Wie das Weiße Haus Trumps aggressive Rhetorik spiegelt

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Donald Trump ist gern der starke Mann, und so gefiel ihm offenbar der Lapsus des NATO-Generalsekretärs Mark Rutte, der den amerikanischen Präsidenten beim NATO-Gipfel jüngst „Daddy“ nannte. „Daddy“ müsse hin und wieder ein Machtwort sprechen, scherzte Rutte, nachdem Trump Iran und Israel mit Schulkindern verglichen hatte, die man sich erst einmal prügeln lassen müsse. Wenig später erschien ein Video auf den offiziellen Kanälen des Weißen Hauses. Der Titel: „Daddy’s Home“, Daddy ist zurück. „Donald J. Trumps Teilnahme am NATO-Gipfel 2025.“

Die Aufnahmen zeigen Trumps Ankunft in Den Haag, seinen Gang über den roten Teppich, Händeschütteln und lachende Minister. Dazu läuft der Song „Hey Daddy“ des amerikanischen R&B-Musikers Usher mit Zeilen wie „Ich will einfach nur deine Aufmerksamkeit, ich will dir nicht mehr aus dem Kopf gehen“ und „Du weißt, Daddy ist zurück, und jetzt fängt der Spaß erst an“. Am Ende steht das offizielle Logo des Weißen Hauses.

Ein Gedicht zum Valentinstag mit Abschiebedrohung

Videos wie dieses, das einige als Scherz und andere als Entgleisung betrachten, sind kein Einzellfall mehr in der öffentlichen Kommunikation des Weißen Hauses. In vielen Fällen trifft es dabei jedoch Personen, die sich wesentlich schlechter wehren können als Generalsekretär Rutte, der bestreitet, er habe Trump in diesem Zusammenhang mit „Daddy“ gemeint. Und häufig geht es um Themen, die keine Scherze oder Überspitzungen erlauben.

Eines der krassesten Beispiele war ein Social-Media-Beitrag des Weißen Hauses zum Valentinstag. Ein rosafarben hinterlegtes Bild, im Hintergrund ein paar Herzchen, unten das Logo des Weißen Hauses. Außerdem zwei Köpfe, ein grimmig dreinblickender Trump und sein Grenzschutzbeauftragter Tom Homan. Darüber stand: „Rosen sind rot, Veilchen sind blau, komm illegal hierher, und wir schieben dich ab.“ Im Englischen ein Reim. Die Bildunterschrift: „Happy Valentines’s Day“, mit Herz-Emoji. Auf In­stagram häuften sich die Kommentare: „Es ist verrückt, dass das ein Beitrag des Weißen Hauses ist“, „Was zur Hölle ist das? Das ist krank und peinlich“, „Das hier ist die Regierung, oder? Nicht der Tiktok-Account eines Teenagers?“. Doch 233.000 Personen gefiel der Beitrag – weitaus mehr als bei einem durchschnittlichen Post.

Der ungewöhnliche Valentinsgruß war Teil einer Strategie des Weißen Hauses: Kampf statt Konsens. Lange galt es als ungeschriebene Regel, dass die im Wahlkampf übliche aggressivere Ansprache im Präsidentenamt einem versöhnlicheren Ton weicht, der allen Amerikanern gilt. Doch Karoline Leavitt, die Trumps Schlachten als Sprecherin des Weißen Hauses in erster Reihe schlägt, hat selbst gesagt, das Kommunikationsteam habe den „Kampfrhythmus“ aus dem Wahlkampf übernommen. Die Taktik: keine Nuancen, keine Debatte, stattdessen die gnadenlose Wiederholung von Themen und persönliche Konfrontation.

Der „König“ hetzt gegen politische Gegner und Richter

Dafür finden sich in den ersten Monaten nach Trumps Amtsantritt zahllose Beispiele. Auf den Valentinsbeitrag folgte ein Video im sogenannten ASMR-Stil, einem jüngsten Internettrend. Dabei wird ein Video nicht mit Musik unterlegt, sondern behält die Originaltöne. Im Falle des Weißen Hauses hieß es: „ASMR: Abschiebungsflug für illegale Migranten“. Man hört die Fußfesseln und Handschellen rasseln, die den Männern auf einem Rollfeld angelegt werden, das Klackern von Metall auf Metall, als sie die Treppe ins Flugzeug hochsteigen, das Brummen eines Flugzeugmotors.

Mitte Februar postete das Weiße Haus außerdem ein KI-Bild Trumps mit einer Krone auf dem Kopf, um die Aufhebung der Innenstadtmaut in New York City zu feiern. Dazu schrieb es: „Lang lebe der König!“ Eine Woche später verbreitete der Präsident auf seinen Social-Media-Kanälen ein Video der Vision von „Trump-Gaza“ – mit Yachten, Kindern, die am Strand in einem Geldregen tanzen, und goldenen Trump-Statuen. Im April dann säumte das Weiße Haus den Nordrasen mit Dutzenden Fotos angeblich straffällig gewordener Migranten ohne Aufenthaltsstatus. Dort sollten sie von den üblichen Kameraplätzen der Fernsehjournalisten aus im Bild zu sehen sein.

Nach Papst Franziskus’ Tod teilte die Regierung ein KI-Bild Trumps als Papst, das zuerst auf dessen persönlichem Kanal auf Truth Social veröffentlicht worden war und von dem Trump später behauptete, er wisse nicht, wer es geteilt habe. Zum Memorial Day Ende Mai, an dem die Amerikaner ihrer im Kampf Gefallenen gedenken, wünschte der Präsident den Amerikanern einen schönen Feiertag. Dann fuhr er fort, das gelte auch für den „Abschaum, der die vergangenen vier Jahre damit verbracht hat, unser Land durch verdrehte linksradikale Ideen zu zerstören“. In Großbuchstaben hinterließ er eine Tirade über „die USA hassende Richter“, seinen „inkompetenten“ Vorgänger Joe Biden und „kriminelle und geisteskranke Migranten“. In Trumps Haussender Fox News hieß es später, es sei einer der „typischen scharfzüngigen Feiertagsgrüße“ des Präsidenten gewesen.

Nach dem Tod von Franziskus: Trump teilt ein KI-generiertes Bild, das ihn als Papst zeigt.
Nach dem Tod von Franziskus: Trump teilt ein KI-generiertes Bild, das ihn als Papst zeigt.Reuters

Derlei Angriffe beschränken sich nicht auf die sozialen Medien. Auch die offiziellen Mitteilungen des Weißen Hauses enthalten häufig scharfe Rhetorik, die entschieden vom üblichen Kommunikationsverhalten amerikanischer Präsidenten abweicht. Nach dem Treffen mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa etwa wurde auf der Website ein Beitrag mit dem Titel veröffentlicht: „Präsident Trump hatte recht damit, was in Südafrika passiert.“ Gemeint war der unbelegte Vorwurf einer systematischen Verfolgung weißer Farmer in dem Land. Andere Mitteilungen lauteten: „Ein weiterer Aktivisten-Richter beschützt illegale kriminelle Migranten-Monster“, „Präsident Trump beendet endlich den Wahnsinn von NPR und PBS“ (öffentlichen Rundfunksendern) oder „Diese kranken Kriminellen werden von den Demokraten und den Mainstream-Medien verteidigt“.

Die traditionelle Pressearbeit des Weißen Hauses ist in der zweiten Trump-Regierung zu einem eigenen „Kanal“ geworden, wie Trumps früherer Chefstratege Steve Bannon es ausdrückte. Im Vergleich zu 2016 ist es aggressiver und kontrollierter. Was damals von Trump selbst kam, wird nun systematisch über die Kanäle des Weißen Hauses verbreitet. Die Botschaften kommen schnell, scheinbar ungefiltert und über alle Ausspielwege. Steven Cheung, der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, bezeichnete seinen Job einmal als einfach: Sie folgten einfach „dem Boss“. Man kenne Trumps Art, müsse sie also nur kopieren. Cheung hat „vollständige Dominanz“ als Mantra ausgegeben: In schwierigen Zeiten dürfe man sich nicht zurückziehen, sondern müsse nachlegen. Je polarisierender, je krasser, desto besser. Das ultimative Ziel ist Aufmerksamkeit. Und die ist bei Beleidigungen erwiesenermaßen größer als bei konstruktiver Kritik.

Der 42 Jahre alte Cheung ist ein Eigengewächs Trumps. 2016 wechselte er aus der Kommunikationsabteilung eines Martial-Arts-Veranstalters in Trumps Wahlkampfteam. Seither hat er dessen Sprache auch auf den eigenen Kanälen verinnerlicht. Auf der Plattform X beleidigt Cheung regelmäßig Journalisten und politische Gegner Trumps. In der vergangenen Woche schrieb er an den Sender CNN gerichtet „Fahr zur Hölle“ und behauptete, CNN verbreite in Bezug auf den Angriff in Iran falsche Informationen, um ein bestimmtes Narrativ zu bedienen. Im Mai äußerte er, der frühere FBI-Direktor James Comey sei einer der „größten Schwachköpfe“ („dumbest motherfuckers“), die es je gegeben habe.

Er folgt einfach „dem Boss“: Steven Cheung im Februar gemeinsam mit Donald Trump an Board der Air Force One
Er folgt einfach „dem Boss“: Steven Cheung im Februar gemeinsam mit Donald Trump an Board der Air Force OneAFP

In einem anderen Beitrag hieß es, das Nachrichtenmagazin „Politico“ verbreite „den absurdesten, aber doch typischen Scheiß“. Zu einer Liste möglicher Demokraten für eine nächste Regierung schrieb Cheung, sie alle seien „jammernde Verlierer, die nicht mal einen Limonadenstand betreiben könnten“. Im persönlichen Umgang mit Journalisten gilt Cheung dennoch als umgänglich. Der amerikanische Journalist und Autor Michael Wolff sagte jüngst in einem Podcast über den Kommunikationsdirektor, was immer dieser tue, richte sich an einen einzigen Zuhörer. „Er gibt beleidigende Kommentare ab, die Trump gefallen. Von denen dieser sagen wird: Die sind gut.“ Trump wiederum soll Cheung seinen „Sumoringer“ nennen – mit ihm an seiner Seite könne ihm nichts zustoßen.

Trumps Verbündete arbeiten seit Jahren daran, traditionelle Medien zu untergraben. In seiner zweiten Präsidentschaft tritt dieses Bemühen offen zutage und vermischt sich mit dem Aufstieg handverlesener Influencer und kleinerer, rechter Medien und Podcasts, die nun auch feste Plätze im Presseraum des Weißen Hauses haben. Kaelan Dorr, stellvertretender Kommunikationsdirektor und zuständig für die digitale Entwicklung, sagte der „Washington Post“ jüngst, man wolle nicht nur ein eigenes Narrativ verbreiten – man wolle die Kritiker übertönen. Laut der Zeitung besteht das Digitalteam aus rund einem Dutzend junger Leute zwischen zwanzig und dreißig, die in ihrer Arbeit viele Freiheiten genießen. Sie bespielen Kanäle wie den „Rapid Response“-Account des Weißen Hauses auf X, der bisweilen im Minutentakt postet. „Zur Unterstützung der America-First-Agenda des Präsidenten und um die Fake News zur Rechenschaft zu ziehen“, wie es dort heißt.

Pressesprecherin zieht über Journalisten her

Die Regierung Trumps sagt über sich selbst, sie sei die transparenteste in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Und es stimmt, dass Trump ungleich häufiger vor Journalisten spricht als sein Vorgänger Joe Biden – beinahe täglich, an Bord des Präsidentenflugzeugs, während Terminen im Weißen Haus und in Interviews zum Beispiel. Doch das Weiße Haus gängelt traditionelle Medien zunehmend. Nachdem die Nachrichtenagentur AP sich geweigert hatte, den Golf von Mexiko nach Trumps Umbenennung künftig Golf von Amerika zu nennen, wurde sie für zwei Monate aus dem Weißen Haus verbannt. Ein Richter stellte den Zugang im April wieder her: Es sei nicht am Präsidenten, Medien wegen ihrer Ausrichtung auszuschließen.

Doch unliebsame Journalisten werden durch Sprecherin Karoline Leavitt in den Pressekonferenz häufig nicht mehr drangenommen, unterbrochen oder angegangen. Am vergangenen Donnerstag verbrachte Leavitt fast zwei Minuten der öffentlichen Pressekonferenz damit, über die CNN-Journalistin Natasha Bertrand herzuziehen. Bertrand solle „sich schämen“, sagte Leavitt. Sie sei von Leuten in der Regierung, die Trump nicht leiden könnten, benutzt worden, „um falsche und erfundene Geschichten zu verbreiten“. Dabei ging es um Berichte über erste Geheimdiensteinschätzungen, dass der Angriff auf Iran das Atomprogramm möglicherweise nur einige Monate zurückgeworfen, nicht „vollständig zerstört“ habe, wie Trump das behauptet hatte.

Nimmt unliebsame Journalisten seltener dran: Trumps Pressesprecherin Karoline Leavitt
Nimmt unliebsame Journalisten seltener dran: Trumps Pressesprecherin Karoline LeavittReuters

Immer häufiger bekommen in der Pressekonferenz dafür Personen Redezeit, die mit einem Loblied auf die Regierung beginnen. Die Influencerin Arynne Wexler kommentierte in einer Pressekonferenz etwa, sie könne zu den Abschiebungen in Florida sagen, „dass meine Uber-Fahrer endlich wieder Englisch sprechen, also danke dafür“.

Im Namen der „Umverteilung“ des Einflusses, weg von traditionellen Medien und hin zu rechten Journalisten, Influencern und Podcastern, entzog die Regierung der White House Correspondent’s Assocation die Entscheidungsgewalt über die Besetzung des wechselnden Pressepools, der den Präsidenten begleitet. Das hatte unter anderem zur Folge, dass im Mai zum ersten Mal, seit der Pressepool den Präsidenten auf Auslandsreisen begleitet, kein Journalist einer Nachrichtenagentur an Bord war, als Trump in den Nahen Osten flog. Agenturjournalisten sind traditionell diejenigen, die Informationen am schnellsten und für alle Medien zugänglich verbreiten.

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Regierung die eigenen Vorhaben positiv darstellt. Doch unter Trump hat das Weiße Haus, das sich selbst dem „Kampf gegen die Fake News“ verschrieben hat, mehrfach nachweislich Falschinformationen verbreitet. Ein Beispiel war ein Regierungsbericht des Gesundheitsministeriums, in dem es um die Gesundheit amerikanischer Kinder ging und in dem Studien als Quellen zitiert wurden, die so nicht existierten, verfälscht waren oder falschen Autoren zugeordnet wurden.

Gegner und Migranten werden zunehmend entmenschlicht

White-House-Sprecherin Leavitt sagte dazu, es habe kleinere „Formatierungsfehler“ gegeben, die behoben würden. Doch in einer zweiten Variante wurden die von amerikanischen Medien bemängelten Fehler stillschweigend entfernt. Zuvor war bekannt geworden, dass die während des Treffens mit dem südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa gezeigten Aufnahmen angeblicher Massentötungen weißer Farmer in dessen Land eigentlich aus Kongo stammten.

Das Kommunikationsverhalten der zweiten Trump-Regierung ist der Höhepunkt der Polarisierung und der verschärften Tonlage in den vergangenen Jahren. Das „Valentinstagsgedicht“ dürfte etwa darauf zurückgehen, dass die Regierung Joe Bidens am 14. Februar 2024 einen ähnlichen Reim geteilt hatte. Neben einem Bild des Sprechers des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hieß es: „Rosen sind rot, Veilchen sind blau, der Grenzdeal ist gescheitert, und schuld bist du.“ Das ließe sich als Spott und Kritik am ebenbürtigen politischen Gegner verstehen.

Neu ist unter der zweiten Trump-Regierung jedoch die Häme und die zunehmende Entmenschlichung politischer Gegner und Migranten. Es vergeht keine Woche, in der der amerikanische Präsident in diesem Zusammenhang nicht von „Ungeziefer“, „Abschaum“, „Verrätern“, „Betrügern“, „Geisteskranken“ und „irren Linksradikalen“ spricht. Als Ausrutscher kann das schon lange nicht mehr gelten. Die Kommunikationsmaschine der Regierung ist zu einer Dauerperformance für die eigenen Anhänger geworden, die offiziellen Kanäle zum Instrument der Polarisierung. Wie zum Beispiel die offizielle Reaktion des Weißen Hauses auf die Abschiebung der Familie des ägyptischen Mannes, der in Boulder Anfang Mai eine jüdische Kundgebung angegriffen hatte. „Sechs One-Way-Tickets für Mohameds Frau und fünf Kinder. Letzter Aufruf zum Einsteigen – bald geht’s los.“ Mit Flugzeug-Emoji.