Keine Pflicht zur Entfristung von Post-Doc-Stellen

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Eine größere Blamage hätte die amtierende Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sich kaum einhandeln können. Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde der Humboldt-Universität zu Berlin am Donnerstag stattgegeben: Konkret ging es um die im Hochschulgesetz aus dem September 2021 stammende Verpflichtung der Hochschulen des Landes Berlin, allen befristet auf einer Qualifikationsstelle beschäftigten promovierten Mitarbeitern mit Abschluss eines Arbeitsvertrags eine unbefristete Anschlussbeschäftigung zuzusagen, wenn sie ihr Qualifikationsziel erreicht haben.

Mit dieser Regelung hat der rot-rot-grüne Senat, der das Gesetz verabschiedet hatte, aus Sicht des Verfassungsgerichts die Gesetzgebungskompetenz des Bundes missachtet; er habe sich eine Gesetzgebungskompetenz angemaßt, die er nicht besitzt. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit festgestellt. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung auch für die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), die von der Ampel abgebrochen wurde.

Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD)
Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD)Picture Alliance

Die heutige Wissenschaftssenatorin Czyborra war damals gegen den Widerstand der Unionsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus für diese Neuerung eingetreten und setzte sie gemeinsam mit der Linken im rot-rot-grünen Senat durch. Die Pflicht zur Anschlussbeschäftigung sollte allerdings erst ab 1. Januar 2026 greifen.

Die frühere Präsidentin der Humboldt-Universität Sabine Kunst (SPD) war damals aus Protest zurückgetreten. Ein Jahr später hatte Berlin die Anwendung der Regelung zunächst ausgesetzt, die Übergangsregelung immer wieder verlängert, bis Czyborra sie im Herbst vergangenen Jahres geräuscharm kassierte. Ihren Sinneswandel begründete sie 2024 mit verfassungsrechtlichen Bedenken, die Sparzwänge des Landes dürften ihr übriges getan haben. Mittlerweile liegt ein Gesetzentwurf der schwarz-roten Koalition in Berlin vor, in dem die Entfristungsvorschrift wegfällt.

Katastrophale Auswirkungen

Für junge Wissenschaftler haben die vergangenen vier Jahre jedoch katastrophale Auswirkungen gehabt. Die meisten Professoren haben darauf verzichtet, Mitarbeiter anzustellen – aus Angst davor, sie alle entfristen zu müssen. Der Alleingang der Wissenschaftssenatorin ging also zu Lasten der jungen Wissenschaftler.

Der heutige Bundestagsabgeordnete und frühere hochschul- und forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Adrian Grasse sagte der F.A.Z., die Verantwortlichen von SPD, Linken und Grünen müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, „sehenden Auges nicht nur den Hochschulen, sondern dem gesamten Wissenschaftsstandort Berlin durch die entstandene Rechtsunsicherheit in den zurückliegenden Jahren erheblichen Schaden zugefügt zu haben“. Mit der Entscheidung habe das Verfassungsgericht nun auch den Weg bereitet für eine Entscheidung über die noch anhängige Klage der Berliner CDU und FDP gegen das Berliner Hochschulgesetz vor dem Landesverfassungsgericht.

Eine Verletzung der grundgesetzlich geregelten Wissenschaftsfreiheit sieht Karlsruhe insofern, als Hochschulen die Möglichkeit haben müssen, „eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und welche promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter sie nach erfolgreichem Abschluss der Qualifikationsphase weiter beschäftigen“. Wenn Qualifikationsstellen in erheblichem Umfang durch Dauerstellen ersetzt werden müssten, werde der Wettbewerb um Professoren behindert, „die regelmäßig ihr wissenschaftliches Personal ‚mitbringen‘ oder selbst aussuchen wollten“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Pflicht zur Anschlussbeschäftigung hat in den Augen des Gerichts „eine Negativauslese des Personals zur Folge, das sich im Wettbewerb um wissenschaftliche Spitzenplätze nicht durchsetzen kann. Es behindere die Bestenauslese und damit „den Erhalt und weiteren Ausbau des Exzellenzstatus der Universität“. Außerdem seien erhebliche Mehrkosten damit verbunden.

Das Land Berlin könne sich nicht auf eine Gesetzgebungsbefugnis berufen, „weil der Bundesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht genutzt hat und im WissZeitVG abschließende Bestimmungen zur Dauer und Beendigung der Arbeitsverhältnisse der zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter mit einer Promotion getroffen hat“. Dass die bundesrechtlichen Befristungsregelungen abschließend seien, ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die Bundesregelung hat damit Sperrwirkung für die Gesetzgebungskompetenz der Länder. „Die Sperrwirkung verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, so dass sie nichtig sind beziehungsweise werden“.

Der Bonner Rechtswissenschaftler Klaus Ferdinand Gärditz sagte der F.A.Z., der „Beschluss des Erstens Senats kam erwartet“. Im Rahmen der Eingriffsprüfung zeige das Bundesverfassungsgericht „mit erfrischender Klarheit, dass es sich bei Verpflichtungen zu einer dauerhaften Weiterverwendung von Nachwuchs um einen erheblichen Eingriff in die von der Wissenschaftsfreiheit geschützte Ausbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses handelt“.