Weltbevölkerungstag: Mehr Selbstbestimmung und weniger Kinder

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Stand: 11.07.2025 13:19 Uhr

In einigen Regionen nimmt die Bevölkerung schnell zu, anderswo schrumpft sie. Forschende sagen, die Geburtenrate wäre ausgeglichener, wenn alle Menschen frei entscheiden könnten, wie viele Kinder sie haben wollen.

Ihre fünf Kinder bedeuten Sicherheit, so erzählt es die ägyptische Bäuerin Umm Ahmed. Wenn ein Elternteil krank werde, müssen Söhne oder Töchter bei der Feldarbeit einspringen oder die Tiere füttern. Aus solchen Zwängen heraus bekommen Familien in den afrikanischen Subsahara-Staaten durchschnittlich vier Kinder – auch wenn die Frauen eigentlich weniger gebären möchten. Demografie-Experten prognostizieren zwar, dass die Geburtenrate dort bis 2050 auf unter drei Kinder pro Frau sinkt. Trotzdem rechnen sie noch bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem rasanten Bevölkerungswachstum – von heute 1,2 Milliarden auf dann 3,3 Milliarden Menschen in der Region.

“Das ist die Trägheit der Demografie”, erklärt Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. “Bei einem Durchschnittsalter von unter 30 in diesen Ländern kommen in den nächsten Jahren noch viele junge Mädchen ins gebärfähige Alter. Dann beschleunigt sich das demografische Wachstum.”

In entgegengesetzter Richtung verläuft die Entwicklung ebenso träge: In vielen Ländern Europas werden schon seit Anfang der 1970er-Jahre nur wenige Kinder geboren. “Deshalb fehlen jetzt und auch künftig potenzielle Mütter und Väter.” Der Bevölkerungsrückgang in Ländern wie Deutschland, Italien oder Spanien wird sich damit fortsetzen – zumal  die Geburtenraten bis heute zwischen 1,4 und 1,2 auf sehr niedrigem Niveau liegen.

Wenige Kinder in Europa

Viele Frauen oder Paare in Europa würden gerne mehr Kinder bekommen – halten sich aber wegen fehlender Möglichkeiten zu Kinderbetreuung, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch wegen geringer Einkommen zurück. Laut Umfragen schreckt manche auch die Angst vor Klimawandel und Krieg von der Familiengründung ab.

Der UN-Weltbevölkerungsfonds UNFPA stellt in seinem Jahresbericht 2025 fest, dass fehlende Selbstbestimmung bei der Familienplanung ausgeglichene Geburtenraten verhindert. In den afrikanischen Ländern haben Teenager oft kaum Möglichkeiten, sich ausreichend über Sexualität zu informieren. Viele werden schon mit 16 Jahren oder jünger Mutter.

Die Gesellschaften verwehren unverheirateten Frauen den Zugang zu Verhütungsmitteln, berichtet Angelika Bähr von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. “Teenager-Mütter verlassen aus ökonomischen, aber auch aus gesellschaftlichen Gründen die Schule. Sie werden frühzeitig verheiratet, was in der Regel die Eltern entscheiden. Dann kommt sofort das zweite Kind, und so setzt sich dann die Anzahl der Kinder fort, ohne dass die Frauen wirklich selbst darüber entscheiden können.” Ergebnis: Ein rasantes Bevölkerungswachstum.

Staat hat wenig Einfluss

Staatliche Programme, um die Geburtenrate zu beeinflussen, verfangen meist schlecht oder schlagen sogar ins Gegenteil um. In China zum Beispiel führt die lange von der Regierung propagierte, dann 2015 offiziell beendete “Ein-Kind-Politik” bis heute zu extrem niedrigen Geburtenraten. Demografieexperten rechnen damit, dass sich die Zahl der Chinesinnen und Chinesen von heute 1,4 Milliarden bis 2100 auf 600 Millionen halbieren wird.

Mittlerweile hat Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst – aber auch dort ist ein Ende des Wachstums absehbar. Statt staatlicher Direktiven müssten Regierungen ein familienfreundliches Klima schaffen, dass Frauen und Männern die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben mit Kindern gebe, resümiert Bähr: “Dann ist die Geburtenrate auch mehr oder weniger ausgeglichen – wie zum Beispiel in einigen skandinavischen Ländern.” Dort bekommt jede Frau im Schnitt zwei Kinder, was die Bevölkerung stabil hält.

Vor allem wegen der Entwicklung in China und Indien rechnen die Vereinten Nationen mittlerweile damit, dass die Weltbevölkerung von heute 8,3 Milliarden Menschen auf maximal 10,3 Milliarden in den 2080er-Jahren wachsen wird. Danach soll die Zahl sinken. Wobei für die Erde und ihre Ressourcen auch auf dem Höhepunkt nicht die zehn Milliarden Menschen zum Problem werden, sondern der massenhafte Konsum.

Konsum ist das Problem

Schon jetzt verbraucht die Menschheit Ressourcen von rechnerisch zwei Erden. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung, die überwiegend in den westlichen Industrieländern leben, sind für 50 Prozent des globalen ökologischen Fußabdrucks verantwortlich, die ärmste Bevölkerungshälfte dagegen für zehn Prozent.

Auch am Klimawandel haben die Industrieländer den größten Anteil. Samir K.C. vom Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital in Wien verweist darauf, dass sich das Problem mit wachsender Wirtschaft in den Schwellenländern verschärfen wird. “Der steigende Wohlstand wird dort als Gelegenheit genutzt, einfach mehr zu konsumieren, statt über umweltfreundliche Formen des Konsums nachzudenken”, sagt der Demograf.

Um in Ländern mit Überbevölkerung eine ausgeglichene Geburtenrate zu erreichen, empfiehlt Samir K.C. zwei Maßnahmen: Der einfache Zugang zu Verhütungsmitteln und Bildungsinitiativen: “Frauen mit höheren Abschlüssen bekommen weniger Kinder als solche mit geringer Bildung. Das belegen unsere Daten eindeutig.”