In Essen haben Spezialkräfte der Polizei am frühen Mittwochmorgen einen 27 Jahre alten Mann festgenommen, der einen dschihadistisch motivierten Terroranschlag geplant haben soll. Zunächst waren Internetbetrugsermittler dem ursprünglich aus Bosnien-Hercegovina stammenden Mann auf die Spur gekommen, weil er beim Handel mit hochpreisigen Elektronikgeräten größere Geldsummen ergaunert haben soll.
Der Mann soll teure Geräte etwa der Marke Apple bestellt, nicht bezahlt und umgehend weiterverkauft haben. Nach bisherigen Erkenntnissen sei dadurch bereits ein mindestens fünfstelliger Betrag zusammengekommen, hieß es von der Generalstaatsanwaltschaft. Der Verdacht stehe im Raum, dass mit dem Geld Anschläge finanziert werden sollten.
Wohl Attacke auf Menschenmenge geplant
Wie weit vorangeschritten mögliche Anschlagspläne waren, war zunächst unklar. Der Mann soll im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sein, sich also legal in Deutschland aufhalten und im Kindesalter gemeinsam mit seiner Mutter eingereist sein. Mit Staatsschutzdelikten ist der Verdächtige bisher nicht aufgefallen, wohl aber mit Gewalt und Drogendelikten.
Dem Islamismus soll sich der junge Mann erst vor wenigen Monaten zugewandt haben. Die Ermittler gehen Hinweisen nach, dass der Fokus des Mannes schon seit einiger Zeit auf der verzweifelten Lage der Palästinenser im Gazastreifen lag, für die er nicht nur Israel, sondern die westlichen Staaten insgesamt in der Mitverantwortung sah. Schon seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 registrieren die Sicherheitsbehörden, dass es in salafistischen Kreisen verstärkt zu Radikalisierungen kommt.
Aus Sicherheitskreisen erfuhr die F.A.Z., dass der Mann konspirativ und sehr planmäßig vorgegangen sein soll und schon seit geraumer Zeit von verdeckten Kräften observiert worden war, zumal die Behörden dann auch einschlägige geheimdienstliche Hinweise erhielten. Jeder Schritt des Verdächtigen sei überwacht worden. Man sei auch auf Anschlagsszenarien gestoßen. So soll der Mann eine Attacke auf eine größere Menschenmenge mit einem Fahrzeug, mit Messern oder Schusswaffen geplant haben. Da sich die Pläne des Verdächtigen zur Beschaffung von Waffen konkretisiert hätten, habe man sich nun zum Zugriff entschlossen.
Razzien fanden nicht nur in Essen stett
Zeitgleich mit der Razzia in Essen durchsuchten die Ermittler seit den frühen Morgenstunden auch in weiteren nordrhein-westfälischen Städten mehrere Gebäude möglicher Komplizen und Mitwisser. Diese Personen – zu denen auch die Lebensgefährtin des Mannes zählt – galten zunächst nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugen.
Ob sie vom mutmaßlich terroristischen Verwendungszweck der Gelder Bescheid wussten, war zunächst unklar. Ein Teil der Personen soll aber am betrügerischen Handel mit den Elektronikgeräten beteiligt gewesen sein. Gegen sie besteht der Anfangsverdacht des Betrugs. Die Polizei war am Mittwoch parallel zur Razzia in Essen auch in Dortmund, Düsseldorf und Soest im Einsatz.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Nachmittag in Düsseldorf: „Was zuerst nach Betrug im Internet aussah, entpuppte sich als ein Fall der möglichen Terrorismusfinanzierung.“ Die Polizei habe hochprofessionell und entschlossen gehandelt und eine mögliche Terrortat gestoppt, bevor es auch nur eine Sekunde zu spät sein könnte. „Wer bei uns Terrorpläne verfolgt, muss damit rechnen, dass morgens das SEK vor der Tür steht – und zwar rechtzeitig“, sagte Reul. „Da draußen laufen Leute herum, die unsere Werte und unsere Art zu Leben verachten und zerstören wollen.“ Die Gefahr gehe nicht nur von den selbstradikalisierten Einzeltätern aus, die innerhalb von wenigen Tagen eine Anschlagsabsicht entwickelten, sondern oft von Personen, die Anschläge über einen längeren Zeitraum planen.