Eine Eizelle von der Mutter, ein Spermium vom Vater: Normalerweise brauchen Säugetiere beides, damit Nachwuchs entstehen kann. Chinesischen Forschenden ist es jetzt jedoch gelungen, Mäuse aus zwei Spermien zu züchten.
Zwei lebende, männliche Mäuse – offenbar gesund und in der Lage, sich selbst fortzupflanzen: Das ist das Ergebnis einer chinesischen Studie, die vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurde. Das Besondere: Die beiden Mäuse haben keine genetische Mutter. Ihr Erbgut stammt aus zwei Spermien. “Das war technisch eine große Herausforderung“, sagt Bernhard Horsthemke, Professor für Humangenetik an der Universität Duisburg-Essen.
Auf natürlichem Wege können aus zwei Spermien, aber auch aus zwei Eizellen, keine lebensfähigen Tiere entstehen. Den Grund dafür vermutete man in einer genetischen Besonderheit von Säugetieren, dem sogenannten Imprinting. “Das mütterliche Genom und das väterliche Genom sind funktionell etwas unterschiedlich. Wir erben zwar dieselbe Anzahl von Genen von Vater und Mutter, aber einige dieser Gene sind nur aktiv, wenn sie von der Mutter stammen. Andere Gene sind nur aktiv, wenn sie vom Vater ererbt worden sind“, erklärt Horsthemke.
Welche Gene aktiv sind und welche nicht – das wird durch bestimmte Markierungen auf dem Erbmaterial festgelegt.
Neue Technik erlaubt Veränderung der Gen-Markierungen
Durch eine neue Technik, die auf der Genschere CRISPR/Cas basiert, konnten die chinesischen Forschenden im Erbgut einer der Spermien die Markierungen der Gene an sieben Stellen anpassen. Die Markierungen auf dieser Kopie der DNA ähnelte damit dem Erbgut, das normalerweise von der genetischen Mutter hinzukommt.
“Man musste also nicht nur einen Genort modifizieren, sondern sieben auf einmal und das spezifisch an nur einem der beiden Spermien“, so der Humangenetiker Horsthemke. “Das ist technisch gut gelungen – das müssen hocheffiziente Systeme sein.” Eigentlich gebe es aber deutlich mehr Genorte, die beim Imprinting eine Rolle spielen. Doch auch mit diesen sieben Veränderungen gelang es, lebensfähige Mäuse zu züchten, die von einer weiblichen “Leihmutter”-Maus ausgetragen wurden.
Mehr als 500 Versuche – zwei lebende Mäuse
Aus über 500 Versuchen entstanden schließlich 259 Embryonen – am Ende wurden drei lebende Mäuse-Männchen geboren, von dem eines schnell verstarb. Die übrigen beiden hatten laut den Studienautoren keine auffälligen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und waren selbst in der Lage sich zu vermehren.
“Damit haben sie bewiesen, dass die Markierungen der Gene, die von der Mutter oder vom Vater stammen, wirklich der Grund sind, weshalb normalerweise aus zwei Spermien keine lebensfähigen Nachkommen entstehen können“, sagt Bernhard Horsthemke.
Keine Lösung für schwule Paare
Für zwei Männer, die ein gemeinsames genetisches Kind zeugen wollen, ist diese Technik jedoch wahrscheinlich auch in Zukunft keine Option, so der Humangenetiker.
Zwar seien die grundlegenden Prinzipien der Vererbung bei Maus und Mensch sehr wahrscheinlich gleich, doch im Detail gebe es Unterschiede. Und: Die unvollständige Anpassung der Markierungen an nur sieben Stellen könnte zu Problemen führen. “Die entstandenen Mäuse wurden in der Studie nicht gründlich untersucht – es ist gut möglich, dass sie im Laufe ihres Lebens gesundheitliche Probleme entwickeln.“ Insgesamt gebe es rund 70 Unterschiede bei den Markierungen von mütterlichen und väterlichen Genen – alle gleichzeitig zu verändern, wäre zu riskant.
Hinzu käme die geringe Quote an Mäusen, die bei dem vorgestellten Versuch überlebten. “Diese Unsicherheiten verbieten es, diese Technik beim Menschen anzuwenden“, so der Humangenetiker Horsthemke von der Universität Duisburg-Essen.
Andere Forschungsprojekte arbeiten allerdings an Techniken, die es in Zukunft möglich machen könnten, dass zwei Männer die genetischen Eltern eines Kindes werden. Bei der In-vitro-Gametogenese werden beispielsweise im Labor aus Stammzellen Ei- und Samenzellen erzeugt. Auf diese Weise gelang es einem japanischen Forschungsteam im Jahr 2023, erstmals Mäuse mit zwei Vätern und ohne genetische Mutter zu züchten.