Sanierung von Brücken und Autobahnen: Autobahn GmbH stoppt Ausschreibungen

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Mit dem Sondervermögen für die Infrastruktur sollte auf einmal alles ganz schnell gehen. Tatsächlich passiert erst einmal das Gegenteil: Die Autobahn GmbH des Bundes hat überraschend alle laufenden Ausschreibungen für den Rest des Jahres gestoppt. Damit droht Stillstand bei der Sanierung von Autobahnen, Brücken und Bundesstraßen – obwohl die Bundesregierung von CDU/CSU und SPD das Gegenteil versprochen hat. Erst am Dienstag versprach Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), bei der Brückensanierung das Tempo zu erhöhen.

Anlass für den radikalen Schritt ist der aktuelle Stand der Haushaltsplanung, der gleich mehrere Probleme verursacht. Die Tatsache, dass die Bundesregierung seit Beginn des Jahres nur unter einer vorläufigen Haushaltsplanung wirtschaftet, trifft die Autobahn GmbH besonders hart, weil sie anders als die Deutsche Bahn über keinerlei eigene Einnahmen verfügt. Unter diesem Regime muss die Gesellschaft mit monatlichen Abschlagszahlungen von 70 Prozent des Haushaltsansatzes von 2024 zurechtkommen. Das gilt noch bis zum endgültigen Beschluss des Haushalts 2025, der für den September geplant ist. Nachdem das Kabinett die Haushaltsplanung für das Jahr 2025 im Juni verabschiedet hat, sind jetzt die Haushaltspolitiker der Fraktionen am Zuge.

Bisherige Planung wird mit Sorge betrachtet

Gerade die bisherige Planung sieht die Autobahn GmbH mit Sorge. Danach ist sogar vorgesehen, die Mittel für den Fernstraßenbau, also Autobahnen und Bundesstraßen, im Kernhaushalt um etwa ein Viertel oder zwei Milliarden Euro zu kürzen. Der Fernstraßenbau soll dann einen Ausgleich erhalten durch Mittel aus den Sondervermögen für Infrastruktur und aus dem Etat des Bundesverteidigungsministeriums, der nur noch eingeschränkt der strengen Schuldenbremse unterliegt. Doch die Autobahn GmbH hat auf diese Mittel keinen Zugriff, solange die Bundesregierung noch nicht abschließend über die Verwendung des Sondervermögens entschieden hat.

Die komplizierte Finanzierung über mehrere Töpfe hinweg sorgt für Schwierigkeiten. Völlig unklar sei zum Beispiel, ob die für dieses Jahr vorgesehene Milliarde aus dem Verteidigungsetat tatsächlich im Sinne der bisherigen Planung der Autobahn GmbH ausgegeben werden dürfe, warnt etwa Volker Geyer, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes dbb und Aufsichtsrat der Autobahn GmbH.

Die Autobahnbeschäfigten stünden in den Startlöchern

Als Arbeitnehmervertreter treiben Geyer besonders die Kürzungen im „Rechnungskreis 1“ um, die vor allem das Personal betreffen und die sich bis zum Jahr 2029 auf 2,4 Milliarden Euro summieren. Das betrifft vor allem diejenigen Ingenieure und sonstigen Mitarbeiter, die das Sondervermögen auch auf die Straße bringen sollen, also die Sanierungsprojekte planen und durchführen sollen. „Wenn die finanzielle Planung so bleibt, können frei werdende Stellen nicht mehr besetzt werden“, warnt Geyer. „Das ist ein Irrsinn. So lässt sich der Betrieb nicht aufrechterhalten.“ Er erinnert daran, dass dies völlig dem Ziel der Bundesregierung widerspreche, die Infrastruktur schnell zu sanieren. „Das macht uns fassungslos.“

Die Autobahnbeschäftigten stünden in den Startlöchern und seien hoch motiviert, aber jetzt müssten die notwendigen Mittel auch bereitgestellt werden. Aus dem Verkehrsministerium hingegen kamen beschwichtigende Töne. Jedenfalls die kurzfristigen Probleme würden gelöst, sobald der Haushalt endgültig beschlossen sei. Aber auch Schnieder hat schon eingeräumt, dass noch Lücken klaffen und ab dem Haushalt 2026 der Blick auf den Neubau von Straßen und Schienenwegen gerichtet werden müsse.

Bauindustrie zeigt sich bestürzt

Große Bestürzung macht sich auch in der Bauindustrie breit. Seit Monaten habe man dafür geworben, der Autobahn GmbH kurzfristig zur Überbrückung des haushaltstechnischen Engpasses einen Betrag zwischen 1,3 und 1,5 Milliarden Euro freizugeben, sagt eine Sprecherin des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie. Nun kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Tim-Oliver Müller: „Für 2025 kommt im Bundesstraßenbau keine neue Ausschreibung mehr auf den Markt. Das ist ein Schlag ins Kontor für alle Unternehmerinnen und Unternehmer, die seit Monaten auf Aufträge warten. Es ist ein schwarzer Tag für alle Bürgerinnen und Bürger, die um den Zustand unserer maroden Infrastruktur wissen und die sich einen handlungsfähigen Staat wünschen, der alle Maßnahmen ergreift, seiner hoheitlichen Aufgabe nachzukommen. Wir sehen derzeit leider das Gegenteil.“

Mit einer Entscheidung vor der Sommerpause hätten 70 bis 80 Bauprojekte sofort angestoßen werden können, doch nun gelte: „Das Baujahr 2025 ist ein verlorenes Baujahr, während die Unternehmen seit November 2024 unter der vorläufigen Haushaltsführung und damit unter Auftragsmangel leiden“, sagt Müller. Nun gebe es Kurzarbeit im Brückenbau, während die Bauindustrie immer wieder gefragt werde, ob sie genügend Kapazitäten für die kommenden Investitionen habe.

Sorgen um die tägliche Versorgung beim Gütertransport

Die Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Autobahn GmbH führen auch zu Reaktionen von betroffenen Verbänden: „Deutschland braucht schnellstmöglich eine maximale Infrastruktur-Offensive. Die Modernisierung der Infrastruktur, zentral für unsere Standortattraktivität, muss mit hoher Priorität vorangetrieben werden“, mahnte die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Daher sei es nicht hinnehmbar, dass die Autobahn GmbH aktuell alle Ausschreibungen stoppen musste. Schon vor dem endgültigen Beschluss über den Bundeshaushalt müsse nun die Finanzierung der Autobahn GmbH sofort geklärt werden. Das wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass eine funktionierende und zukunftsfähige Infrastruktur schnellstmöglich realisiert werde.

Für den Bundesverband Gütertransport (BGL) sagte dessen Vorstandssprecher Dirk Engelhardt: „Laut der Prognose des Bundesverkehrsministeriums erwarten wir bis 2051 einen Zuwachs der Güterverkehrsleistung auf der Straße um 54 Prozent. Der Finanzierungskreislauf Straße muss daher jetzt zügig geschlossen werden! Denn nur mit einer verlässlichen Finanzierungsgrundlage kann die Straßeninfrastruktur in Deutschland wieder fit gemacht werden, um weiterhin die tägliche Versorgung von Bevölkerung und Industrie zu gewährleisten.“ Eine Situation wie den jetzigen Ausschreibungsstopp bei der Autobahn dürfe es schlicht nicht geben, sagte Engelhardt. „Der Finanzminister muss hier klare Prioritäten setzen.“