Weg frei für die Frühstartrente

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Die Frühstartrente soll kommen. Was der Koalitionsvertrag beabsichtigt, hat der Koalitionsausschuss nun bekräftigt. Er machte am Mittwoch den Weg frei für das Vorhaben, das Kinder, Jugendliche (und ihre Eltern) mit kleinen Summen an eine Geldanlage am Finanzmarkt gewöhnen soll. Der Staat soll zehn Euro im Monat für alle zwischen sechs und 18 Jahren aufbringen.

Die Idee stammt als Kinderstartgeld aus dem Sachverständigenrat für Wirtschaft und ist eine der wenigen, die weitgehend von den fünf Wirtschaftsweisen übernommen wird. Über Jahre war es der Politik nicht gelungen, einen Einstieg in eine aktienbasierte Altersvorsorge hinzubekommen, obwohl über Studien belegt ist, dass sich über lange Zeiträume Risiken minimieren und ansehnliche Renditen das Vermögen wachsen lassen.

„Deshalb war unser Gedanke: Wir fangen mit der nächsten Generation an, wenn es bei denen, die jetzt schon im Arbeitsleben stehen, schwierig ist“, sagte Ratsmitglied Ulrike Malmendier der F.A.Z. Dabei stand nicht im Vordergrund, eine Zusatzrente aufzubauen, sondern Familien an den Sparvorgang zu gewöhnen. „Dann lernen sie kennen, was breit gestreutes Aktiensparen wirklich bedeutet, und es heilt vielleicht die Wunden, die einseitige Investitionen hinterlassen haben.“ Durch eine breite Streuung statt Einzelaktien sinke das Risiko. „Das kann ich immer wieder erklären. Besser wäre, wenn man es ausprobiert und dadurch lernt“, sagt sie.

Fonds und Versicherer finden Vorstoß gut

Aus der Finanzbranche erhält der Vorstoß Zustimmung. Die Branchenverbände der Fondsgesellschaften und der Versicherer sind über zähe Jahre ohne Reform mürbe geworden und geben sich mit kleinen Fortschritten zufrieden. „Selbst mit den schönsten Rechnungen wird nichts dastehen, was einen im Alter reich macht“, sagt Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Versichererverbands GDV. Trotzdem zahle die Frühstartrente auf den Wunsch ein, Kapitaldeckung als Säule der Altersvorsorge neben der Umlage stark zu machen.

Noch gibt es keine konkreten Pläne der Bundesregierung. Nun wird viel Detailarbeit auf die beteiligten Ministerien der Finanzen und des Sozialen zukommen. So stellt sich die Frage, wie die Anspruchsberechtigten ermittelt werden. Malmendier schwebt vor, den Anspruch am Kindergeldbezug festzumachen. Es kam auch die Idee auf, den Besuch an einer deutschen Schule zur Voraussetzung zu machen. Die Finanzdienstleister haben nur einen Wunsch: möglichst einfach und bürokratiearm.

Als Malmendier die Idee ersann, wollte sie den Familien freistellen, wofür der über zwölf Jahre mit Zinseszins angesparte Betrag genutzt wird. „Ich hätte auch zugelassen, dass man sich davon ein Moped kauft“, sagt sie. Aber in den Koalitionsverhandlungen wurde das Instrument an eine Rente geknüpft. Das weckt Begehrlichkeiten, die an Grundsatzkonflikte der letzten Legislaturperiode erinnern. „Die Frühstartrente muss nahtlos übergehen ins Vorsorgedepot, sonst ist der das keine Rente“, sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI.

Die Lindner-Rente hätte Fonds besser gestellt

Die Gräben zwischen Versicherern und Fondsbranche sind tief. Der GDV möchte früh klarstellen, dass das Geld im Ruhestand einmal in eine monatliche Rente überführt wird – solche Arrangements kann nur ihre Branche anbieten. Der BVI dagegen hatte sich gegenüber dem früheren Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit der Forderung nach einem Altersvorsorgedepot durchgesetzt, in das chancenreich ohne und sicherer mit Garantie gespart werden kann und Auszahlungen als Rente oder als Kapitalentnahme möglich gewesen wären.

All die dahinterliegenden Kontroversen drohen neu geführt zu werden. „Ich sehe eine zähe Diskussion kommen“, sagt Richter. Er rechnet nicht vor dem Jahr 2027 mit einem Gesetzentwurf. Den Geldbetrag von zehn Euro monatlich findet er zu niedrig. Schumann dagegen plädiert dafür, dass Zuzahlungen von Verwandten ermöglicht werden. „Mit zusätzlich 20 Euro von der Patentante könnte man schon einen ordentlicheren Kapitalstock ansparen und über Jahrzehnte entwickeln sich die Summen durch den Zinseszinseffekt so, dass sie die Stärke der Kapitaldeckung zeigen.“

Dabei stehen erste Anbieter in den Startlöchern. Die R+V Versicherung hat ein Produkt für Kinder angekündigt, in dem in kostengünstige ETF gespart werden kann. „Für uns als zweitgrößter Lebensversicherer ist es selbstverständlich, dass wir auch in diesem neuen Segment ein passendes Produkt anbieten“, sagt ein Sprecher. Der Vorstandsvorsitzende Norbert Rollinger ist Präsident des GDV und geht mit seinem Beispiel voran. Initiatorin Malmendier sorgt sich darum, was mit Konten passiert, die schleichend stillgelegt werden. Insgesamt erhofft sie sich einen Schub für eine neue Kultur. „Wir lösen damit die Abwehrhaltung und schaffen einen Einstieg ins aktienbasierte Sparen.“