Im Wettbewerb um Fernseh-Zuschauer und Streamingabonnenten geht RTL in die Offensive. Die zum Bertelsmann gehörende TV-Gruppe hat angekündigt, Sky Deutschland zu kaufen. Das Unternehmen, das vor allem durch seine Sport-Übertragungen und durch Serien wie „Babylon Berlin“ oder „Das Boot“ bekannt ist, hat mehr als 5 Millionen Abonnenten. Zusammen mit den 6,3 Millionen Streaming-Abonnenten von RTL+ in Deutschland kommen die Sender auf 11,5 Millionen Abonnenten und rücken damit näher an die amerikanische Streaming-Konkurrenz heran. Mit rund 15 Millionen (Prime Video) und 18 Millionen Abonnenten (Netflix) schienen diese bisher uneinholbar vorne zu liegen.
Vor einigen Monaten hat sich Sky Deutschland wieder ein hunderte millionenschweres Paket von Bundesliga-Rechten gesichert: Zwar verlor Sky die beliebte Samstagskonferenz der ersten Liga an den Konkurrenten DAZN, doch konnte man die Live-Rechte an den Freitagspartien erwerben und zeigt ab der neuen Saison weiterhin das „Top-Spiel“ am Samstagabend – was auch Fußballkneipen eine treue Klientel bescheren dürfte. Auch Einzelspiele der ersten Liga zeigt Sky am Samstag live und ebenso die komplette zweite Bundesliga. Obendrein überträgt Sky hierzulande neben der englischen Premier-League auch die Rennen der Formel 1.
Die hohen Kosten versucht das Unternehmen durch höhere Preise auf die Kunden abzuwälzen. Allerdings ging das Kalkül schon in den vergangenen Jahren nicht gut auf: Die Nachfrage schrumpfte und Sky Deutschland fuhr viele Jahre lang Verluste ein.
Entsprechend niedrig ist der Kaufpreis. Obwohl Sky Deutschland rund 2 Milliarden Euro Umsatz realisiert, bekommt RTL den Sender für 150 Millionen Euro auf bargeld- und schuldenfreier Basis. Das ist ein Spottpreis gemessen an den fast 40 Milliarden Dollar, die der aktuelle Eigentümer Comcast im Jahr 2018 für die Sky-Gruppe bezahlte. Zwar geht es bei dem Kauf von RTL nur um Sky Deutschland (mit Verbreitungsgebiet im ganzen deutschsprachigen Raum). Doch dieser Teil des Geschäfts war damals ein wesentlicher Grund für das Wettbieten zwischen Comcast und Rupert Murdoch für den Sender, der seine Wurzeln im Bezahlsender-Pionier Premiere hat. Die RTL-Aktie notierte am Freitagmorgen fast 13 Prozent im Plus.
Sky soll in diesem Jahr die Gewinnschwelle überschreiten
Neben den 150 Millionen Euro Fixpreis steht für Comcast noch eine variable Komponente im Raum, die von der weiteren Kursentwicklung der RTL Group abhängt. Sollte der Börsenkurs von zuletzt knapp 32 Euro auf über 41 Euro je RTL-Aktie steigen, bekommt Comcast weitere Zahlungen. Diese können maximal auf 377 Millionen Euro steigen, falls die RTL-Aktie 70 Euro oder mehr kostet. „Dann wäre der Börsenwert von RTL aber auch um mehr als 6 Milliarden Euro gestiegen“, ordnet Bertelsmann-Chef Thomas Rabe ein, der den Kaufvertrag mit dem Sky-Eigentümer, dem amerikanischen Comcast am Donnerstagnachmittag unterzeichnet hat. Bertelsmann hält mehr als 76 Prozent der RTL-Anteile.
In diesem Jahr werde Sky die Gewinnschwelle erreichen, erwartet Rabe. Danach, so ist er sich sicher, wird es schnell aufwärts gehen, sobald Sky bei RTL Deutschland angedockt wird, unter der Führung von RTL-Deutschland-Chef Stephan Schmitter. „Wir werden Synergien schaffen. Nach drei Jahren werden es schon 250 Millionen Euro sein“, kündigt Rabe im Gespräch mit der F.A.Z. an. Gemeinsam kommen die Sender auf jährlich rund 2,5 Milliarden Euro Investitionen in Inhalte – „so viel wie sonst niemand in Europa“, wie Rabe bemerkt. Durch die Zusammenarbeit werde man das Angebot umfassender verwenden können, während gleichzeitig die Kosten reduziert werden könnten, so der Plan von Rabe.
Die beiden Sendergruppen ergänzen sich in vielerlei Hinsicht. Während Sky aus dem Bezahlfernsehen kommt und tendenziell ein älteres und männliches Publikum hat, ist die Zuschauerbasis von RTL weiblicher und etwas jünger. Das dürfte auch relevant sein für eine Entscheidung der europäischen Kartellbehörden. „Wir werden das in Kürze anmelden und erwarten eine Freigabe im Lauf des Jahres 2026“, sagt Rabe. Dann erst werde sich der Zusammenschluss für die Verbraucher bemerkbar machen, in Form von unterschiedlichsten neuen Angeboten.
Mit dem Erwerb stärkt RTL gerade auch den Sport-Bereich, ein Segment, auf das das Unternehmen schon in den vergangenen Monaten und Jahren immer stärker gesetzt hatte. So liefen zwölf Spiele der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr auf RTL, auch die Rechte an der Europa und Conference League hält RTL bis 2027, dazu kommt American Football. Entsprechend hatte Schmitter im Juni vergangenen Jahres im Gespräch mit der F.A.Z. Sport als „sehr wichtigen Teil unserer Inhaltestrategie“ beschrieben, gleichzeitig aber auch auf den Reiz von Partnerschaften verwiesen, da Sportrechte immer teurer würden und sie deshalb über möglichst viele Kanäle ausgewertet werden müssten.
Eine solche Partnerschaft war RTL im Dezember 2023 mit Sky eingegangen. In diesem Zuge laufen auf RTL unter anderem frei empfangbar sieben Formel-1-Rennen, während Sky seinerseits ausgewählte Spiele der Europa und Conference-League zeigt.
Von Kirch bis Sky
Mit der Übernahme kommt zur ereignisreichen Sky-Geschichte ein weiteres Kapitel hinzu. Anfang der 1990er Jahre hatte der legendäre Filmrechtehändler Leo Kirch mit der Sky-Vorgängergesellschaft Premiere das Bezahlfernsehen in Deutschland aus der Taufe gehoben. Eine Erfolgsgeschichte war das nicht. Nach dem Zusammenbruch des Kirch-Imperiums wurde Premiere weitergereicht, zwischenzeitlich sicherte sich der australische Medienmogul Rupert Murdoch eine Mehrheit, aus Premiere wurde Sky.
Doch auch unter dem Namen des britischen Mutterkonzerns machte Sky in Deutschland hohe Verluste. Binnen zwei Jahrzehnten wurden Verlustvorträge von weit mehr als 2 Milliarden Euro angehäuft, die Murdoch einen Steuerbonus bescherten, indem er künftige Gewinne der deutschen Tochtergesellschaft mit deren zurückliegenden Verlusten verrechnen konnte. Vor zehn Jahren wurde Sky Deutschland von der Börse genommen.
Danach hat der Mutterkonzern Sky plc in England, der 2018 vom amerikanischen Kabelnetzbetreiber Comcast erworben wurde, immer mehr Kompetenzen an sich gezogen. Seitdem wurde es nach außen immer ruhiger, Meldungen, wie es um das Unternehmen steht, wurden nicht mehr bekanntgegeben. Viel mehr als die ungefähre Zahl der Abonnenten (es sollten „mehr als fünf Millionen Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ sein) waren kaum zu erfahren.