolf Scharping, der in Niederelbert geboren wurde, war Schmidt bei den Jusos. „Toll, dass du Sozi ge­worden bist“, sagte Schmidt also am Telefon, als er von Nagels Parteieintritt gehört hatte, „wir stecken dich in den Vorstand.“ Denn der ist schon länger nicht mehr vollständig. Normalerweise, erklärt Uli Schmidt später, sind die Sozialdemokraten hier eher gewohnt, dass sie weniger werden, dass die Genossen sterben oder einfach nicht mehr kommen. Und wenn doch mal einer neu dazukommt, dann will der einfach nur bei der Kommunalwahl auf die Liste, möglichst weit vorn, und ist dann bald wieder weg. So einer wie der Nagel, der was bewegen will, sagt Uli Schmidt, der kommt nur alle zehn Jahre neu dazu.

Einen Gegenkandidaten gibt es nicht, und so dauert Nagels erste Ortsvereinssitzung noch keine Stunde, da ist er einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Im neuen Amt lernt Nagel in den kommenden Wochen: Der Ortsverein besteht eigentlich nur noch aus dem Vorstand, es gibt mehr Ämter zu füllen als aktive Genossen. Bevor man hier die Demokratie verteidigen kann, muss man erst mal seinen Teil beitragen, um die Strukturen zu retten. In den 20 Dörfern rund um Montabaur gab es bis vor ein paar Jahren drei oder vier Ortsvereine. „Die waren dann nicht mehr lebensfähig“, sagt Uli Schmidt. Deshalb haben sie sie zusammengepackt, sie heißen jetzt Ortsverein Ahrbach-Stelzenbach. Wie viel Untergang hinter dem Doppelnamen steht, versteht man erst, wenn man den Zusatz liest, mit dem der Ortsverein seinen Geltungsbereich absteckt: „Buchfinkenland-Gelbachhöhen-Elbertgemeinden-Eisenbachgemeinden und Ahrbachgemeinden“. Die Partei schrumpft, und der Name wird immer länger.

Die Wahl von Michael Nagel (SPD) zum stellvertretenden Vorstand des Ortsvereins der SPD.
Die Wahl von Michael Nagel (SPD) zum stellvertretenden Vorstand des Ortsvereins der SPD.Fabian Wilking

Resonanz findet Nagel in diesen ersten Wochen seiner Mitgliedschaft nicht in seiner neuen Partei, sondern ungewollt außerhalb. Nachdem die F.A.Z. über ihn und andere Menschen berichtet hat, die nach den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Parteien eingetreten sind, erhält er auf der Plattform Linkedin eine Nachricht. Deren Autor empört sich, dass Nagel der F.A.Z. gesagt hatte, er halte die AfD für rechtsradikal. Volksverhetzung sei das, empört sich der Nachrichtenschreiber, der sich auf der Plattform Robert Meier nennt.

Nagel und er schreiben eine Weile hin und her. Nagel fragt ihn, ob er wirklich so heißt. „Meier“ antwortet: „Zu meiner Identität: Ich empfehle Ihnen den Film „Dark Star“. Darin gibt es einen Dialog zwischen einem Raumschiffpiloten und einer tödlichen, intelligenten Bombe. Die Bombe bezweifelt, dass es den Piloten überhaupt gebe, weil er ihr seine Existenz erst mal beweisen müsse. Daher seien seine Warnungen vernachlässigenswert.“ Ein bisschen wirr klingt das, einerseits. Andererseits: In dem Film explodiert die Bombe. Nagel fragt sich: Will ihm hier jemand drohen? Im Mai hängt er deshalb nicht nur SPD-Plakate für die Europawahl auf, sondern geht auch zur Polizei. „Derzeit erschüttert einfach, dass in unserer Gesellschaft von rechtsextremen Kräften ein Klima geschaffen wurde, das Menschen motiviert, mit Gewalt gegen politisch aktive Personen vorzugehen und damit unsere Demokratie direkt anzugreifen“, schreibt Nagel in einer E-Mail. Im­merhin, als die Polizei gehört habe, dass er ein politisches Amt habe, sei seine Anzeige sehr ernst genommen worden.

Im Juni kommt das Ergebnis der Europawahl: Die AfD überholt die SPD. Alice Weidel fordert Neuwahlen. „Die Menschen haben die Ampel satt“, sagt die AfD-Vorsitzende. „Der Olaf“ müsse sich mehr um sein öffentliches Bild kümmern, sagt Michael Nagel am Telefon. Scholz sei „ein toller Bundeskanzler“, dem nur die richtigen Marketingleute fehlten. Lange reden kann er nicht, gleich beginnt eine Veranstaltung der Landespartei, die will er nutzen, um die Ministerpräsidentin zu fragen, was sie für das Familienferiendorf tun kann, das Nagel leitet und dem Geld fehlt für eine neue Heizung.

Bis zur Ministerpräsidentin schafft er es nicht, aber einer ihrer Mitarbeiter nimmt sein Anliegen auf. Der Sozialdemokrat Nagel hat noch nicht die Demokratie gerettet. Aber als Lobbyist für den eigenen gemeinnützigen Job wird er in einigen Monaten tatsächlich eine Finanzierungszusage erhalten. „Es ist nicht das Schlechteste, in der Partei zu sein und dann aus dem Landtag zu hören, wo es Fördertöpfe gibt.“ Als es Sommer wird, rührt Nagel selbst in Töpfen. Dem Feriendorf ist ein Koch abhandengekommen. Also springt er ein, erzählt er am Telefon, und dass er neulich mit einem Freund gesprochen habe. Der lebe in einer norddeutschen Kleinstadt und lasse seine Frau „wegen der angeblich kriminellen Ausländer“ abends nicht mehr auf die Straße. Alles Diskutieren habe nicht geholfen. Um die Freundschaft nicht zu gefährden, habe man das Thema gewechselt.

„Jetzt brauch ich ein Bier!

Als Geschäftsführer des Feriendorfs hat Nagel viel zu tun, von Mitte Februar bis Anfang Dezember kommen Tausende Gäste, hinzu kommt jetzt alle zwei bis drei Wochen ein Treffen mit seinen SPD-Vorstandskollegen. Nagel hat sich durch­gesetzt, jetzt wollen sie doch die Bewohner aus den Buchfinkenland-Gelbachhöhen-Elbertgemeinden-Eisenbachgemeinden und Ahrbachgemeinden einladen. „Lawinenschutz für die Demokratie“, steht auf der Einladung, das Motto haben sie sich von Erich Kästner geliehen.

Das Landgasthaus „Zur Tante Anna“ hat extra aufgemacht, draußen scheint Spätsommersonne, junge Paare schieben Kinderwagen vorbei. Drinnen wollen die Sozialdemokraten mit „allen Interes­sierten“ überlegen, was sie vor Ort tun können, damit aus dem AfD-Schneeball keine Lawine wird, die über die Republik rollt. Wer das nicht will: die Bürger. Je­denfalls ist niemand gekommen, und auch Uli Schmidt fehlt, seine Genossen sorgen sich schon. Nach einer halben Stunde kommt er doch, zwei Termine verwechselt.

„So schnell bin ich in 53 Jahren Parteimitgliedschaft noch nicht gefahren“, sagt er. Er habe schon gefürchtet, ein voller Saal warte auf seine Impulse. „Jetzt brauch ich ein Bier.“ Die Impulse trägt er dann vor, auch wenn der Saal leer ist, eine Dreiviertelstundelang nur von zaghaften Diskussionsversuchen seiner Parteifreunde unterbrochen. Zu lamentieren gibt es genug: Die fatalen Wahlergebnisse der SPD bei der Europawahl. Bei der Kom­munalwahl. Und dann macht auch noch die CDU gute Kommunalpolitik. „Das muss man auch einfach mal sagen“, sagt Schmidt. Sein Vater habe einen SPD-Ortsverein gegründet, etwas aufgebaut. Heute aber folge Fusion auf Fusion, weil die kleinen Vereine nicht mehr allein fortbe­stehen könnten. „Und wie viele da noch aktiv sind, das sehen wir heute Abend.“ Draußen laufen zwei junge Männer vorbei.

Während Schmidt spricht, trinken die Genossen Apfelschorle. Dass keine Bürger zum Demokratieretten vorbeigekommen sind, ist schlimm genug. Die fünf anwesenden Sozialdemokraten deprimiert aber, dass auch ihre eigenen Parteimit­glieder nicht gekommen sind. Vor allem Nagel ist enttäuscht. „Ich hätte gedacht, dass wir heute den Saal voll bekommen.“ Uli Schmidt sagt ihm: „Michael, du bist noch nicht lange dabei.“

Später im Auto auf dem Weg zurück nach Hause, zum Geburtstag „der besten aller Ehefrauen“ (seine vierte, der Superlativ hat also etwas zu bedeuten), ist Nagel im Kopf noch bei dem gescheiterten Treffen. Beschämend sei das gewesen. Stell dir vor, es ist Demokratierettung, und keiner geht hin. „Das ist ein Dämpfer“, sagt Nagel. „Aber das ist eben ein Marathon, kein Sprint.“ Nagel klingt jetzt wie ein Parteivorsitzender am Wahlabend, wenn der eigene Bollwerksbalken kollabiert ist. Oder vielleicht klingen manche Politi­ker auch einfach wie Nagel, der lange im Vertrieb gearbeitet hat, erfolgreich Kopierer verkauft hat, bevor er – auf Drängen der besten aller Ehefrauen – sich einen Job gesucht hat, „bei dem ich viel weniger verdiene und etwas viel Sinnvolleres tue“.

Warum tut sich Michael Nagel das an?

Seine Genossen hatte Nagel im leeren Saal gefragt, wie der Ortsverein wieder attraktiver werden könnte. Eine Idee hatte niemand. Eine Parteifreundin fragte, wer daran schuld ist, dass auf der Internetseite des SPD-Gemeindeverbandes ei­ner als Ansprechpartner steht, der die SPD längst verlassen hat. Schmidt sagt, dass das Problem mit der Internetseite ist, dass der Gemeindeverband gar keine offizielle Parteigliederung sei, sondern nur eine Arbeitsgemeinschaft verschiedener Ortsvereine. Immerhin bestätigen sie ih­ren neuen Namen für den Ortsverein. Das war beim letzten Mal irgendwie untergegangen. In der Sonntagsfrage steht die AfD nun seit mehr als einem Jahr vor der SPD.

Warum tut Michael Nagel sich das an? Ein bisschen hat das auch mit diesem Text zu tun, sagt Nagel. Er habe ja gewusst, dass da immer wieder jemand anrufen und fragen werde, was er als Parteineuling gerade tue. „Und ich will auch etwas tun, ich glaube wirklich, dass es sonst bald zu spät sein könnte.“ Er hat auch versucht, mit seinem Ortsverein die eigene Bundestagsabgeordnete dazu zu bewegen, für die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens zu stimmen, vergeblich.

Währenddessen kämpft die Ampel­koalition um ihren Fortbestand, ebenfalls vergeblich. Als dieser Kampf vorbei ist, sagt Nagel: „Gut, dass der Olaf den Herrn Lindner rausgeschmissen hat.“ Früher als erwartet kommt Nagel nun zu seinem ersten Bundestagswahlkampf. Er will wieder Plakate kleben und in seinem Wohnort zum ersten Mal überhaupt einen SPD-Stand aufbauen.

Nagels erster Bundestagswahlkampf

Anfang Februar will Michael Nagel dort am Brunnenplatz an einem Samstagmorgen Kaffee ausschenken. Viele Leute aus den umliegenden Dörfern kommen hier am Samstagmorgen vorbei, der Bäcker ist ganz in der Nähe. Zehn Liter Kaffee hat er gekocht und 50 Quark­bällchen geholt. Er hat dann gelernt, dass das viel zu viel war – aber auch dass immerhin ein paar Leute mit ihm über die SPD, über Scholz und Merz, über die Demokratie hätten sprechen wollen. Auch die sozialdemokratische Bundestagsab­geordnete hat vorbeigeschaut.

Sie wird ihren Sitz im Parlament be­halten. Aber für die SPD ist das Ergebnis der Bundestagswahl niederschmetternd. Das Kanzleramt verloren, die AfD verdoppelt. „Jetzt muss es der Klingbeil richten“, sagt Nagel und muss überlegen, ob er für die Koalition mit dem Mann stimmt, der vor Kurzem noch die Stimmen der Partei in Kauf genommen hat, gegen die Nagel kämpfen will.

Am Ende stimmt er trotzdem für den Koalitionsvertrag – anders als seine Vorstandskollegen aus dem Ortsverein. Uli Schmidt, der bisher noch jeder großen Koalition zugestimmt hatte, schreibt dieses Mal sogar ein Thesenpapier gegen die Zusammenarbeit mit der Union. Aber Nagel sieht es so: Wer das Land reparieren will, darf sich nicht drücken.

Überhaupt klingt Nagel optimistischer nach der Bundestagswahl. Als die SPD doch noch mal zu einem offenen Stammtisch in ein Wirtshaus geladen hatte, war der Saal auf einmal voll (das lag, sagt Nagel, vor allem daran, dass Uli Schmidt dieses Mal lauter Leute telefonisch einge­laden hat). Vor allem aber findet jetzt endlich eine Veranstaltung statt, die Nagel schon lange im Sinn hatte: Sein Ortsverein trifft sich in Heiligenroth mit Unternehmern mit Migrationshintergrund. Damit wollen sie zeigen, dass Einwanderer der Region guttun. Die Lokalpresse ist da, für einen Folgetermin hat sich der SWR angekündigt. Aus dem Landesarbeitsministerium ist ein Staatssekretär gekommen, der ganz begeistert von der Idee ist. Auch Tanja Machalet, die Bundestagsabgeordnete, ist wieder dabei.

Die Unternehmer erzählen davon, wie der Ton rauer geworden ist, die Pöbeleien zunehmen. Viele von ihnen sind Kinder türkischer Gastarbeiter, sie führen Handwerksbetriebe, bauen eine Einrichtung zur Tagespflege auf oder stellen Leuchtfarbe für Warnwesten her. „Seit der Wahl spüre ich den rechten Rand mehr“, sagt eine Unternehmerin. Ein Elektriker erzählt, was er seinen Azubis sage: „Wegen unseres Nachnamens starten wir jeden Auftrag mit einem Rückstand von 0:1 und müssen dafür arbeiten, dass wir 2:1 gewinnen.“

Nagel ist unter den 20 Leuten am Tisch einer der wenigen, der nicht wat und dat sagt, kein Wäller Platt spricht. „Dat ist ein gutes Land hier, aber ich könnte 3 bis 4 Millionen im Jahr mehr Umsatz machen, wenn ich mehr Leute finden würde“, sagt der Gastgeber, dessen Großvater mit einem Zug aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. Sicher, sagt er, Migration müsse man kontrollieren. Aber auch ermöglichen und nicht verhindern wie die lokale Ausländerbehörde. Da nicken die Sozialdemokraten. Dann machen sie ein Gruppenfoto.

Nach einem Jahr hat Michael Nagel endlich etwas in der Hand. Wer sieht, was die Unternehmer leisten, ist vielleicht immun gegen die Hetze der AfD, hofft er. Als Nächstes ist ein Treffen mit Beschäftigten geplant, die aus dem Ausland stammen.

Und sonst? Was hat er noch vor in der SPD? Wie wäre es mit der Kandidatur für ein Mandat? „Das muss ich noch überlegen. Das war eigentlich nicht mein Ziel“, sagt Nagel. Aber wenn im nächsten Jahr in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt wird, dann will er wieder den Wahlkampfstand aufbauen, will – dieses Mal weniger – Kaffee kochen und weniger Quarkbällchen kaufen und wieder ein paar mehr Leute davon überzeugen, dass da eine Lawine auf das Land zurollt. Und dass es noch nicht zu spät ist, sie aufzuhalten.