Seit 20 Jahren gibt es in Deutschland das Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs. Eine Untersuchung über mehrere Jahre zeigt nun: Wer teilnimmt, senkt das Risiko, an Brustkrebs zu sterben.
Die Reihen-Mammografie, zu der in Deutschland Frauen ab 50 Jahre alle zwei Jahre eingeladen werden, rettet Leben. Die Wirksamkeit derartiger Früherkennungsprogramme war bereits aus Erhebungen in anderen Ländern bekannt: Frauen, die mitmachten, senkten ihr Risiko, an Brustkrebs zu sterben, in den meisten Studien um ungefähr ein Viertel. Für Deutschland gab es bislang hingegen keine umfassende Erhebung.
Screening senkt Sterblichkeitsrisiko um 20 bis 30 Prozent
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das die Röntgen-Untersuchungen genehmigt, hat nun eine Evaluation des Mammografie-Screenings über 13 Jahre hinweg abgeschlossen. Ergebnis: Die deutschen Zahlen bestätigen die bisherigen Erkenntnisse sehr deutlich. Das Screening senkt das Sterblichkeitsrisiko für die Frauen, die teilnehmen, um 20 bis 30 Prozent.
“Sehr konservativ geschätzt”, sagt André Karch, Professor für klinische Epidemiologie an der Universität Münster und einer der Autoren. “Wir haben uns in allen Entscheidungen auf dem Weg zum Ergebnis für eine konservative Variante entschieden. Das ist sicherlich eher das untere Ende des tatsächlich messbaren Effekts.”
Elke Nekolla, Epidemiologin beim Bundesamt für Strahlenschutz, illustriert das Ergebnis mit einer Rechnung: “Von 1.000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die nicht zur Früherkennung gehen, sterben 19 irgendwann an Brustkrebs. Von 1.000 Frauen, die zehn Jahre lang jedes zweite Jahr teilnehmen, sterben 13 bis 15. Also werden vier bis sechs gerettet.” Das sei ebenfalls konservativ geschätzt.
“Vier bis sechs Frauen von 1.000 werden durch das Screening gerettet“
Die Studie greift auf die Daten von insgesamt bis zu zehn Millionen Frauen aus Deutschland zurück. Die Autorinnen und Autoren haben dabei versucht, so viele Verzerrungen wie möglich herauszurechnen. Zum Beispiel den Effekt, dass Frauen, die zur Früherkennung gehen, im Schnitt gesundheitsbewusster leben, also möglicherweise auch anderweitig ihr Sterblichkeitsrisiko senken. Das macht die Studie besonders aussagekräftig, sagt Epidemiologe André Karch: “Was am Ende rauskommt, ist innerhalb des Erwartungsbereichs dessen, was die Allermeisten erwartet hätten. Aber die Evidenz, also die Beweiskraft, ist viel, viel höher als vorher. Deshalb ist das aus unserer Sicht ein Meilenstein.“
Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik des Uniklinikums Erlangen, ist gegenüber dem Ergebnis dennoch ein wenig skeptisch. Er geht davon aus, dass die Evaluation die Auswirkungen der verbesserten Behandlungsmethoden unterschätzt, weil die Daten der Erhebung auch schon wieder ein paar Jahre alt sind: “Wir haben alleine in den letzten fünf Jahren zehn neue Medikamente gegen Brustkrebs dazubekommen.” Das Screening sei wichtig, aber nur “ein Puzzlestück”, sagt Beckmann.
Nut etwa die Hälfte der deutschen Frauen nimmt teil
Bislang folgt ungefähr die Hälfte der Frauen den schriftlichen Einladungen zum kostenlosen Screening. Ein Grund dagegen: Die Brust wird dabei geröntgt und dazu gequetscht. Das tut nicht nur weh, sondern bedeutet auch Strahlenbelastung.
Zweitens: Es besteht die Möglichkeit eines falsch positiven Befunds. Das bedeutet, bei der ersten Untersuchung wird eine Auffälligkeit festgestellt, die sich im Rahmen der weiteren Abklärung als harmlos entpuppt. Das passiert gar nicht selten und jagt vielen Frauen völlig unnötig Angst ein, bis ungefähr eine Woche später das entlastende Ergebnis vorliegt.
Drittens: Überdiagnostik. Das heißt, die Frau hat tatsächlich einen Tumor, der aber so langsam wächst, dass er ihr zu Lebzeiten nie gefährlich geworden wäre.
“Für viele Frauen ist Krebs Krebs. Auch wenn die Prognose vielleicht extrem günstig ist, kann dieser Befund trotzdem eine große Belastung darstellen”, sagt Tanja Fehm, gynäkologische Onkologin und Direktorin der Universitäts-Frauenklinik in Düsseldorf.
“Jede Frau kann für sich selbst entscheiden”
Tanja Fehm sieht die Nachteile des Screenings, doch für sie überwiegen die Vorteile trotzdem bei Weitem. Das Problem einer falsch positiven Diagnose zum Beispiel gebe es bei jedem Arztbesuch. “Wenn man etwas untersucht, kann es immer sein, dass man etwas Auffälliges findet, das man dann erst mal abklären muss.”
Sie würde jede Frau motivieren, zum Screening zu gehen, sagt Fehm, verweist aber auch ausdrücklich auf die Autonomie jeder Einzelnen: “Jede Frau kann für sich selbst entscheiden: Ist für mich wichtig, dass eine Krebserkrankung früh erkannt wird und dann deutlich besser behandelbar ist? Oder stehen für mich eher die Nachteile im Vordergrund, nämlich die falsch positiven Diagnosen und die Überdiagnostik?” Deswegen gebe es entsprechende Broschüren, die genau darüber aufklären. “So dass dann, wie man es immer so schön nennt, die Frauen auch eine informierte Entscheidung treffen können.”
Die Zahlen aus der Evaluation des BfS sind jedenfalls eindeutig: Die Frauen ab 50 Jahren, die zwischen 2009 und 2018 regelmäßig zum Screening gingen, haben ihr Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um 20 bis 30 Prozent gesenkt. Konservativ gerechnet.