Britische Finanzministerin wackelt: Pfund und Anleihekurse sinken

9

Der britische Devisen- und Bondmarkt hat mit scharfen Abschlägen reagiert, da das politische Überleben der Schatzkanzlerin Rachel Reeves nach einem tränenreichen Auftritt am Mittwoch zweifelhaft scheint. Der Wechselkurs des Pfunds fiel am Nachmittag um 1,1 Prozent gegenüber dem Dollar und 0,8 Prozent gegenüber dem Euro. Die Kurse britischer Staatsanleihen gaben deutlich nach, sodass die Rendite für zehnjährige Papiere um 0,18 Prozentpunkte stieg. Darin spiegelt sich wachsendes Misstrauen der Anleger in die Solidität der britischen Staatsfinanzen. Der Ausverkauf erinnerte an heftige Preisbewegungen während der chaotischen Steuerreform der Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss.

In der Politik und am Finanzmarkt wird zunehmend über die Zukunft von Schatzkanzlerin Reeves spekuliert. Premierminister Keir Starmer hatte in der wöchentlichen Fragestunde im Parlament auf Nachfrage der Opposition nicht mehr ihren weiteren Verbleib im Kabinett garantieren wollen. Reeves saß auf der Regierungsbank im Parlament mit verquollenen Augen und wischte sich Tränen aus dem Gesicht.

Britische Medien überschlugen sich mit Schlagzeilen über die Entwicklung. „Es endet alles in Tränen“, titelte die „Daily Mail“. Auch die seriöse Finanzpresse äußerte wachsende Zweifel, ob Reeves sich noch lange im Amt halten könne. Aus der Downing Street erklärte ein Regierungsspreche anschließend, der Premier stehe „voll hinter“ Reeves. Ein Sprecher der Ministerin verneinte, dass sie ihren Rücktritt eingereicht habe.

Einsparungen bei Sozialausgaben aus Gesetz gestrichen

Am Vorabend hatte Reeves die größte Niederlage in ihrer einjährigen Zeit als Schatzkanzlerin erlebt. Vor der Abstimmung über die Sozialreform mit geplanten Milliardeneinsparungen hatte der Labour-Premierminister praktisch alle Einsparungen bei Kranken- und Behindertenleistungen zurücknehmen müssen, um eine Rebellion des linken Parteiflügels zu beruhigen. Damit drohen dem Staat nun Mehrausgaben von fünf Milliarden Pfund (sechs Milliarden Euro) entgegen der ursprünglichen Planung. Dies verschlechtert Reeves Position deutlich. Sie müsste nun entweder Steuern erhöhen, an anderer Stelle Ausgaben kürzen oder ihre als „eisern“ bezeichneten Fiskalregeln aufweichen.

Auf diese Aussicht reagierten die Anleger nervös. Es gebe ein Risiko für einen sich selbst verstärkenden Ausverkauf an den Märkten, falls die Sorgen nicht eingepreist würden, sagte Mark Dowding von RBC BlueBay Asset Management. Kathleen Brooks von XTB kommentierte: „Die Aussicht auf politisches Chaos sorgt für einen Anstieg der Renditen am Anleihemarkt.“