Jetzt greift Euronext auch nach der Börse Athen

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Der europäische Börsenkonzern Euronext greift nun auch nach der Börse in Athen. Das Unternehmen mit Sitz in Paris hat den Eigentümern der börsennotierten „Hellenic Exchanges – Athens Stock Exchange Holdings Company Limited“ (Athex) informell ein Übernahmeangebot von bis zu 100 Prozent des Kapitals vorgelegt. Nach Bekanntwerden der Offerte in Form eines Aktientausches ist das Papier des Börsenbetreibers in Athen am Mittwoch um rund 15 Prozent gestiegen. Sie erreicht damit ungefähr die Höhe des Angebots von umgerechnet 6,90 Euro je Athex-Aktie. Euronext will nach eigenen Angaben insgesamt bis zu 399 Millionen Euro für den Erwerb der Athener Börse ausgeben. Dort waren Ende des vergangenen Jahres 164 Unternehmen im Wert von 104 Milliarden Euro notiert.

Kleiner, aber wachstumsstarker Markt

Athen ist eine kleine Börse, vor allem verglichen mit den Aktienmärkten von Paris, Mailand, Amsterdam, Brüssels, Dublin, Lissabon und Oslo, die heute zu Euronext gehören und Unternehmen mit einer Börsenbewertung von insgesamt 6.000 Milliarden Euro beherbergen. Doch Athen hat nach Ansicht von Euronext gute Perspektiven. Das Angebot zeige „das starke Vertrauen von Euronext in die Entwicklung der griechischen Wirtschaft und sein Wachstumspotential aufgrund weiterer Integration des griechischen Kapitalmarktes in die Eurozone und die EU“, teilte Euronext mit. Der Börsenkonzern fügt dabei hinzu, dass er erst eine eingehende Unternehmensprüfung („due diligence“) vornehmen wolle, bevor er ein offizielles Angebot vorlege. Die Gespräche der beiden Börsen auf Führungsebene sind im Gange.

Das Kapital der Athener Börse ist breit gestreut. Größter Aktionär ist der Investmentfonds American Funds Small Cap World Fund (Class A) mit 5,1 Prozent. Die Regierung in Athen muss als Aufsichtsbehörde ihre Zustimmung geben, doch diese hat sie bereits signalisiert. Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen „steht der Möglichkeit einer Einigung sehr positiv gegenüber“, teilte es mit. Vor zehn Jahren hatte Griechenland noch Kapitalkontrollen einführen müssen, weil wegen der Schuldenkrise der finanzielle Kollaps drohte. Heute wäre „eine mögliche Übernahme der Athener Börse durch Euronext ein praktisches Vertrauensvotum in die Stabilität und positive Entwicklung der griechischen Wirtschaft“, teilt das Ministerium mit und erwähnte auch die Chancen der Integration in den europäischen Finanzraum und des größeren Vertrauens durch internationale Investoren.

Aber: Skandale belasten die Regierung

Die politische Stabilität Griechenland ist seit der erstmaligen Wahl der Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im Jahr 2019 ein Plus. Doch in jüngerer Zeit haben verschiedene politische Skandale die Regierung belastet. Derzeit steht sie unter Druck, weil jahrelang Landwirtschafts-Fördergelder der EU unter Mitarbeit einer griechischen Behörde an unberechtigte Empfänger ausgezahlt wurden. Nach jüngsten Angaben in den griechischen Medien sollen höchste Regierungskreise davon gewusst, doch nichts unternommen haben.

Die Athener Börse blickt auf eine fast 150-jährige Geschichte zurück. Die Marktkapitalisierung der dort notierten Unternehmen stieg im vergangenen Jahr um 18 Prozent. Die rund 60 Aktien des Hauptindex ATHEX Composite Share Price Index sind seit Juli 2022 auf etwa den Zweieinhalbfachen Wert geklettert. Zu den größten Werten gehören die griechischen Banken, sowie Bau- und Infrastrukturunternehmen und der ehemals staatliche Lotterie- und Wettanbieter Opap.