Raus aus dem Büro, hin zu Kunden und Geschäftspartnern in aller Welt – im Alltag deutscher Geschäftsreisender kommt das seltener vor. Die Zahl der Reisen ist niedriger als vor der Corona-Pandemie, zuletzt sank sie sogar noch. „Handelskonflikte und zunehmender Protektionismus bleiben nicht ohne Folgen auf Geschäftsreisen“, sagt Markus Orth, der Chef der Lufthansa-City-Center-Reisebüros. Unter den Auslandszielen gibt es vor allem einen Verlierer: „Die Buchungen für Reisen in die USA sinken.“ Das gelte allerdings nicht für alle Branchen gleichermaßen. „Stärker ist der Rückgang bei Unternehmen, die von Handelsbarrieren stärker betroffen sind, wie in der Automobilbranche“, sagt Orth.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war der deutsche Export in die Vereinigten Staaten im Mai 13,8 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Aus Sorge, von höheren Zöllen erfasst zu werden, waren Warentransporte nach Amerika auf Februar und März vorgezogen worden. Geringeres Neugeschäft führt nun auch zu weniger Reisen. Denn mögliches Neugeschäft wäre mit Unsicherheiten verbunden. Ungewiss ist, welche Zölle deutsche Unternehmen künftig erwarten – bloß ein Basissatz von zehn Prozent auf alle Waren oder weiterhin auch Sonderzölle auf Stahl und Autos?
Der Dämpfer schlägt durch, waren die USA doch ein Ziel, das zuvor eine wesentliche Belebung gezeigt hatte. „Der Rückgang für die USA erfolgt von einem hohen Niveau, das für andere Ziele nach Corona noch nicht erreicht wurde“, sagt Orth. Für China sei man noch weit weg vom Vor-Pandemie-Niveau, und Reisen nach Russland seien mit dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen weggefallen.
„Geschäftsreisen sind Rückgrat des gesamten Tourismus“
Die Lufthansa-City-Center-Reisebüros führen aus historischen Gründen den Namen des deutschen Flugkonzerns, sind mit ihm aber nicht verbunden. Sie sehen in den eigenen Zahlen noch keinen Rückschlag. Die Zahl der angeschlossenen Franchisepartner, die sowohl Urlaube als auch Geschäftsreiseleistungen vermitteln, ist gestiegen. Und zu ihren Geschäftsreisekunden zählen mehr Mittelständler, die weniger einschneidend bei Reisen kürzen als mancher Konzern. Auch wurden im Jahresvergleich Einbußen im Amerikageschäft durch mehr Asien-Geschäftsreisen ausgeglichen.
Die Marktentwicklung beschäftigt Orth dennoch, sie könnte auf das Urlaubergeschäft durchschlagen. „Sollte es zu einer längeren Schwächephase für Geschäftsreisen in die USA kommen, könnte es zu Kapazitätseinschränkungen kommen“, warnt Orth. „Die treffen dann auch Urlauber.“ Dann würden nicht nur die Plätze im Flugzeug in der Business Class knapper, sondern auch in der Economy Class.
„Zu oft wird verkannt, dass Geschäftsreisen das Rückgrat des gesamten Tourismus bilden. Ohne Geschäftsreisen, für die höhere Preise gezahlt werden, gäbe es auch weniger Angebot für Urlaubsreisen“, sagt er. „Ein Drittel der Reisenden in Flugzeugen und Hotels sorgen für zwei Drittel der Umsätze und finanzieren somit die Infrastruktur.“
Dienstreisen weit unter Vor-Corona-Werten
Weniger Geschäftsreisen gibt es nicht erst seit den Zolldebatten. Der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR), in dem Geschäftsreiseverantwortliche deutscher Betriebe organisiert sind, hatte 107,1 Millionen Geschäftsreisen im Jahr 2024 ermittelt. Das waren satte 45 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019, als von Beschäftigten in Deutschland sitzender Unternehmen noch 195 Millionen Reisen angetreten wurden.
Der Rückstand auf die Vor-Pandemie-Werte war schon mal kleiner. Doch die Zahl der Geschäftsreisen ist von 2023 auf 2024 wieder um acht Prozent gesunken. Mit einem Schwenk hin zu Videoterminen lässt sich das kaum erklären. Bemühungen hin zu mehr Kostenkontrolle machen offenbar vor Reiseetats nicht Halt. Gleichwohl zeigt sich bei den Geschäftsreiseausgaben der Unternehmen nicht derselbe Einbruch. Sie lagen 2024 mit 47,2 Milliarden Euro nur 15 Prozent unter dem Wert von 2019.

Die einzelne Reise ist nämlich teurer geworden. Nach VDR-Zahlen stiegen die Kosten auf 439 Euro, vor der Pandemie waren es bloß 312 Euro. „Die durchschnittlichen Kosten je Reise sind gestiegen. Tickets sind teurer“, sagt Orth. Doch auch das ist nur ein Teil der Erklärung. Dazu kommen strukturelle Veränderungen: Weniger Eintagesreisen und eine steigende Bedeutung von Mehrtagesreisen, für die Termine gebündelt werden.“
Weniger unterwegs innerhalb Deutschlands
Zudem sind die Klimafolgenkosten des Reisen ein Punkt, den Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte schreiben, in den Blick genommen haben – mit Folgen für den Preis der einzelnen Reise. “Unternehmen schauen stärker auf Nachhaltigkeit. Bei Privatreisen geht das immer direkt an den Geldbeutel des Einzelnen und hat deshalb keine große Bedeutung“, sagt Orth. Kalkulationen zum CO2-Fußabdruck und Kompensationszahlungen haben in Unternehmen indes einen größeren Stellenwert erlangt. „Bei Geschäftsreisen geht der Trend geht sogar dahin, nicht bloß mit Pauschalwerten zu Nachhaltigkeit zu kalkulieren, sondern die Zahlen auf die Reisen des Einzelnen Mitarbeiters herunterzubrechen“, sagt Orth.
Zum Anstieg des Durchschnittspreises hat auch der statistische Effekt geführt, dass insbesondere kürzere und im Gesamtpreis niedrigere Inlandsreisen weggefallen sind. Branchendaten zufolge machten sie zuletzt nur noch knapp zwei Drittel aller Geschäftsreisen aus. Vor nicht allzu langer Zeit waren es drei Viertel. „Im Ausland sind Kontakte oft nicht so eng, man spricht unterschiedliche Sprachen, da sind Treffen wichtiger“, erklärt Orth, warum der Austausch zwischen Köln und München eher ins Digitale verschoben wird, als der Kontakt zu Geschäftspartnern jenseits der deutschen Grenzen.
Und Inlandstouren sind für Geschäftsreisende zuletzt auch keineswegs einfacher geworden. „Im Inland kommt hinzu, dass das Angebot an Inlandsflügen geschrumpft ist. Auch mit anderen Verkehrsmitteln sind Eintagesfahrten oft nicht mehr darstellbar“, sagt Orth. Inlandsflugverbindungen wurden ausgedünnt, einige sogar ersatzlos gestrichen.
Der Luftfahrtverband BDL hatte jüngst Zahlen veröffentlicht, denen zufolge das Sitzplatzangebot auf Inlandsflüge in den nächsten Monaten bloß 53 Prozent des Wertes auf dem Vergleichszeitraum 2019 erreicht. Auf dezentralen Flugverbindungen, die die Drehkreuze Frankfurt und München weder als Start- noch Landeort haben, ist das Platzangebot gar auf 21 Prozent einstiger Werte geschrumpft. Die Flugbranche führt als Grund stets die hohe Abgabenlast rund um Starts hierzulande an.
Eintagesreisen ohne Übernachtung werden unbeliebter
Teils sind Geschäftsleute auf die Bahn umgestiegen. Doch für größere Distanzen steht die längeren Fahrzeit dem entgegen, erst recht wenn Hin- und Rückfahrt am selben Tag erfolgen sollten und dann auch noch wegen Verspätungen Zeitpuffer eingeplant werden müssen. Diese langen Touren ohne Übernachtung sind auch unter den Geschäftsreisenden selbst unbeliebter geworden.
„Eintagesreisen passen immer weniger zur heutigen Arbeitskultur. Morgens früh hin, abends spät zurück – da ist mittlerweile vielen eine andere Balance zwischen Arbeitszeit und Freizeit lieber“, sagt Orth. „Das kann auch heißen, schon am Vorabend anzureisen, noch Essen zu gehen und am nächsten Morgen ausgeruht die Aufgaben anzugehen.“ Eine grundsätzliche Reiseunlust, um mehr daheim zu sein, sieht er trotz der angesprochenen Debatte über die Balance von Arbeits- und Freizeit aber nicht. „Es ist widerlegt, dass junge Mitarbeiter nicht mehr reisen wollen“, sagt Orth. Die Möglichkeit zu Dienstreisen bleibe ein Kriterium für die Stellenwahl. „Mit dem Unternehmen die Welt kennenzulernen, bleibt für Berufseinsteiger ein Gut.“
Und beim Chef der Lufthansa-City-Center-Reisebüros keimt doch die Hoffnung, dass trotz höherer Reisekosten und dem jüngsten Dämpfer im Amerikageschäft eine Belebung bei Geschäftsreisen naht, wie er aus Gesprächen mit Kunden erfahren hat. Seit dem Regierungswechsel in Deutschland nehme er einen „positiven Stimmungsumschwung“ wahr. Im Juni sei das Buchungsvolumen für Geschäftsreisen schon gestiegen. „Werden Investitionsprogramme umgesetzt, gibt das Impulse für eine wirtschaftliche Grunddynamik. Ich rechne dann mit einer verstärkten Geschäftsreisenachfrage im zweiten Halbjahr, wenn die die Regierung ihre wirtschaftspolitischen Pläne konsequent umsetzt“, sagt Orth.