Spahns Maskenbeschaffung ist nicht der wahre Corona-Skandal

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Die Empörung über Jens Spahn und dessen sogenannte Maskenaffäre sollte man nicht zu ernst nehmen. Sie wird von denen geschürt, die im früheren Gesundheitsminister und heutigen Chef der Unionsfraktion den Hauptgegner der Zukunft sehen. Spahn, ein Vierteljahrhundert jünger als der Bundeskanzler, zählt zu den fähigsten Leuten in der Union. Er vertritt außerdem Positionen, die heutzutage als konservativ bezeichnet werden, wenn nicht als rechts. Manch Grüner und Sozialdemokrat fürchtet, Spahn könne die Union in der Zeit nach Friedrich Merz über die Brandmauer führen und eine Regierungsmehrheit ohne Beteiligung linker Parteien ins Werk setzen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


In der Sache zielen die Angriffe auf Spahn ins Leere. Der „Sudhof-Bericht“, der noch von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach in Auftrag gegeben worden war, brachte nicht viel mehr zutage als die Parteilichkeit seiner Verfasserin. Frau Sudhof hielt es nicht einmal für nötig, den Betroffenen zu befragen. Entlastende Informationen wie die damalige Preisempfehlung der Generalzolldirektion ignorierte sie geflissentlich.

Entlastende Informationen wurden ignoriert

Belastbare Hinweise auf vorsätzliches Fehlverhalten oder persönliche Bereicherung sucht man vergebens. Dass in einer Zeit panischer Unübersichtlichkeit Fehler unterlaufen können, hat Spahn nie bestritten. Womöglich sind dem Land so finanzielle Schäden entstanden, aber solche haben andere Minister auch schon in weniger akuten Notlagen verursacht; ein Blick in den letzten Bericht des Bundesrechnungshofs genügt.

Aus all diesen Gründen dürfte Spahns Maskenbeschaffung in der nun endlich auf den Weg gebrachten Corona-Aufarbeitung nur eine Nebenrolle zukommen. Wenn die Mitglieder der neuen Enquetekommission ihre Arbeit ernst nehmen, werden sie den wahren Skandal der Pandemie in den Mittelpunkt stellen. Vertrauensverlust und Verbitterung in der Gesellschaft wurden ja nicht von der Kopflosigkeit einzelner Politiker zu Beginn der Seuche ausgelöst, sondern hatten mit dem zu tun, was der CDU-Politiker Armin Laschet einmal die „Rigorosität gegen die Andersdenkenden“ nannte.

Herauszufinden gilt es, warum sich in Deutschland mit der Zeit ein hermetischer Konsens darüber bilden konnte, dass nur schärfste Maßnahmen Verantwortungsbewusstsein widerspiegeln, dass Wissenschaftler mit Zweifeln an Freiheitsbeschränkungen als Pseudoexperten zu diskreditieren sind und dass Impfgegner ins soziale Abseits gehören. Dieses Gruppendenken, das gerade auch seine Irrtümer gegen Argumente von außen schützte, wurde übrigens von jenen angeführt, die Spahn gerade besonders heftig kritisieren.