Vagusnerv kann das Herz schützen

9

Herzinfarktrisiko senken

Wie der Vagusnerv das Herz schützen kann


02.07.2025 – 08:32 UhrLesedauer: 3 Min.

Herzinfarkt: Die Herz-Hirn-Achse spielt eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung.Vergrößern des Bildes

Herzinfarkt: Die Herz-Hirn-Achse spielt eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung. (Quelle: Eleganza/getty-images-bilder)

News folgen

Stress, Angst und Depressionen setzen nicht nur der Psyche zu, sondern auch dem Herzen. Eine Expertin erklärt, wie Sie mit einem besonderen Nerv Ihr Herz gezielt schützen können.

Das Herz schlägt schneller, wenn wir Angst haben oder nervös sind – und beruhigt sich, wenn wir entspannen. Aktuelle Studien enthüllen immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie Hirn und Herz kommunizieren – und eröffnen so Möglichkeiten, den schädlichen Auswirkungen etwa von Stress, Depressionen oder Angst auf die Herzgesundheit vorzubeugen.

Zuletzt rückte ein bestimmter Nerv besonders in den Fokus: der Vagusnerv. Er gilt als “Entspannungsnerv” und könnte helfen, das Herz gegen psychische Stressfaktoren widerstandsfähiger zu machen.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung “HERZ heute” berichtet Cora Stefanie Weber, Chefärztin der Fachabteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Charité Berlin, dass der Vagusnerv eine entscheidende Rolle spielen könnte. Er transportiert Signale vom Gehirn zum Herzen und gehört zum sogenannten parasympathischen Nervensystem, das für Ruhe und Erholung sorgt. Der Gegenspieler ist das sympathische Nervensystem, das uns in Stresssituationen antreibt, den Puls beschleunigt und den Blutdruck steigen lässt.

“Zahlreiche wissenschaftliche Studien machen deutlich, wie eng der Zusammenhang von Stress, aber auch Depressionen und Angsterkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Gesunde wie herzkranke Menschen sollten diesen Zusammenhang kennen, um gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen”, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung sowie Kardiologe und Ärztlicher Direktor am Agaplesion Bethanien Krankenhaus, Frankfurt am Main.

Normalerweise sollten sich sympathisches und parasympathisches Nervensystem im Gleichgewicht befinden. Ein bisschen Stress ist gut, um anspruchsvolle Aufgaben im Arbeitsalltag oder etwa im Sport zu meistern. Doch viele Menschen leiden heute unter chronischem Stress – ihr sympathisches Nervensystem ist ständig überaktiv – und das macht krank. Bei diesen Personen gilt es laut Deutscher Herzstiftung, den Vagus als “Entspannungsnerv” gezielt zu stärken.

Ob der Körper gesund auf Stress reagieren kann, lässt sich an der sogenannten Herzratenvariabilität (HRV) ablesen, erklärt Weber. Dieses Maß beschreibt die unterschiedlichen zeitlichen Abstände zwischen den Herzschlägen. Junge, herzgesunde Menschen und Sportler haben meist eine hohe HRV, weil ihr Körper schnell zwischen Anspannung und Entspannung wechseln kann.

Ausdauersport: Er trainiert den Vagusnerv und fördert eine schnelle Rückkehr zur Entspannung.Vergrößern des Bildes
Ausdauersport: Er trainiert den Vagusnerv und fördert eine schnelle Rückkehr zur Entspannung. (Quelle: ArtistGNDphotography/getty-images-bilder)

Doch diese Regulation funktioniert nicht bei jedem Menschen gleich gut. Mit zunehmendem Alter etwa sinkt die HRV: Die Blutgefäße sind durch Ablagerungen verhärtet und weniger elastisch, was einen schnellen Wechsel von Anspannung und Entspannung behindert. Auch Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder eine Herzmuskelschwäche können die HRV verringern – und damit das Risiko für Herzkrankheiten steigern.

Studien belegen etwa, dass herzkranke Menschen oft von psychotherapeutischen Maßnahmen profitieren: Depressivität, Angstsymptome, Stress und die Sterblichkeit an Herzkrankheiten nehmen ab. Diese Maßnahmen können somit helfen, einem ersten Infarkt vorzubeugen oder einen Re-Infarkt zu verhindern. Insgesamt, so auch das Fazit des Kardiologen Voigtländer, machen die Studiendaten deutlich, wie wichtig es sei, etwa in der kardiologischen Reha nach einem Herzinfarkt, auch die Wechselwirkung von Psyche und Herz zu berücksichtigen.

Eine weitere Risikogruppe sind Menschen mit Angst- oder Panikstörungen. Bei ihnen gelingt es dem Gehirn laut Weber oft nicht mehr, Angstreaktionen ausreichend zu kontrollieren. Der Vagusnerv wird gehemmt, Stress und Blutdruck bleiben dauerhaft hoch und schädigen so das Herz. Menschen mit hoher HRV haben dagegen meist eine bessere Emotionskontrolle und ein stabileres Wohlbefinden, erklärt die Expertin.

Das Uniklinikum Tübingen erforscht die Vagusnervstimulation in Studien und nutzt dafür eine elektronische Stimulation über das Ohr. Die bisherigen Daten lassen vermuten, dass diese professionelle Vagusnervstimulation Personen helfen kann, die unter Antriebslosigkeit, Trägheit oder Fatigue, Depressionen, Epilepsie oder auch Störungen im Stoffwechsel oder der Verdauung leiden.

Die Expertin weist darauf hin, dass es dem Herzen daher helfen kann, sich über seine eigenen Gefühle bewusst zu werden. Sich die Frage zu stellen “Bin ich eigentlich gerade gestresst?” und entsprechend entgegenzuwirken, könnte daher einen echten Schutzfaktor darstellen.