Was hat es mit den Vorwürfen gegen Brosius-Gersdorf auf sich?

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Pünktlich zum Wahltag der Verfassungsrichter im Deutschen Bundestag hat der österreichische Plagiatssucher Stefan Weber die Dissertation von Frauke Brosius-Gersdorf untersucht. Von einem Plagiat wird man nicht sprechen können, sondern von Textübereinstimmungen und identischen Bewertungen in ihrer Dissertation und der später erschienenen Habilitation ihres Ehemannes. Weber sieht einen „Verdacht auf Kollusion“ und meint damit eine nicht ausgewiesene Zusammenarbeit. „Die Sichtweise der CDU, dass Plagiatsvorwürfe gegen Frau Frauke Gersdorf erhoben wurden, ist falsch“, schreibt Weber.

Frauke Brosius-Gersdorfs Dissertation mit dem Thema „Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip. Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion“ erschien 1997 im Verlag Duncker und Humblot in Berlin. Hubertus Gersdorfs Habilitationsschrift mit dem Titel „Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Eine Studie zur verfassungsrechtlichen Legitimation der wirtschaftlichen Betätigung der Öffentlichen Hand“ erschien aber erst im Jahr 2000 im gleichen Verlag. Beide waren damals schon verheiratet.

Belegt ist, dass die Arbeiten gleichzeitig entstanden sind. So heißt es in der Arbeit Brosius-Gersdorfs, diese habe dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg im Sommersemester 1997 als Dissertation vorgelegen. „Rechtsprechung und Literatur konnten bis zum Juni 1997 berücksichtigt werden.“ Die Habilitationsschrift Gersdorfs hat dem gleichen Fachbereich in Hamburg im Sommersemester 1998 vorgelegen. „Sie befindet sich auf dem Stand von November 1997“, heißt es in der Habilitation. Offenbar sind die Übereinstimmungen in Hamburg nicht aufgefallen, obwohl sie in demselben Fachbereich eingereicht wurden.

Wer hier wessen Textbausteine übernommen hat, ist jedoch unklar. Sicher ist allerdings, dass man Brosius-Gersdorf Unrecht tut, wenn ein Plagiatsverdacht gegen sie geäußert wird. Für die Textübereinstimmungen, die laut Weber auf 17 Prozent des Gesamttextes zutreffen, könnte es drei Möglichkeiten geben: Gersdorf hat von seiner Frau abgeschrieben, sie hat von ihm abgeschrieben oder beide haben zusammengearbeitet, was im Vorwort hätte angegeben werden müssen. Das allerdings ist nicht der Fall.

Weber lässt sich Auftragsrecherchen bezahlen

Weber hat eine ausführliche Analyse der Übereinstimmungen angekündigt. Der umstrittene Plagiatssucher ist spezialisiert darauf, mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen immer dann an die Öffentlichkeit zu treten, wenn bei den entsprechenden Kandidaten Karriereschritte erreicht sind oder anstehen. Vor kurzem hat er Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vermeintliche Plagiate in einem früheren Buch nachweisen wollen.

Zu Unrecht hat er einen Münchner Rechtsmediziner des wissenschaftlichen Fehlverhaltens bezichtigt und sich dafür auch öffentlich entschuldigt. Ob er im Einzelfall von anderen beauftragt wird oder eigenmächtig Untersuchungen anstellt, bleibt offen. Dazu gibt er auch keine Auskunft. Sicher ist indessen, dass er sich Auftragsrecherchen bezahlen lässt. Er selbst rückt die Untersuchung von Brosius-Gersdorfs Dissertation in den größeren Rahmen der Kritik an der Zitierpraxis der Rechtswissenschaften. Dennoch bleibt die Frage, warum er ausgerechnet am Wahltag mit einem Untersuchungsergebnis zu Gersdorf-Brosius an die Öffentlichkeit geht.

Der Luxemburger Plagiatsexperte und Rechtsanwalt Jochen Zenthöfer hat beide Arbeiten verglichen und über Webers Funde hinausgehende Übereinstimmungen entdeckt. Das gilt für Fußnoten, Textbausteine, aber auch Bewertungen. Auch er fragt, wer hier Täter ist und wer Opfer. Er warnt die CDU vor falschen Schlussfolgerungen. „Normalerweise ist es immer so: Gibt es Textidentitäten, ist die früher erschienene Arbeit sauber, denn diese Arbeit war zuerst da“, gibt Zenthöfer zu bedenken.

Ein Beispiel ist folgender Satz, der sich in beiden Arbeiten gleichlautend findet: „Die Gewährleistungsebene betrifft den Prozess der Vermittlung demokratischer Legitimation. Schutzgut ist insoweit das Prinzip der Volkssouveränität, das die Rückführbarkeit jedweder Ausübung von Staatsgewalt auf einen Willensakt des Volkes verlangt.“ Diese Sätze stehen in der Arbeit von Brosius-Gersdorf auf Seite 64, in der von Gersdorf auf Seite 220. Weitere Übereinstimmungen sind leicht zu finden. Die beiden Professoren werden sicher noch zu Webers Funden Stellung nehmen müssen. „Möglicherweise gibt es eine nachvollziehbare Erklärung, etwa, wenn beide zu dem Thema zuvor gemeinsam publiziert hätten. Dann wäre eine Wiederverwertung zulässig. Das muss nun alles in Ruhe geprüft werden“, so Zenthöfer.