Mindestlohn soll in zwei Stufen auf 14,60 Euro steigen

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Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von derzeit 12,82 Euro soll in zwei Schritten bis zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. Dies sieht ein am Freitag mitgeteilter Beschluss der Mindestlohnkommission vor, der formell vom Bundesarbeitsministerium umgesetzt werden muss. Zunächst soll die Lohnuntergrenze Anfang 2026 auf 13,90 Euro steigen.

Union und SPD halten ihrem Koalitionsvertrag zufolge einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 für „erreichbar“. Die konkrete Höhe der Lohnuntergrenze sollte allerdings weiterhin die unabhängige Mindestlohnkommission festlegen. Aus der SPD kamen aber in den vergangenen Wochen Rufe, die 15 Euro notfalls auch über einen politischen Beschluss durchzusetzen.

Wirtschaftsverbände: Zu hoher Mindestlohn gefährdet das soziale Leben

Vor der Entscheidung über die künftige Lohnuntergrenze hatten Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor den Folgen eines deutlich höheren Mindestlohns gewarnt. Ein Mindestlohn von 15 Euro sei angesichts der wirtschaftlichen Lage „realitätsfremd“, erklärten die drei regionalen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Die Verbände verwiesen auf die hohe Abgabenlast auf Arbeit und warnen vor einer wachsenden Belastung vor allem kleiner Betriebe im ländlichen Raum. „Wenn die mindestlohngetriebenen Preise in personalintensiven Branchen zu hoch sind, konsumieren die Kunden nicht oder weniger oder greifen im schlimmsten Fall auf Schwarzarbeit zurück“, heißt es in dem Papier. Insbesondere in ländlichen Regionen drohe ein Rückgang sozialer Orte. „Lebensqualität lässt sich nicht herbeifördern. Ein zu hoher, von realen regionalen Marktverhältnissen entkoppelter Mindestlohn gefährdet das soziale Leben“, warnen die Unterzeichner.

Der ehemalige „Wirtschaftsweise“ Lars Feld hat den Beschluss der Mindestlohnkommission als „vertretbar“ bezeichnet. Der Ökonom ist einer der wissenschaftlichen Berater der Kommission, aber nicht stimmberechtigt. „Der Anstieg auf 14,60 Euro im Jahr 2027 lässt sich rechtfertigen, wenn eine etwas größere Wachstumsdynamik kommt“, sagte Feld der F.A.Z. Gleichwohl sei dies im Vergleich zu 12,82 Euro eine Steigerung von 13,9 Prozent, also gerade mal einen Prozentpunkt unter der Steigerung von 10,45 Euro auf 12 Euro durch den Gesetzgeber im Oktober 2022. Wie der Bericht der Mindestlohnkommission zeige, habe diese Anhebung etwas stärkere negative Beschäftigungseffekte gehabt als die Einführung des Mindestlohns.

Feld zeigt sich zufrieden, dass die Kommission „einvernehmlich (!) signifikant unter den 15 Euro“ bleibt, die  die SPD vehement gefordert hat für 2026. „Alleine solche Zahlen in Wahlkämpfen und Parteiprogrammen zu fordern, beschädigt die Unabhängigkeit der Kommission“, kritisierte Feld. Die Arbeit der Kommission sei  in diesem Jahr besonders erschwert gewesen. „Umso bemerkenswerter ist die Einvernehmlichkeit. Die Politik sollte sich zukünftig gefälligst aus der Mindestlohndebatte heraushalten, selbst wenn sie Mühe hat, die Unabhängigkeit der Kommission zu ertragen“, verlangt Feld. „Dass dies so eintritt, erwarte ich allerdings nicht.“

Feld weist daraufhin, soll der Mindestlohn der Tariflohnentwicklung im Rahmen einer Gesamtabwägung folgen, in die die wirtschaftliche Lage, mögliche Beschäftigungseffekte und der Mindestschutz von Arbeitnehmern einfließen. Die Entwicklung der Tariflöhne sei seit 2023 relativ stark gewesen. Die Kommission habe den Tariflohnindex von Destatis aktualisiert und bleibe aber  mit der ersten Stufe darunter. „Statt 14,02 Euro (gemäß Tariflohnindex) steigt der Mindestlohn zum 1. Januar nur auf 13,90 Euro. Der Abschlag rechtfertigt sich aufgrund der schlechten Wirtschaftslage, die mit ihren Arbeitsmarkteffekten noch 2026 anhalten wird“, erläutert Feld.  

Die Mindestlohnkommission, der Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und eine unabhängige Vorsitzende angehören, entscheidet alle zwei Jahre über die Höhe des Mindestlohns. Bei der letzten Entscheidung im Jahr 2023 war es zu keiner Einigung gekommen – die Vorsitzende Christiane Schönefeld hatte sich damals der Arbeitgeberseite angeschlossen und mit ihrer Stimme die Mehrheit hergestellt.

Mindestlohn in Deutschland unter Merkel 2015 eingeführt

Der Mindestlohn in Deutschland war im Jahr 2015 unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt worden. Während der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 hatte ausnahmsweise der Gesetzgeber dem Gremium die Entscheidung per Gesetz aus der Hand genommen. Damals hatte der spätere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Mindestlohn mit ins Zentrum seines Wahlkampfs für mehr „Respekt“ gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte in einem Interview klargestellt, dass es „keinen gesetzlichen Automatismus“ geben werde.

DSGVO Platzhalter

Entscheidende Faktoren für die Lohnuntergrenze sind die zurückliegende Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, errechnet durch das Statistische Bundesamt. Zudem dient der mittlere Lohn als Ausgleichsgröße, denn als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent des nationalen Medianlohns, also des statistisch errechneten mittleren Lohns. So soll vermieden werden, dass künftig noch mehr Menschen durch Armut gefährdet sind.

Im vergangenen Jahr waren laut offizieller Statistik 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet – das waren ungefähr 13,1 Millionen Menschen in Deutschland. Als armutsgefährdet gelten laut EU-Definition diejenigen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. 1378 Euro im Monat nach Steuern und Sozialabgaben waren dies 2024 für eine alleinlebende Person in Deutschland.