Von der Leyen empfängt Unternehmenschefs aus NRW

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Wenn der Bundeskanzler ins Ausland reist, ist niemand überrascht, falls er eine Wirtschaftsdelegation mitnimmt. Das geht auch mal im Kleinen, auf Bundeslandebene, mag sich Hendrik Wüst (CDU) gedacht haben, als er das initiierte, was an diesem Mittwoch stattfand: eine Reise des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten nach Brüssel zu einem Arbeitsessen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Im Schlepptau: elf Vorstandsvorsitzende von Konzernen, die in NRW ihren Sitz haben und deren Unternehmen zusammen für rund 500 Milliarden Euro Umsatz und knapp 1,5 Millionen Beschäftigte stehen.

In der Reisegruppe dabei waren prominente Vorstandsvorsitzende, etwa Leonhard Birnbaum vom Netzriesen Eon, Michael Lewis vom Gasversorger Uniper, der Chef des Logistikriesen DHL, Tobias Meyer, der CEO des Industriekonzerns Thyssenkrupp, Miguel López, der Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, sowie die CEOs der Unternehmen Henkel, Evonik, Hochtief, Rewe, Covestro und Lufthansa.

Es geht „um ein neues Miteinander mit Brüssel“

Herausgekommen ist ein gemeinsames Papier namens „Europapolitischer Impuls“, das die angereiste Gruppe Ursula von der Leyen überbrachte. Darin fordern die Initiatoren unter anderem weniger Bürokratie, bezahlbare Energie, einen verbesserten CO2-Grenzausgleich und bis dahin eine Beibehaltung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten. Sie sprechen sich zudem aus für eine Förderung strukturschwacher Regionen über 2027 hinaus sowie resiliente Lieferketten, etwa durch das Abschließen neuer Rohstoff- und Handelsabkommen. Weitere Forderungen sind die Förderung der Kreislaufwirtschaft und des Mittelstandes und eine bessere Kooperation beim Auf- und Ausbau transeuropäischer Transportnetze für Strom, Gas und Wasserstoff. Auch müsse die Regulierung von Künstlicher Intelligenz (AI Act) so ausgestaltet werden, dass sie keine innovationshemmende Wirkung entfalte. Die Initiatoren des Papiers werben zudem dafür, dass eine der europäischen AI Gigafactories im Rheinischen Revier angesiedelt wird.

NRW sei „auf einen funktionierenden Binnenmarkt, offene Grenzen, faire Bedingungen und verlässliche Energieversorgung angewiesen“, sagte Wüst nach dem Treffen. Es gehe „um ein neues Miteinander mit Brüssel“, wofür die Kommissionspräsidentin „klare Signale“ gesetzt habe. „Zudem sind wir zu sehr konkreten Ergebnissen gekommen. Der Tag heute kann ein neues Kapitel aufschlagen in den Beziehungen der deutschen Wirtschaft zur Europäischen Union.“

Üblich ist es nicht, dass Ursula von der Leyen sich die Sorgen und Nöte einzelner Unternehmenschefs aus einem einzelnen Bundesland persönlich anhört. Und Hendrik Wüst hat das ungewöhnliche Treffen hochprofessionell inszeniert – mit Journalisten-Briefings, Fototermin und einer flankierenden Studie des arbeitgebernahen Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln. Die Wirtschaftskraft des Bundeslandes liege 20 Prozent über dem EU-Schnitt, heißt es darin. 22 Prozent aller deutschen Exporte in EU-Länder stammten aus NRW.

Die Reise kam bei den Unternehmenslenkern gut an

In Brüssel stehen derzeit zahlreiche Entscheidungen an, die Wohl und Wehe der in NRW ansässigen Konzerne maßgeblich beeinflussen dürften. Insbesondere geht es dabei um Fragen rund um den Green Industrial Deal der EU. Gestritten wird beispielsweise gerade über die Details eines sogenannten Delegiertenaktes zum Thema Wasserstoff. Darin soll definiert werden, wann genau Wasserstoff als klimafreundlich gilt, was wiederum häufig die Voraussetzung für eine Projektförderung ist.

Bei den mitgereisten Unternehmenslenkern kam die Möglichkeit, ihre Wünsche in Brüssel zu adressieren, gut an. Thyssenkrupp-Chef Miguel López dankte Wüst und von der Leyen für den Austausch. Wichtig sei ein „koordiniertes europäisches Handeln, insbesondere beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, beim Schutz der Stahlindustrie und bei der Stärkung einer resilienten, wettbewerbsfähigen Industrie in Europa“, so López. „Genau diese Themen habe ich heute angesprochen.“

Der Chef des in Düsseldorf ansässigen Energieriesen Uniper, Michael Lewis, sagte nach dem Treffen, der direkte Dialog zwischen Wirtschaft und Politik sei „heute wertvoller denn je“. In Brüssel habe er vor allem betont, dass auf dem Weg zur Klimaneutralität „flexible und pragmatische Lösungen“ notwendig seien. „Neue Gaskraftwerke und auch blauer Wasserstoff sind zentrale Brücken – dafür braucht es verlässliche und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen.“