Schlechtes Zeugnis für Ungarn und Slowakei

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Die EU-Kommission bemängelt in diesem Jahr abermals große Rechtsstaatsdefizite in Ungarn und der Slowakei. In ihrem Jahresbericht zur Rechtsstaatlichkeit, den Justizkommissar Michael McGrath am Dienstag vorstellte, schnitten beide Staaten am schlechtesten ab. Die Kommission sprach für Ungarn acht Empfehlungen für notwendige Reformen aus, für die Slowakei sieben.

Sie kam zu dem Schluss, dass die Reformempfehlungen des Vorjahres kaum befolgt wurden, insbesondere von Ungarn, während neue Missstände aufgetaucht sind. Dagegen stellte sie für mehrere Staaten Fortschritte fest, darunter Polen, Malta und Griechenland. Insgesamt seien 18 Prozent aller Empfehlungen vollständig, 39 Prozent teilweise und 14 Prozent geringfügig befolgt worden.

Unter diesen Umständen hat die Regierung Budapest keine Aussicht, in naher Zukunft auf blockierte Mittel zuzugreifen. Das betrifft insgesamt rund 21 Milliarden Euro, davon zwölf Milliarden an Kohäsionsmitteln aus dem regulären EU-Haushalt und gut neun Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. Bei Letzterem hat Budapest schon eine Milliarde Euro mit dem Jahreswechsel verloren, der restliche Betrag verfällt nach geltendem Recht, wenn er nicht bis Ende 2026 abgerufen werden kann. Gegen die Slowakei hat die EU-Kommission bisher keine Sperren verhängt.

In der begleitenden Kommunikation zu den einzelnen Länderberichten wird darauf verwiesen, dass rechtsstaatliche Reformen künftig noch stärker an die Auszahlung von Mitteln geknüpft würden. Der nächste Finanzrahmen für die Jahre 2028 bis 2034, den die Kommission in einer Woche vorschlagen will, solle eine „engere Verbindung“ herstellen. „Insbesondere wird von den künftigen nationalen und regionalen Partnerschaftsplänen erwartet, dass sie wirksam zur Unterstützung von Reformen beitragen“, heißt es demnach. Die Kommission will nach dem Vorbild des Corona-Fonds mit jedem Land Reformvereinbarungen treffen, die im Zuge von Auszahlungen überprüft und erfüllt werden müssen.

Fico schaffte die Korruptionsstaatsanwaltschaft ab

Im Einzelnen bemängelt die Kommission, dass Ungarn Zusagen zur Korruptionsbekämpfung nicht eingehalten habe und es weiter erhebliche Mängel bei der Finanzierung politischer Parteien und von Wahlkämpfen gebe – was zulasten der Opposition geht. Der Gesetzgebungsprozess gebe Anlass zur Besorgnis, zudem nutze die Regierung Notstandsbefugnisse in einer Weise, die Rechtssicherheit im Binnenmarkt untergrabe.

Die Pluralität der Medien sei bedroht, Journalisten sähen sich „vielfachen und ernsthaften Herausforderungen ihrer Arbeit ausgesetzt“, auch weil sie nun als ausländische Agenten überprüft würden. Das Umfeld für bürgerschaftliches Engagement verschlechtere sich weiter. Fortschritte gebe es nur bei der automatischen Zuweisung von Fällen am Obersten Gerichtshof, nicht aber an nachgeordneten Gerichten; so soll politische Einflussnahme ausgeschlossen werden.

Für die Slowakei konzediert der Bericht, dass sie sich an einem intensiven Dialog mit der EU-Kommission über strittige Fragen beteilige und bei der Strafrechtsreform Korrekturen vorgenommen habe. Allerdings habe die Abschaffung der Korruptionsstaatsanwaltschaft unter Ministerpräsident Robert Fico zu einem erheblichen Rückgang von Ermittlungen geführt. Zudem könne der Generalstaatsanwalt Ermittlungsverfahren für ungültig erklären. Es gebe weiter Bedenken zur Unabhängigkeit der Richter und der öffentlichen Medien. Die Sicherheit und das Arbeitsumfeld für Journalisten hätten sich insgesamt verschlechtert. Die Zivilgesellschaft stehe unter wachsendem Druck.

Der Bericht zur Rechtsstaatlichkeit bewertet in jedem EU-Staat und bei vier Beitrittskandidaten die Unabhängigkeit der Justiz, die Korruptionsbekämpfung, die Vielfalt der Medien und die Gewaltenteilung. In diesem Jahr wurde erstmals untersucht, wie sich diese Faktoren auf den Binnenmarkt auswirken. Das betrifft etwa öffentliche Ausschreibungen und ihre Überprüfung, die Unabhängigkeit von Kartellbehörden und Streitschlichtungsverfahren.

Die Länderberichte werden von den Europaministern der Mitgliedstaaten in internen Sitzungen diskutiert und von der Kommission für die Prüfung von Zwangsmaßnahmen herangezogen. In bisher einem Fall, Ungarn, wurden Mittel wegen erwiesener Risiken für den EU-Haushalt eingefroren.