„Das bringt das ganze Schengen-System an die Grenzen“

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Polens Grenzschutz hat mit vorübergehenden Kontrollen an der gemeinsamen Grenze zu Deutschland begonnen. Seit Mitternacht werden Reisende an 52 Grenzübergängen überprüft, wie das Innenministerium auf der Plattform X mitteilte. „Die Kontrollen richten sich gegen diejenigen, die an der illegalen Schleusung von Migranten über die Grenze beteiligt sind. Normale Reisende haben nichts zu befürchten“, sagte Polens Innenminister Tomasz Siemoniak laut einem Post seiner Behörde. Die Grenzer haben besonders Minibusse, Autos mit vielen Insassen und Fahrzeuge mit getönten Scheiben im Auge.

Kritik an den Grenzkontrollen kam von der stellvertretenden EU-Parlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD). Die Entscheidung Polens, wieder stationäre Kontrollen an der Grenze vorzunehmen, sei aus ihrer Sicht in erster Linie „eine Retourkutsche“ für das deutsche Vorgehen, sagte Barley am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Das ist so ein Dominoeffekt, und das bringt natürlich dann das ganze Schengen-System an die Grenzen.“

Barley äußerte Kritik an der „deutlichen Verschärfung“ der deutschen Kontrollen. Es gebe andere Möglichkeiten wie etwa Schleierfahndungen. Zudem sei die Zahl der Asylanträge in Deutschland zuletzt deutlich zurückgegangen, „ohne dass man solche scharfen Grenzkontrollen angeordnet hätte“.

Polen-Beauftragter warnt vor Staus

Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU), hat die am Montag angelaufenen Kontrollen der polnischen Behörden an der Grenze zu Deutschland als „schwere Belastung“ für die Grenzregion bezeichnet. Wichtige Produktions- und Lieferketten hingen am behinderungsfreien Grenzverkehr, sagte Abraham dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ vom Montag.

DSGVO Platzhalter

Abraham nannte die Binnen-Grenzkontrollen „derzeit politisch erforderlich, um das Umdenken in der Migrationsfrage zu dokumentieren“. Eine dauerhafte Lösung seien sie aber nicht. Er appellierte an beide Seiten, die Kontrollen möglichst störungsfrei zu gestalten. „Kurzfristig sollten mehr Kontrollspuren eröffnet, gemeinsame deutsch-polnische Kontrollpunkte eingerichtet, mehr Kontrollen im Hinterland durchgeführt werden“, sagte er.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte Abraham, eine Verdichtung der Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze werde nicht die Lösung des „Migrationsproblems“ sein. „Wenn die Polen auch auf einspurig gehen, dann haben wir in kurzer Zeit Megastaus“, sagte er mit Blick auf die Einspurigkeit bei der Abfertigung an der Grenze.

Die Grünen haben die Bundesregierung aufgefordert, die Grenzkontrollen zu Polen rückgängig zu machen. Es sei „in gewisser Weise nachvollziehbar“, dass die polnische Regierung als Reaktion auf das deutsche Vorgehen nun selbst Grenzkontrollen zu Deutschland verhängt habe, sagte Grünen-Chef Felix Banaszak am Montag in Berlin. Er warf Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, mit einem „nationalen Alleingang“ in der Migrationspolitik einen „Dominoffekt“ ausgelöst zu haben.

Um aus dieser “absurden Situation” herauszukommen, müssten Merz und Dobrindt jetzt “den ersten Schritt gehen” und die deutschen Grenzkontrollen wieder aufheben, forderte Banaszak. Ziel müsse es sein, diese “Spirale der Blödheit” zu beenden und “wieder zu einer echten europäischen Politik” zurückzufinden.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Anfang Mai verstärkte Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden an der polnischen Grenze angeordnet. Als Reaktion darauf kündigte Polen am 1. Juli an, seinerseits vorübergehende Grenzkontrollen einzuführen. Die Maßnahme soll zunächst bis zum 5. August gelten.