Annäherung im Streit um Volkswagen

23

Am späten Donnerstagnachmittag wähnten sich die Verhandlungsführer von IG Metall und Volkswagen schon kurz vor einem Abschluss. Mehr als 50 Stunden hatten sie bis dahin im Hotel Wyndham Hannover Atrium verhandelt, die Gewerkschaft soll schon ihre Tarifkommission über ein Paket informiert haben, das Grundlage für die Einigung sein sollte, wie aus informierten Kreisen verlautet. Doch dann, so heißt es, seien plötzlich neue Fragen aufgekommen. Ergebnis: Bis Mitternacht wurde weiterverhandelt, dann bis Freitag unterbrochen. Seit elf Uhr sollen die Gespräche jetzt in die möglicherweise finale Runde gehen.

Unter Teilnehmern ist von einer „Annäherung“ und von „verhaltenem Optimismus“ die Rede. Die Gespräche bleiben aber komplex, und offenbar gibt es noch immer Gebiete, auf denen die Verhandlungsführer um den VW-Vertreter Arne Meiswinkel und die Gewerkschafter Thorsten Gröger und Daniela Cavallo noch auseinanderliegen.

Im Umfeld der IG Metall hieß es am Vormittag, es liege vor allem am Vorstand, sich zu sortieren. Auf Konzernseite wiederum verweist manch einer auf Komplexität im Gewerkschaftslager, wo neben Betriebsratschefin Cavallo und dem hannoverschen IG-Metall-Chef Gröger auch die Betriebsratsvorsitzenden der Standorte involviert sind. Fakt ist: Wie schon am Donnerstag avisiert, muss jede Einigung, sofern sie erzielt wird, noch den Konzernvorstand passieren. Um 15 Uhr am Nachmittag will sich auch das Präsidium des Aufsichtsrats zusammenschalten, um sich über jene Teile des Pakets informieren zu lassen, die den Kontrollrat passieren müssen. Mit offiziellen Meldungen, so schätzen Beteiligte, ist nicht vor Börsenschluss zu rechnen.

Machtkampf zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber

Seit im September bekannt wurde, dass Deutschlands größter Autokonzern drastisch sparen will, tobt ein Machtkampf zwischen der IG Metall und dem Management. Zweimal hat die Gewerkschaft zu Warnstreiks aufgerufen. Seit Montag läuft ein Verhandlungsmarathon in dem Hotel im Nordosten der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Es zeichne sich eine Lösung ab, die „Substanz“ habe, und mit der alle Beteiligte gut leben könne, sofern man sie wirklich beschließe, heißt es im Umfeld der Gespräche. Inhaltlich geht es nicht nur um den neuen Haustarif, sondern auch um Stellenabbau und die Belegung der Werke. Wie die F.A.Z. schon berichtet hat, könnte vor allem der ostdeutsche Standort Zwickau mehrere Modelle verlieren und dadurch stark belastet werden. Eine Recycling-Anlage für Batterien soll neue Arbeit bringen, wird aber die Verluste wohl nur zum Teil ausgleichen, so der Stand am Donnerstagmittag.

Die Standorte in Niedersachsen, so argwöhnt die Belegschaft im Osten, genießen dagegen größeren Schutz durch das am Konzern beteiligte Bundesland. Emden kann mit noch mehr Volumen für den SUV ID.4 rechnen, auch Wolfsburg dürfte wohl einen Teil der Fahrzeuge aus Zwickau übernehmen. Gleichzeitig drohen auch dem Stammsitz am Mittellandkanal große Umbrüche, denn die Produktion des Verbrennermodells Golf dürfte vom Jahr 2027 an nach Mexiko verlagert werden.

Die Gewerkschaft hatte zuvor an ihren roten Linien festgehalten, nach denen keine Werke geschlossen, keine Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt und die Entgelte nicht dauerhaft gesenkt werden dürften. Offiziell hieß es von der IG Metall am Donnerstabend: „Der Verhandlungsprozess hakt insbesondere in den internen Abläufen der Arbeitgeberseite.“ Man bedauere, dass nach vier Tagen der Verhandlung „immer noch eine Hängepartie für die Beschäftigten“ bestehe. „Wir wollen weiter eine Lösung vor Weihnachten, allerdings nur eine gute für unsere Kolleginnen und Kollegen – das geht nur mit umfassender Sicherheit für Arbeitsplätze, Regionen und Familien.“