Brosius-Gersdorf ist keine linksradikale Aktivistin

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Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Hoffmann hat die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf verteidigt und zu ihrer Wahl aufgerufen. „Frau Brosius-Gersdorf ist keine Kandidatin der Union, aber eine respektable Kandidatin der SPD – und ganz sicher keine linksradikale Aktivistin“, sagte er der F.A.Z.

Die Wahl von Brosius-Gersdorf sei „kein Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens“. Sie habe „unmissverständlich in verschiedenen juristischen Schriften klargestellt, dass das Grundrecht auf Leben nicht erst ab Geburt gilt, sondern bereits dem Embryo zusteht“.

Menschenwürde und Recht auf Leben

Hoffmann sagte zudem, die Potsdamer Professorin habe ebenso klargestellt, je länger eine Schwangerschaft bestehe, desto stärker wiege das Recht des Ungeborenen auf Austragung bis zur Geburt. „Diese Aussagen sind so eindeutig, dass wir Frau Brosius-Gersdorf mittragen können, um unseren eigenen bürgerlichen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht durchzusetzen“, sagte der CSU-Landesgruppenchef.

Mit seiner Äußerung scheint Hoffmann zu versuchen, die juristische Diskussion von Artikel 1 des Grundgesetzes – der Menschenwürdegarantie – auf Artikel 2 des Grundgesetzes – das Recht auf Leben – zu verlagern. Etliche Kritiker von Brosius-Gersdorf stören sich aber an der Menschenwürdedefinition der Kandidatin. Dies gilt auch für Teile der CSU: So hatte der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, zu Beginn der Woche den „Nürnberger Nachrichten“ gesagt, dass er „beim Thema Lebensschutz“ manche Aussagen von Brosius-Gersdorf – etwa zur „Abwägungsfähigkeit der Menschenwürde“ – aufgrund seines christlichen Wertefundaments für „schwierig“ halte. Für Holetschek stehen Menschenwürde und Lebensschutz in einem Zusammenhang.

Was sagt Karlsruhe?

So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht: Im Abtreibungsurteil von 1993 schreiben die Richter, das Grundgesetz verpflichte den Staat ungeborenes Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht habe „ihren Grund in Art. 1 Abs. 1“ (also der Menschenwürde), „ihr Gegenstand und – von ihm her – ihr Maß“ würden durch das Recht auf Leben näher bestimmt. Für Brosius-Gersdorf sind hingegen Menschenwürde- und Lebensschutz „rechtlich entkoppelt“. Dies führt zu einer weniger starken Rechtsposition des Ungeborenen, da die Menschenwürde seinem Lebensrecht zusätzliches Gewicht verleiht.

Über die am Freitag anstehende Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht ist im politischen Berlin eine heftige Debatte entbrannt. Zum einen, weil die schwarz-rote Koalition auch mit den Stimmen der Grünen nicht allein die nötige Zweidrittelmehrheit zusammenbekommt. Zum anderen, weil es vor allem mit Blick auf die Positionen der von der SPD-nominierten Potsdamer Professorin Brosius-Gersdorf es auch innerhalb der Union Widerstand gibt. Die Union schlägt den bisherigen Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner, vor. Die SPD hat neben Brosius-Gersdorf noch Ann-Katrin Kaufhold nominiert.

Am Mittwoch sagte Bundeskanzler Friedrich Merz im Bundestag, er setze darauf, dass es bei der Abstimmung im Bundestag eine Mehrheit geben werde. „Ich hoffe, dass sich der Deutsche Bundestag als entscheidungsfähig erweist“, sagte er in der Regierungsbefragung im Bundestag. „Denn wenn wir es nicht tun, würde das Recht zur Wahl auf den Bundesrat übergehen. Ich glaube nicht, dass wir das tun sollten.“

Das Parlament sollte stark genug sein, eine Mehrheit zu finden. Auf die Frage der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch, ob er es vor seinem Gewissen verantworten könne, Brosius-Gersdorf zu wählen, sagte Merz „Ja“.