Softwareanbieter Palantir: Peter Thiels Rüstungsgigant boomt

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Der 5. November war für Palantir in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiger Tag. Der Aktienkurs des amerikanischen Softwareunternehmens sprang um 23 Prozent, nachdem es am Abend zuvor deutlich bessere Geschäftsergebnisse als erwartet vorgelegt hatte. Vorstandschef Alex Karp sagte unbescheiden zu Analysten: „Wenn ich mir anschaue, wie stark unsere Ergebnisse sind, habe ich fast das Gefühl, wir sollten einfach nach Hause gehen.“ Palantir sei selbst „geschockt“ von seinen Wachstumsraten.

Die begeisterte Börsenreaktion kam am gleichen Tag, an dem Donald Trump zum zweiten Mal zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, und das gab der Aktie noch zusätzlichen Auftrieb. Der Palantir-Kurs ist allein seit Anfang November um mehr als 70 Prozent gestiegen, seit Jahresanfang hat er sich sogar mehr als vervierfacht. Das Unternehmen gilt als einer der wirtschaftlichen Gewinner der Wahlen. Die US-Regierung ist sein wichtigster Kunde, und besonders mit dem Verteidigungsministerium macht es derzeit glänzende Geschäfte. Es profitiert davon, dass Software eine wichtige Rolle im Rüstungsgeschäft spielt, und viele Beobachter meinen, unter Trump kann es auf viele neue Aufträge hoffen.

Palantir wird an der Börse mit mehr als 165 Milliarden Dollar bewertet und damit höher als der Rüstungsgigant Lockheed Martin, der größte Pentagon-Vertragspartner. Von dem Kurssprung profitiert nicht zuletzt Peter Thiel, der deutschstämmige Investor, der zu den Mitgründern von Palantir zählt und noch immer Verwaltungsratschef und einer der größten Aktionäre ist. Er ist heute so reich wie noch nie. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ beziffert sein Vermögen auf 14,5 Milliarden Dollar. Karp kommt auf rund 7 Milliarden Dollar.

Thiel war ein Mentor des künftigen Vizepräsidenten J. D. Vance

In die nächste Trump-Ära startet Palantir mit besten Verbindungen ins Weiße Haus. Thiel war ein Mentor des künftigen Vizepräsidenten J. D. Vance und hat ihn einst in einer seiner Wagniskapitalgesellschaften beschäftigt. Er hat Vance dann eine zweistellige Millionensumme für seinen erfolgreichen Wahlkampf um einen Sitz im amerikanischen Senat gegeben. Thiel hat auch schon Trumps erste Kampagne für das Präsidentenamt 2016 finanziell unterstützt, damals noch als einer von sehr wenigen Vertretern aus der Technologiebranche.

Im diesjährigen Wahlkampf hat Thiel zwar keine allzu große Rolle gespielt, aber weiterhin Verbindungen zu Trumps Umfeld kultiviert. Er ist auch ein langjähriger Weggefährte von Elon Musk, dem derzeit reichsten Menschen der Welt, der in jüngster Zeit zu einem von Trumps engsten Vertrauten geworden ist und im Auftrag der kommenden Regierung eine neue Arbeitsgruppe rund um Bürokratieabbau führen soll. Thiel und Musk zählten einst zu den Mitgründern des Bezahldienstes Paypal. Musk hat kürzlich gesagt, das Pentagon solle sich stärker für „unternehmerische“ Vertragspartner öffnen, wozu er vermutlich Palantir zählen würde.

Palantirs Technologievorstand Shyam Sankar soll nach einem Bericht der Publikation „Politco“ für die Position als Forschungs- und Entwicklungschef im Verteidigungsministerium im Gespräch sein. Erst vor wenigen Monaten hat Palantir außerdem Mike Gallagher, einen Washingtoner Insider, der bis vor Kurzem für die Republikaner im Abgeordnetenhaus saß, als Chef seiner Rüstungssparte rekrutiert.

Software für die Analyse großer Datenmengen

Palantir ist seit rund vier Jahren an der Börse, wurde aber schon 2003 gegründet. Das Unternehmen ist auf Software zur Analyse großer Datenmengen spezialisiert. Ursprünglich stand dabei die Unterstützung der US-Regierung im Kampf gegen Terrorismus im Vordergrund, um Anschläge wie am 11. September 2001 zu verhindern. Einer der ersten Investoren war der Geheimdienst CIA mit seiner Wagniskapitalgesellschaft In-Q-Tel. Die Software von Palantir soll helfen, aus Datensätzen Zusammenhänge herauszulesen und damit bessere Entscheidungen zu ermöglichen. Das Unternehmen vergleicht seine Arbeit mit der Suche nach Nadeln in „Tausenden von Heuhaufen“.

Angeblich war die Software im Einsatz, um Al-Qaida-Gründer Osama Bin Laden aufzuspüren, was aber nie offiziell bestätigt wurde. Palantir schreibt sich auf die Fahnen, mit seinen Produkten nur die USA und ihre Verbündeten zu unterstützen und Geschäfte mit Ländern wie Russland und China abzulehnen. In diesem Jahr schloss das Unternehmen eine „strategische Partnerschaft“ mit dem israelischen Verteidigungsministerium, es schaltete auch eine ganzseitige Anzeige in der „New York Times“ mit dem Satz „Palantir steht auf Israels Seite.“. Außerdem ist es in der Ukraine aktiv. Wenige Monate nach Russlands Einmarsch in der Ukraine 2022 besuchte Alex Karp den dortigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Hinterher sagte Selenskyj, Karp sei der erste Vorstandschef eines größeren westlichen Unternehmens gewesen, der seit Kriegsbeginn nach Kiew gekommen sei.

Nach außen hin gibt sich Palantir prinzipienfest. Im Börsenprospekt 2020 hieß es: „Wir haben uns für eine Seite entschieden“ – womit mutmaßlich die richtige Seite gemeint war. Das Unternehmen stößt aber auf viel Argwohn. Das hat damit zu tun, dass es lange geheimnisumwittert war, was zum Teil mit der hochsensiblen Natur seines Geschäfts zu erklären ist. Während Trumps erster Amtszeit wurde es auch für seine Arbeit mit der Einwanderungsbehörde kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, sich zum Werkzeug für die Abschiebung von Einwanderern zu machen, zum Teil auch von seinen eigenen Mitarbeitern.

Unternehmen ist politisch nicht eindeutig zu verorten

Auch Thiels Nähe zu Trump trug zum Misstrauen gegenüber Palantir bei. Dabei ist das Unternehmen politisch nicht eindeutig zu verorten. Karp hat oft an Politiker der Demokratischen Partei gespendet und in diesem Jahr gesagt, er unterstütze Trumps Rivalin Kamala Harris. Gegenüber der „New York Times“ gab er zu, es habe ihm die Arbeit erschwert, als Thiel sich öffentlich auf Trumps Seite schlug. „Es macht mir keine Freude, wenn es jeden Tag Proteste gegen uns gibt.“

Schon vor einiger Zeit hat Palantir damit begonnen, sein Geschäft auf eine breitere Basis zu stellen und sich neben Regierungen auch um Kunden aus der Privatwirtschaft zu bemühen. In Europa nutzen etwa der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck, der Flugzeughersteller Airbus und der Versicherer Swiss Re die Software des Unternehmens. Auch für das Formel-1-Team von Ferrari hat Palantir gearbeitet. Regierungen bleiben aber die wichtigsten Kunden, der Anteil des Geschäfts mit Privatunternehmen liegt bei rund 45 Prozent und hat sich in den vergangenen Jahren auch nicht deutlich verändert.

Palantir-CEO Alex Karp spricht im Dezember 2024 auf einem Podium beim Reagan National Defense Forum in Simi Valley.
Palantir-CEO Alex Karp spricht im Dezember 2024 auf einem Podium beim Reagan National Defense Forum in Simi Valley.Reuters

Palantir verkauft mehrere Softwareprodukte, die jeweils auf verschiedene Bedürfnisse abzielen. Die Plattform „Gotham“ ist für Regierungsbehörden konzipiert, „Foundry“ für Privatkunden. Im vergangenen Jahr startete das Unternehmen seine bis dahin größte Offensive auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und brachte die KI-Plattform AIP ­heraus. Dieses Geschäft wird nun rasant ausgebaut. Vor wenigen Monaten schloss ­Palantir eine Allianz mit dem Softwarekonzern Microsoft, um KI-Angebote für die amerikanische Regierung zu entwickeln. Dabei sollen KI-Systeme von Open AI zum Einsatz kommen, dem Entwickler von ChatGPT, an dem Microsoft eine größere Beteiligung hält.

Umsatzwachstum beschleunigt sich rapide

Bei der Vorlage der jüngsten Geschäftsergebnisse sagte Karp, die KI-Plattform habe Palantirs Geschäft „transformiert“. Das Unternehmen hat in jüngster Zeit von Quartal zu Quartal sein Umsatzwachstum beschleunigt, zuletzt gab es ein Plus von 30 Prozent. Karp sagte: „Die Welt befindet sich in einer von den USA angetriebenen KI-Revolution, die Industrien und Volkswirtschaften neu gestaltet, und wir sind mittendrin.“ Nach einer langen verlustreichen Zeit ist Palantir nun auch profitabel. 2023 gab es den ersten Jahresgewinn.

Während das Geschäft in den USA sowohl auf der Regierungs- als auch auf der Unternehmensseite wächst, tut sich Palantir in Europa schwer. Der Markt steht für 15 Prozent des Umsatzes, und Karp weist schon seit einigen Quartalen darauf hin, dass er hier mit der Entwicklung nicht zufrieden ist. Manchmal verbindet er das mit warnenden Worten. Im November sagte er, europäische Unternehmen und Behörden stünden „an der Seitenlinie“ und würden „zurückgelassen“, während Amerika nach vorne presche. „Europa muss sich an die Chancen und Herausforderungen von KI anpassen, ansonsten riskiert es den Ruin.“ In Deutschland wird Software von ­Palantir von Polizeibehörden in einigen Bundesländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen genutzt. Das Innenministerium sprach sich im vergangenen Jahr aber gegen einen bundesweiten Einsatz aus.

Palantir schaffte es im September in den Börsenindex S&P 500, vor wenigen Tagen teilte die Technologiebörse Nasdaq mit, das Unternehmen in ihren Index Nasdaq-100 aufzunehmen. Sowohl Thiel als auch Karp haben in diesem Jahr Palantir-Aktien im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar verkauft. Das geschah im Rahmen bestehender Vereinbarungen zum Handel mit eigenen Aktien, wie sie in Amerika oft von Unternehmensinsidern geschlossen werden, und womöglich wurden viele der Transaktionen automatisch ausgelöst, weil der Aktienkurs von Palantir bestimmte Schwellen überschritten hat. Manche Analysten halten das Unternehmen mittlerweile für deutlich überbewertet. Es gab in jüngster Zeit einige Herabstufungen, und im Moment empfiehlt nur eine Minderheit von Analysten, die Palantir-Aktie zu kaufen, die Mehrheit rät zum Halten oder Verkaufen. Alex Karp versucht dagegen, das Potential als grenzenlos darzustellen. Im November sagte er: „Dies ist das Jahrhundert von Software, und wir haben vor, den gesamten Markt zu erobern.“