Ist Trump mal etwas gelungen?

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Kann es sein, dass der Mann, der Wolodymyr Selenskyj vorgeworfen hat, den Krieg mit Russland angefangen zu haben, und zwischenzeitlich dabei war, das atlantische Bündnis zu zertrümmern, im Nahen Osten das Notwendige getan hat?

Es ist zu früh, diese Frage abschließend zu beantworten. Nicht nur, weil es unterschiedliche nachrichtendienstliche Einschätzungen darüber gibt, wie schwer die amerikanischen Bomben die iranischen Atomanlagen beschädigt haben. Es ist auch offen, wie Teheran mittelfristig auf den Angriff reagiert. Selbst wenn das geschwächte Regime sich auf Verhandlungen mit Washington über einen Verzicht auf jegliche Urananreicherung einließe, hieße das wenig. Wieder könnte es den Mullahs, sobald sie wieder fest im Sattel sitzen, nur um Zeitgewinn gehen. Und diesmal könnten sie versuchen, umso schneller an die Atombombe zu kommen.

Die Demokraten gönnen Trump keinen Erfolg

Dennoch: Selbst mancher Gegner Trumps gesteht ein, dass die Welt heute ein sichererer Ort ist als vor einer Woche. Einige sprechen dies nur hinter vorgehaltener Hand aus. Weil der Zweck nicht die Mittel heiligen darf. Wegen der Völkerrechtsproblematik und der Eskalationsgefahr. Oder aus rein parteipolitischen Gründen: Da sind die Demokraten in Washington, die Trump partout keinen Erfolg gönnen. Und da ist mancher zentristischer Regierungschef in Europa, der zu Hause ohnehin schon unter Druck steht, weil er Benjamin Netanjahu im Gazakrieg nicht klarer verurteilt hat.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Die ganze Widersprüchlichkeit brachte Antony Blinken, Außenminister unter Joe Biden, dieser Tage auf den Punkt. In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ schrieb er, der Schlag gegen die Atomanlagen in Fordo, Natans und Isfahan sei „unklug und unnötig“ gewesen. Da es ihn aber nun einmal gegeben habe, hoffe er, dass er erfolgreich gewesen sei. Zu Recht erinnert Blinken, der während der Obama-Biden-Regierung am Zustandekommen des Atomabkommens von 2015 mitgearbeitet hatte, daran, dass Trump das Dokument 2018 zerrissen und durch nichts ersetzt habe. Der Präsident versuche nun, ein Feuer zu löschen, in das er selbst Öl gegossen habe. So richtig das ist, so wahr ist auch: Das Abkommen war nach dem Ausstieg Washingtons nicht tot. Fünf Vertragsparteien standen weiter zu den Vereinbarungen. Es war Iran, das sich entschloss, gegen den Geist des Abkommens zu verstoßen und die Urananreicherung wieder aufzunehmen.

Trump hat nun getan, was er eigentlich nicht tun wollte: Er hat auf die militärische Karte gesetzt. So sehr er hervorhebt, es habe sich nur um einen begrenzten Präzisionsschlag gehandelt – er ist das Risiko eingegangen, in einen längeren Krieg im Nahen Osten verwickelt zu werden. Er hat einen Kriegsakt begangen. Dass ihn dabei das Völkerrecht ebenso wenig interessierte wie die Kritik der Demokraten, er habe gegen die Verfassung verstoßen, da er den Kongress umgangen habe, überrascht nicht. Wohl aber, dass er bereit war, seinen Markenkern zu beschädigen: Er, der Präsident, beende die ewigen Kriege Amerikas. Er fange keine neuen Kriege an, weil seine Politik des „Friedens durch Stärke“ die beste Abschreckung sei. Frieden durch Stärke – das ist dabei gleichsam die Rationalisierung des Irrationalen: Da Freund und Feind Trump buchstäblich alles zutrauen, ziehen sie häufig den Schwanz vor ihm ein.

Trump musste tun, was schon Biden getan hatte

Damit machte Trump die Welt schon in seiner ersten Amtszeit gefügig. So beließ es Teheran nach der Tötung Qassem Soleimanis, des Kommandeurs der Elitetruppe Quds der Revolutionsgarde, durch einen amerikanischen Drohnenangriff im Irak bei einem begrenzten Gegenschlag. Trump hatte Iran vorher schon mit „Vernichtung“ gedroht. Er bezog sich seinerzeit nicht auf das Atomprogramm, sondern auf das Land. Das blieb nicht ohne Wirkung. Und auch Bündnispartnern gegenüber setzte Trump auf Brachialdiplomatie. Er stellte Artikel 5 des NATO-Vertrages infrage, die Beistandsklausel, den Kern des atlantischen Bündnisses, und bekam, woran Präsidenten vor ihm gescheitert waren: Europa investierte endlich mehr in seine Verteidigung. Nicht zuletzt im Zollstreit schreckten westliche Partner, die er ins Visier genommen hatte, vor harten Gegensanktionen zurück. Trump spielt mit der Angst, die die Welt vor ihm hat – vor dem Disruptor, dem nichts heilig ist, der mit allem zu brechen bereit ist.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, hier am 7. April bei einem Besuch in Washington, drängte Trump zum Angriff auf Iran.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, hier am 7. April bei einem Besuch in Washington, drängte Trump zum Angriff auf Iran.dpa

Diesmal lief es anders. Es war Benjamin Netanjahu, der Trump zu dem Militärschlag trieb. Das ist gewiss Wasser auf die Mühlen derer, die schon länger glaubten, Israel wolle den Präsidenten in einen Krieg hineinziehen – und eigentlich immer schon der Auffassung waren, Israel bestimme Washingtons Außenpolitik, zumindest im Nahen Osten. Solche Leute gibt es im extremen linken und im extremen rechten Spektrum Amerikas, das heute Trumps MAGA-Bewegung ist. Es ist richtig, dass Trump zunächst Netanjahu davon abhalten wollte, Iran anzugreifen. Für diesen war die Gelegenheit nach der Schwächung der arabischen Vasallen Irans in der Region aber so günstig, dass er nicht von seinem Ziel abzubringen war. Trump gab nach, hob aber hervor, dass dies Israels Krieg sei, nicht der Amerikas. Diese Linie war nicht lange aufrechtzuerhalten. Schon bald musste der Präsident tun, was schon Joe Biden getan hatte, als die Hamas, die Hizbullah und die Huthis Raketen auf Israel abfeuerten. Er half dem Verbündeten bei der Luftabwehr. Da die israelischen Streitkräfte Iran zwar schwächen, aber nicht das Herzstück seines Atomprogramms treffen konnten, die unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo, schickte Trump letztlich seine B-2-Tarnkappenbomber los, bestückt mit bunkerbrechenden Bomben.

Was dann folgte, war durchaus große Diplomatie, die viele Trump nicht zugetraut hätten. Der Präsident trug dieser Tage beim NATO-Gipfel in Den Haag satirisch vor, was sich an dem Tag abgespielt habe: Iran sei sehr nett gewesen, bevor es 14 Raketen auf die Militärbasis in Qatar geschossen habe. Sie hätten Washington gewarnt: „Wir werden sie abschießen. Ist ein Uhr okay?“ Trump: „Das ist in Ordnung.“ Krieg als Comedy.

Zwingt Trump Netanjahu, den Gazakrieg zu beenden?

Wahr ist: Teheran signalisierte, dass man es bei dem symbolischen Gegenschlag belassen würde. Und Trump, dass er es hinnehmen würde. Seine Streitkräfte fingen die Raketen ab, und er drehte den Spieß um: Er zwang Israel und Iran zu einem Waffenstillstand. Teheran war dabei nicht das Problem. Mit Netanjahu aber musste der Präsident einige schwierige Telefonate führen. So viel dazu, dass Israel Amerikas Außenpolitik steuere.

Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag schloss Trump, hier mit seinem Außenminister Marco Rubio (r.) und seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth (l.), sogar neue Militärhilfen für Kiew nicht aus – Putin nannte er „fehlgeleitet“.
Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag schloss Trump, hier mit seinem Außenminister Marco Rubio (r.) und seinem Verteidigungsminister Pete Hegseth (l.), sogar neue Militärhilfen für Kiew nicht aus – Putin nannte er „fehlgeleitet“.AFP

Der Nahe Osten könnte nun eine neue Ordnung erhalten: Iran, das Terrorregime, ist zumindest einige Zeit außer Gefecht gesetzt und mit sich selbst beschäftigt. Trump sagt, ein Regimewechsel sei Sache der Iraner. Der Weg für eine Normalisierung zwischen Saudi-Arabien, das Ägypten als arabische Regionalmacht längst abgelöst hat, und Israel wäre frei. Jedenfalls wenn Trump Netanjahu ebenfalls zwingt, endlich den Krieg im Gazastreifen zu beenden. Vieles hängt davon ab, wie weit das Atomprogramm wirklich zurückgeworfen wurde. Mit dem geleakten Bericht des amerikanischen Militärgeheimdienstes verhält es sich so: Der Befund, das Bombardement habe die Anreicherungsanlagen nicht zerstören und das Programm womöglich nur um einige Monate zurückwerfen können, war das Ergebnis einer vorläufigen Einschätzung. Die Israelis kamen zu einem anderen Befund: Fordo sei funktionsuntüchtig. Das ist nicht unerheblich – Netanjahu hat gewiss kein Interesse, eine fortbestehende iranische Gefahr herunterzuspielen.

Wie wird ein neuer Naher Osten aussehen? Trump will kein „Nation Builder“ sein. Im Mai sagte er bei seinem Besuch in Saudi-Arabien, Amerika habe damit abgeschlossen, es werde den Nahen Osten nicht mehr belehren, wie man zu leben habe. Afghanistan und Irak, die Amerika demokratisieren wollte, sind für ihn eine Negativfolie. Trump will nur, dass die Waffen schweigen. Er strebt nicht nach Demokratisierung, sondern nach Stabilisierung. Der Präsident (und der Geschäftsmann) sieht den Nahen Osten, vor allem die Golfstaaten, als große wirtschaftliche Gelegenheit. Da stören Kriege.

Besseres Gespräch als im Oval Office: Donald Trump beim NATO-Gipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
Besseres Gespräch als im Oval Office: Donald Trump beim NATO-Gipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjdpa

Operation „Midnight Hammer“ hat Trump längst unter dem Rubrum „Frieden durch Stärke“ subsumiert. So distanziert er sich von den Neokonservativen bei den alten Republikanern und den humanitären Interventionisten bei den Demokraten. Gegen beide war er 2016 angetreten, weil er die Wut insbesondere in der weißen Arbeiterschaft über die Kriege in fernen Ländern spürte. So wurde der isolationistische Impuls, von Beginn an Teil des politischen Denkens der Vereinigten Staaten, zum Teil seiner Bewegung. Die zwischenzeitliche Kritik aus dem MAGA-Lager an ihrem Anführer ist aber weitgehend verstummt.

Morgen kann alles wieder Makulatur sein

Trump ist ein großes Risiko eingegangen – aber nun besteht eine Chance für den Nahen Osten. Das muss man Trump, der eigentlich über keine „Grand Strategy“ verfügt, lassen. Es macht ihn freilich noch nicht zum Führer der freien Welt. Den Westen als Wertebündnis kennt er nicht, was auch daran zu merken war, dass er Europa bei seinem Manöver im Nahen Osten überging. So wie er Israel und Iran genötigt hat, die Kampfhandlungen einzustellen, hatte er sich das ursprünglich auch im Ukrainekrieg vorgestellt. Dazu war er bereit, Präsident Selenskyj im Oval Office zu demütigen und ihm die Abtretung großer Teile der von Russland besetzten Gebiete abzuverlangen.

Inzwischen gesteht er ein, dass die Atommacht Russland eine andere Größe ist. In Den Haag sagte er, der im Wahlkampf versprochen hatte, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden zu beenden, es sei schwieriger, als „die Leute“ dächten. Wladimir Putin sei derjenige, der den Krieg beenden müsse. Und über Selenskyj sagte er nun nach seiner Begegnung mit ihm tatsächlich, er kämpfe einen tapferen Kampf. Trump schloss sogar neue Militärhilfen für Kiew nicht aus – Patriot-Raketen, das bodengestützte Flugabwehrsystem, eingeschlossen. Wla­dimir Putin nannte er „fehlgeleitet“. Es sei möglich, dass er territoriale Ambitionen habe, die über die Ukraine hinausgingen.

Auf dem Flug zum NATO-Gipfel hatte er in der Air Force One schon gesagt, „Wladimir“ habe ihn angerufen und seine Hilfe in Iran angeboten. Er habe erwidert: „Nein, ich brauche deine Hilfe mit Iran nicht. Ich brauche Hilfe mit dir.“ Vizepräsident J. D. Vance sprach jüngst aus, woran es hakt: Putin wolle zu viel. Gemeint war: zu viel Territorium.

Das sind neue Töne. Lernt Trump dazu? Schon morgen kann alles wieder Makulatur sein. Trump ist eine unstete Person mit autoritären Neigungen. Und seine Bewegung lebt nicht von der Stabilisierung der Verhältnisse, sondern vom Chaos. Es ist der Nährstoff des großen Kulturkampfes. Trump hatte eine für seine Verhältnisse gute Woche. Vertrauen lässt sich aber nicht in sieben Tagen wiederherstellen. Für Europa ist es ein Zeitgewinn. In Sicherheit wiegen sollte sich keiner.