Stefan Effenberg hält Kehrtwende bei Bayern für falsch

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Es wird schließlich gerne vergessen, wie viel mentale Stärke solche Situationen auch von den restlichen Spielern auf dem Platz erfordern. Es muss schließlich weitergehen, es bleibt nicht viel Zeit, diese schlimmen Bilder zu verarbeiten. Und das ist verdammt schwierig. Fast schon aus Selbstschutz musst du da einen Schalter umlegen, der das gerade Erlebte ausblendet und dich wieder funktionieren lässt. In einem Sport, in dem du auch heute noch leider schnell als “mental zu schwach” abgestempelt werden kannst, ist das eine enorme Herausforderung. Als Profifußballer bist du dazu gezwungen, diese zu meistern. Das klingt kalt, das klingt gefühllos – eine andere Möglichkeit bleibt aber leider nicht während eines Spiels.

Nun müssen sich alle beim FC Bayern auf eine lange, lange Ausfallzeit von Musiala einstellen. Gut möglich, dass er in diesem Jahr nicht mehr zum Einsatz kommt.

Die Frage ist nun: Wie kompensiert der deutsche Rekordmeister diesen Verlust? Schon kurz nach Musialas Verletzung wurde eine Verlängerung mit Thomas Müller ins Spiel gebracht, der gegen Paris eigentlich sein allerletztes Spiel für die Bayern bestritten hat. Ich sage es ganz deutlich: Davon halte ich nichts. Das wäre der absolut falsche Weg, sowohl für die Bayern als auch für Müller. Als Spieler hast du schließlich auch einen gewissen Stolz – und es würde zu Müller und seinem Charakter einfach nicht passen, jetzt noch mal ein halbes Jahr oder eine ganze Saison dranzuhängen, wo er seinen eigenen Abschied bereits so ausführlich zelebriert hat.

Er selbst hat nach der Partie schon mit genau den richtigen Worten reagiert: Fragen nach einem weiteren Verbleib in München fühlten sich im Zusammenhang mit der Musiala-Verletzung “unangenehm” an, auch das Wort “geschmacklos” kam auf. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Ich erwarte von der Bayern-Führung um Max Eberl nun eine klare und unmissverständliche Reaktion: Es darf keine Übergangslösungen oder überstürzte Verlegenheitstransfers geben. Stattdessen muss jetzt endgültig klar sein, was ich bereits in meiner letzten Kolumne gefordert habe: Nick Woltemade muss schon in diesem Sommer verpflichtet werden. Er kann auf Musialas Position spielen, die Lücke füllen, die sich längerfristig aufgetan hat. Uli Hoeneß hat erst am Samstag über einen Transfer des Stuttgarters gesagt: “Ich würde es sehr begrüßen, wenn das dieses Jahr klappt – und wenn nicht, dann nächstes Jahr.” Das hat sich jetzt schlagartig geändert.