Für SAP-Chef Christian Klein ist die EU mit ihrer Förderung von Rechenzentren und Halbleiter auf dem Holzweg. Man könnte auch sagen, Klein ist der Kragen geplatzt. Nach langem Grummeln hat sich der Vorstandsvorsitzende von Europas IT-Vorzeigekonzern am Donnerstagabend europäischen Pressevertretern gestellt und sich dabei hörbar Luft verschafft.
Die Frage nach der Souveränität der Daten sei eben – anders als von der EU oder der deutschen Regierung unterstellt – keine Frage von eigenen Rechenzentren oder eigenen Halbleitern. „Wichtig ist das, was innen passiert.“
Die Pläne der Europäischen Union, 20 Milliarden Euro in fünf sogenannte KI-Gigafactorys zu investieren; riesige Rechenzentren, die dazu beitragen sollen, Europas Rückstand in der Künstlichen Intelligenz aufzuholen, hält Klein für verfehlt. „Fünf neue Rechenzentren sind nicht das, wir brauchen“. Damit stellt sich der SAP-Chef auch gegen die Bundesregierung. Sie hat im Koalitionsvertrag vereinbart: „Wir holen mindestens eine der europäischen, AI-Gigafactories‘ nach Deutschland“.
Europäische Kunden sind nicht von US-Cloudanbietern abhängig
Die Kunden in Europa hätten schon heute die Kontrolle und Hoheit über ihre Daten. Das sei keine Frage, ob die Hardware aus den USA stamme oder China, sondern wo die Daten gespeichert würden und wer sie kontrolliere. Wenn Kunden auf Rechenzentren in Deutschland oder in Europa Wert legten, könne ihnen SAP das schon heute bieten. Aber die wenigsten Kunden legten darauf Wert. Selbst europäische Banken würde zum allergrößten Teil amerikanische Cloudanbieter nutzen. Anders als gemutmaßt, seien die Kunden deswegen aber nicht abhängig, sondern könnten ebenfalls heute schon wechseln. Mit Delos-Cloud biete SAP ihnen sogar die Möglichkeit, nahezu vollkommen abgeschottet vom Netz ihre Daten in Europa zu speichern und zu verarbeiten.
Klein sagte: „Der Hardware-Zug ist abgefahren“. Statt sich auf eine vergebliche Aufholjagt mit den USA einzulassen, müsse Europa jetzt die Anwendung von Künstlicher Intelligenz fördern – für einzelne Branchen und spezielle Anwendungsbereiche. Dieses „Spiel“, wie Klein es nannte, beginne gerade und dort könne Europa seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, um in zehn Jahren wieder vorne zu sein. Nirgendwo sonst gebe es schließlich eine größere Datenbasis als in Europa.
So viele Daten wie Sand in der Wüste
Direkte Subventionen für Start-ups hält Klein dabei für den falschen Weg. Aufgabe der Politik müsse es vielmehr sein, Universitäten und Unternehmen zu vernetzen und etwa Lösungen für bestimmte Branchenanwendungen auszuschreiben, auf die sich jungen Unternehmen bewerben können. Auch das Rahmenwerk – den EU AI Act – lehne er nicht ab. Im Gegenteil, sagte er, eine einheitliche Regelung könne für Europa sogar von Vorteil sein. Das Problem sei, dass jedes Mitgliedsland daraus wieder eigene Regeln mache. Damit schwäche sich die EU selbst.
Martin Merz, bei SAP für das souveräne Cloudgeschäft verantwortlich, verglich die Situation mit einer Wüste. Nirgendwo würden Jahr für Jahr mehr Daten, vulgo Sand, produziert als in Europa. Statt sich zu fragen, was man daraus machen könne, wie man ihn nutze und siebe, würden die Europäer nur darüber nachdenken, wie sie ihn umschichten, um ihn woanders zu lagern.