Deutschland hat nach den Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz den Vereinigten Staaten angeboten, „zusätzliche“ Einheiten des amerikanischen Flugabwehrsystems Patriot „aus den USA zu erwerben, um sie der Ukraine zur Verfügung zu stellen“. Er habe in der vergangenen Woche mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump darüber gesprochen und ihn gebeten, diese Systeme zu liefern, sagte Merz während einer Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Rom am Donnerstag. Jetzt werde verhandelt, die Frage sei „nicht endgültig entschieden“. Er habe den Eindruck gewonnen, dass die Amerikaner meinen, die Patriots „selbst“ zu brauchen.
Trump hatte zuvor angekündigt, der Ukraine weitere Patriots zu liefern. Die Details des überraschenden Angebots blieben allerdings zunächst unklar. Nach Darstellung des „Wall Street Journal“ hat er das amerikanische Verteidigungsministerium angewiesen, die Lieferung einer weiteren Einheit zu prüfen. Einem anderen Pressebericht zufolge erwägt er zugleich, dass ein zweites solches System auf Kosten Deutschlands und anderer Verbündeter von Amerika in die Ukraine gehen soll.
Wie die F.A.Z. erfuhr, haben diese Berichte in Berlin eine gewisse Verwirrung ausgelöst. Aus deutscher Sicht war unklar, ob Amerika tatsächlich eine Patriot-Einheit auf eigene Kosten liefern will, oder ob nach Trumps Vorstellungen beide Systeme von Deutschland und eventuell anderen Verbündeten bezahlt werden müssten. Es hieß, man hoffe aus Amerika Aufklärung zu bekommen. Merz sagte in Rom, seine „Botschaft“ an Trump sei nun: „Der amerikanische Präsident sollte bei uns bleiben. Dies ist die richtige Seite der Geschichte.“
Von der Leyen für EU-Aufnahme der Ukraine
Eine weitere „Botschaft“ richtete Merz an die Slowakei. In seiner Rede in Rom wich er von seinem Manuskript ab und forderte Ministerpräsident Robert Fico in scharfen Worten auf, seinen Widerstand gegen härtere Sanktionen gegen Russland aufzugeben. Er stellte fest, die EU bereite gerade ihr 18. Sanktionspaket vor, aber es gebe „einen Staat“, der noch fehle. Er fügte hinzu: „Ich fordere die Slowakei und ihren Ministerpräsidenten dringend auf, den Weg freizugeben.“
Die Slowakei sperrt sich dagegen, und Berlin wird ungeduldig mit Ministerpräsident Fico. Man versteht zwar, dass der sich vor wirtschaftlichen Nachteilen durch neue Sanktionen fürchtet, und Merz hat mit ihm auch über mögliche Lösungen gesprochen. Jetzt aber scheinen die Fronten verhärtet, und in Berlin gilt Fico als unberechenbar.
Der Konflikt betrifft auch die Aufnahme der Ukraine in die EU. Zusammen mit Ungarn versucht die Slowakei diesen Prozess zu bremsen und die Eröffnung von Verhandlungskapiteln für den versprochenen Beitritt hinauszuzögern. Schon wird diskutiert, die Aufnahmeprozesse der Ukraine und der Republik Moldau, die eigentlich parallel laufen sollten, zu entkoppeln, damit Moldau nicht durch den ungarisch-slowakischen Widerwillen gegen Kiew ausgebremst wird. Die Ukraine möchte das auf jeden Fall verhindern.
Merz sagte nun in Rom, er unterstütze „die Ukraine vollständig auf ihrem Weg zur EU-Mitgliedschaft.“ Er wurde dabei von der Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, unterstützt. Die hob hervor, Kiew verwirkliche gerade „Reform nach Reform“. Das sei „beeindruckend“. Die Ukraine „liefere“, und jetzt müsse die EU das auch tun.
An der Wiederaufbaukonferenz in Rom nahmen Vertreter von 70 Staaten, 40 internationalen Organisationen und Tausenden von Unternehmen teil. Das Ziel war, verbündete Regierungen mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft, internationaler Organisationen sowie Gemeinden und Regionen einzubinden, und Reformen in der Ukraine zu unterstützen.
US-Außenminister Marco Rubio meldete sich am Donnerstag aus Kuala Lumpur zu der Frage der Patriot-Lieferung zu Wort. Rubio äußerte nach einem Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, er sehe die europäischen Länder bei der Luftverteidigung der Ukraine in die Pflicht. Das von Russland angegriffene Land brauche zusätzliche Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot und mehrere Länder in Europa würden sie besitzen.
Rubio verwies unter anderem auf Spanien und Deutschland, die ihm zufolge Patriot-Systeme besitzen. Es gebe weitere Möglichkeiten: „Länder, die Patriot-Systeme bestellt haben, die kurz davor stehen, Lieferungen mit diesen zu erhalten.“ Es wäre toll, wenn sich eines dieser Länder bereiterklären würde, die Lieferung stattdessen an die Ukraine zu schicken, sagte Rubio. Um welche Länder es dabei konkret geht, sagte er nicht.