Dämpfer für Klage gegen X

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Am Donnerstag hat der 10. Zivilsenat des Berliner Kammergerichts unter Vorsitz des Richters Oliver Elzer die Frage verhandelt, ob deutsche Gerichte zuständig sind, wenn Unternehmen auf die Entfernung strafbarer Inhalte in sozialen Netzwerken klagen, die ihren rechtlichen Sitz für Europa in Irland haben. Eigentlicher Gegenstand der Klage waren sechs Beiträge auf der Plattform X mit antisemitischen und rassistischen Inhalten. Drei Klägerinnen, darunter die Geschäftsführerin des Vereins Hate Aid, Josephine Ballon, hatten auf Entfernung der Posts geklagt.

Am Landgericht Berlin war die Klage zuvor gescheitert. Da die Klägerinnen nicht nachweisen konnten, dass sie als Verbraucherinnen gegen X klagten, sondern das Gericht sie als unternehmerisch tätig sah, wäre nach EU-Recht ein irisches Gericht für einen Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen zuständig, hieß es damals. Zwei der Klägerinnen legten deshalb Berufung vor dem Kammergericht ein, wobei eine Klage aus formellen Gründen nicht angenommen wurde. Übrig blieb die Klage von Josephine Ballon.

Richter Elzer gab gleich zu Beginn der Verhandlung in einer vorläufigen Einschätzung zu verstehen, dass er die Ansicht des Landgerichtes teile und wegen der formell fehlenden Zuständigkeit wenig Aussicht auf Erfolg für die Klage sehe – wenngleich er inhaltlich Sympathie dafür äußerte. Während der Verhandlung waren die beanstandeten Beiträge auf einem Bildschirm im Gerichtssaal zu sehen. Einer verharmloste etwa das Vernichtungslager Auschwitz. „Wahrscheinlich sollte man auch dagegen vorgehen“, sagte Elzer über die Beiträge.

Zuständigkeit liegt wohl in Dublin

Der Senat habe sich auch mit den Inhalten befasst. Elzer wollte aber am Mittwoch nicht durchblicken lassen, in welche Richtung eine Entscheidung gegangen wäre. Denn bevor das Gericht eine solche Einschätzung abgeben hätte können, war zunächst die Zuständigkeit zu klären – und die sah Elzer eher in Dublin als in Berlin.

Zwar hörte der Senat noch weitere Argumente der Klägerin Ballon und des Anwalts Torben Düsing von der Kanzlei Preu Bohlig an, zeigte sich aber nicht überzeugt. Zur Basis hatten Ballon und Düsing genommen, dass Ballon ein Konto bei X unterhalte und damit als Verbraucherin ein vertragliches Verhältnis mit X eingegangen sei. Daraus ergäbe sich eigentlich eine Schutzpflicht von X, strafbare Inhalte müssten entfernt werden. Da X dieser Pflicht nicht nachgekommen war, machte sich die Plattform angreifbar.

Verbraucher oder Unternehmen?

Elzer begründete seine vorläufige Einschätzung, Ballon in diesem Fall nicht als Verbraucherin, die ein Recht auf eine Verhandlung in Deutschland hätte, anzuerkennen damit, dass sowohl ihr Auftritt bei X als auch die Begleitung der Klage durch Hate Aid mit Pressemitteilungen und professionellen Fotoshootings einen unternehmerischen Eindruck vermittelten. Hate Aid verfolge damit eine Agenda gegen X, die ein privater Verbraucher so wahrscheinlich nicht verfolgen würde. Das Gericht habe vernünftige Zweifel daran, dass Ballon eine Verbraucherin sei, sagte Elzer.

Ein Urteil wurde am Mittwoch nach der Verhandlung noch nicht verkündet, aber eine Abweisung der Klage scheint wahrscheinlich. Im Nachgang sagte Ballon der F.A.Z.: „Wir prüfen die Nichtzulassungsbeschwerde um möglicherweise die Frage der internationalen Zuständigkeit noch zum BGH zu tragen.“ Damit solle der Klageweg für Rechtsverletzungen in sozialen Medien leichter möglich gemacht werden. „Eine Klage in Irland bedeutet ein Kostenrisiko von bis zu 300.000 Euro.“ Der Rechtsweg für Einzelpersonen werde so erheblich erschwert. Das spiele den sozialen Netzwerken in die Hände, die sich dadurch darauf verlassen könnten, dass sich niemand wehrt.

Die Gegenseite, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Langen von der Kanzlei White & Case, verwies während der Verhandlung nur auf die schon am Landgericht vorgebrachten und am Kammergericht ebenso eingereichten formellen Argumente gegen die Klage, die nicht weiter auszuführen waren. Auch nach der Verhandlung wollte Langen der F.A.Z. keine Stellungnahme geben.