Wie Immuntherapie gegen Krebs eingesetzt wird

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Stand: 03.07.2025 13:33 Uhr

Krebs ist heute kein Todesurteil mehr. Vielversprechend ist etwa die Immuntherapie – Verfahren, die das Immunsystem so unterstützen, dass es die Krebszellen eigenständig bekämpfen kann. Wie ist der Stand der Forschung?

Eigentlich ist das Immunsystem des Körpers in der Lage, Tumorzellen zu entdecken, zu bekämpfen und abzutöten. Und das geschieht auch immer wieder, tagtäglich, ohne dass wir an Krebs erkranken, ohne dass wir es bemerken.

Aber manchmal gelingt es den Tumorzellen eben doch, mit verschiedensten Tricks der körpereigenen Abwehr zu entkommen. Das sollen die Immuntherapien rückgängig machen. Verschiedene Medikamente und Methoden sind bereits als Therapie zugelassen.

Checkpoint-Inhibitoren

Die derzeit verfügbaren Immuntherapien setzen an verschiedenen Stellen des Immunsystems an. Die Immuntherapie, die am häufigsten eingesetzt wird, verwendet sogenannte Checkpoint-Inhibitoren. Die Checkpoints oder auch Kontrollstellen des Immunsystems sorgen dafür, dass die Abwehrzellen im gesunden Organismus keine körpereigenen Zellen angreifen oder überreagieren.

Manchen Tumorzellen gelingt es, die Aktivität dieser Kontrollstellen gegen sich selbst zu bremsen. Und damit zu erreichen, dass sie von Abwehrzellen – den sogenannten T-Zellen oder umgangssprachlich auch Killerzellen genannt – nicht angegriffen werden.

Die Checkpoint-Inhibitoren können diesen Prozess rückgängig machen, erklärt der Onkologe Carsten Bokemeyer, der die Krebsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg leitet: Checkpoint-Inhibitoren seien Moleküle, die den T-Zellen erlauben, die Tumorzelle doch wieder anzugreifen. Das gelinge, “indem sie diesen Kontrollpunkt, diesen Checkpoint, blockieren und dann der Tumorzelle das Signal wegnehmen, mit dem sie sich gegen die T-Zelle wehren würde”. Dann können die Abwehrzellen die Tumorzellen wieder erkennen und zerstören.

Vielversprechende Therapie

Und das ist nicht nur Theorie, sondern hat sich bereits in der Praxis bewährt. Seit rund zehn Jahren nutzen die Onkologinnen und Onkologen diesen Ansatz. Je nach Tumorart in Kombination mit klassischer Chemotherapie oder ohne.

Damit sind sie bereits bei rund 15 verschiedenen Tumorarten sehr erfolgreich, so Onkologe Bokemeyer – von Tumoren in Lunge über Blase und Nieren sowie bei einigen Arten von Brust- oder Darmkrebs. “Das ist relativ weit verbreitet”, sagt er. “Eine solche Therapie macht heute für 25 Prozent aller Tumorpatienten durchaus Sinn.”

Das bedeutet, dass dieser Ansatz vor allem bei Krebserkrankungen, bei denen die herkömmlichen Therapien wenig ausrichten konnten, eine vielversprechende Alternative oder Zusatztherapie ist. Beispielsweise beim schwarzen Hautkrebs, der im fortgeschrittenen Stadium – also nachdem er Metastasen gebildet hat – mit den herkömmlichen Therapien nicht mehr erfolgreich behandelt werden konnte. Durch den Ansatz mit den Checkpoint-Inhibitoren wird diese Erkrankung für ein Drittel der Patienten zu einer chronischen und kontrollierbaren Krankheit.

CAR-T-Zell-Therapie

Die zweite vielversprechende Immuntherapie ist die sogenannte CAR-T-Zelltherapie. Bei ihr entnimmt man den Erkrankten körpereigene Abwehrzellen, die immunologischen T-Zellen, und verändert sie im Labor so, dass sie die Tumorzellen abtöten, erklärt Dirk Jäger. Er leitet am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg die Abteilung für medizinische Onkologie.

Damit die Abwehrzellen die bösartige Zelle erkennen können, wird in sie der Bauplan der Tumorzell-Merkmale eingeschleust. “Man schafft echte Killerzellen, in die man einprogrammiert hat: Töte alles, was das Merkmal X trägt”, erklärt Jäger. Man wisse aus der Klinik, dass solche CAR-T-Zellen vor allem bei hämatologischen Erkrankungen, also solche, die das Blut betreffen, sehr effektiv sein könnten. “Da haben sie jetzt auch die Zulassung bekommen und sind schon Teil der Standardtherapie.”

Bisher nur bei Blutkrebs erfolgreich

Bisher funktioniert diese zelluläre Immuntherapie nur bei einigen Blutkrebserkrankungen. Aber es laufen vermehrt Studien, vor allem in den USA, um diese Immuntherapie auch bei den sogenannten soliden Tumoren – wie beispielsweise Lungen- oder Magenkrebs – anwenden zu können, sagt Onkologe Jäger.

“Der große Vorteil einer Zelltherapie ist der, dass man im Prinzip im Reagenzglas eine fulminante Immunantwort designt, oder auch per genetischer Manipulation designt. Und diese fulminante Immunantwort in den Patienten zurückbringt”, erklärt er. Dabei reiche eine einzelne Behandlung aus – eine “lebendige Einmal-Therapie”, so Jäger.

Die genetisch veränderten T-Zellen sind so schlagkräftig, dass ihnen keine der Tumorzellen entgeht. Aber deshalb kommt es auch häufig zu Nebenwirkungen bei der CAR-T-Zelltherapie, weil das Immunsystem quasi überreagiert. Das kann sich mit Fieber und Schüttelfrost äußern, aber manchmal sind die Immunreaktionen so heftig, dass eine Behandlung auf der Intensivstation nötig ist.

Therapien der Zukunft?

Immuntherapien sind in der Onkologie große Hoffnungsträger. Denn bereits jetzt gelingt es damit, Tumorerkrankungen in den Griff zu bekommen. Deshalb arbeiten die Forschenden nicht nur daran, die bestehenden Ansätze zu optimieren, sondern auch an weiteren Therapien.

Sie entwickeln beispielsweise biospezifische Antikörper oder Impfungen gegen Krebs. Denn Immuntherapien ermöglichen, auf den individuellen Tumor abgestimmt, eine personalisierte und zielgerichtete Behandlung. Und vergrößern so die Chance, lange und gut mit der Erkrankung leben zu können – und sie vielleicht sogar zu heilen.