Kruzifix in Gymnasium hat Glaubensfreiheit verletzt

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Ein Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums hat die Glaubensfreiheit von zwei Schülerinnen verletzt. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Die Weigerung der Schule, das Kreuz zu Schulzeiten der Klägerinnen zu entfernen, war daher rechtswidrig. Das Gericht sieht – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen sogenanntem „Kruzifixbeschluss“ – in der Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit.

Wichtig für das Gericht waren sowohl die Position als auch die Größe und die Gestaltung des Holzkreuzes. Nicht nur ist es vergleichsweise groß (150 Zentimeter hoch und 50 Zentimeter breit), es ist auch im Haupteingangsbereich der Schule an einem Stützpfeiler neben der Haupttreppe angebracht und zeichnet sich überdies durch eine explizite Darstellung des gekreuzigten Jesus aus.

Söder verpflichtete alle Schulen außer Gymnasien

Die Klägerinnen seien, so das Gericht, wegen der Schulpflicht „zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert“ gewesen. Ob die Anbringung eines Kruzifixes durch ein vom Bayerischen Landtag verabschiedetes Gesetz hätte legitimiert werden können, ließ das Gericht offen. Denn für Gymnasien gebe es keine gesetzliche Regelung für das Anbringen von Kruzifixen.

Gymnasien sind darüber hinaus auch nicht vom berühmten „Kreuzerlass“ des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) erfasst. Dieser wurde Ende 2023 vom Bundesverwaltungsgericht gebilligt, mit der Begründung, die Kläger müssten die flüchtige Konfrontation mit solchen Symbolen aushalten. Der Erlass gilt aber verpflichtend nur für staatliche Behörden. Die in der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats verankerte Regel besagt, dass in jedem bayerischen Dienstgebäude ein Kreuz anzubringen sei – gut sichtbar im Eingangsbereich. Dies aber „kann für Schulen nicht gelten“, urteilen die Richter. „Staatliche Schulen unterscheiden sich von anderen Dienststellen und Behörden des Staates deutlich“, etwa wegen der geltenden Schulpflicht und des Erziehungsauftrags.

Die jetzigen Klägerinnen, die mittlerweile das Gymnasium mit dem Abitur verlassen haben, wandten sich zudem gegen den vom Schulleiter eingeführten Alternativunterricht, der während der dreimal im Jahr stattfindenden Schulgottesdienste von denjenigen, die an diesen nicht teilnehmen wollten, verpflichtend zu besuchen war. Hier erachtete das Gericht die Pflicht zur Teilnahme als rechtmäßig. Zwar könne der Besuch von Schulgottesdiensten den Schülerinnen und Schülern nicht vorgeschrieben werden. Dies ergebe sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Freiwilligkeit des Besuchs. Daraus könne jedoch kein Anspruch abgeleitet werden, für die Dauer des Schulgottesdienstes vom Unterricht befreit zu werden.

Keine Auswirkungen auf andere Kreuze in Bayern

Das Urteil gilt aber nur für den Einzelfall und hat keine bindenden Auswirkungen auf andere Kreuze an bayerischen Gymnasien. Innerhalb eines Monats kann Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegt werden.

Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek, erklärte nach dem Urteil: „Gerichtliche Entscheidungen sind zu respektieren – das gilt selbstverständlich auch in diesem Fall.“ Zugleich drückte er sein Bedauern über die Entscheidung aus. „Das Kreuz steht nicht nur für den christlichen Glauben, sondern auch für Werte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verantwortung füreinander“, so Holetschek in einer Stellungnahme.

Zugleich betonte Holetschek dass die Grundsatzentscheidung der Bayerischen Staatsregierung zur Anbringung von Kreuzen in staatlichen Gebäuden durch das Urteil nicht infrage gestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausdrücklich die besonderen Umstände des Einzelfalls betont. „Daraus ergibt sich keine Notwendigkeit, allgemeine Vorschriften oder Verwaltungsregelungen zu ändern.“