Der höhere Aktienanteil der Unicredit hat keine Auswirkungen auf unsere strategische Ausrichtung oder unsere Ambitionen. Wir fokussieren uns weiterhin auf die Umsetzung unserer „Momentum“-Strategie, die auf profitables Wachstum und Wertsteigerung zielt. Die geschlossene Haltung unserer Stakeholder bestärkt uns darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Der Unicredit-Chef hat mit seinem Schritt deutlich gemacht, dass er nicht von der Commerzbank ablässt. Was heißt das für die Abwehrstrategie?
Auch wenn der Schritt nicht mit uns abgestimmt war, ändert er erstmal nichts. Es gibt also nichts Konkretes, was es für uns zu evaluieren oder „abzuwehren“ gäbe. Wir machen weiter wie bisher, und liefern, was wir versprochen haben. Darin sind wir sehr erfolgreich.
Als früherer Handballer im Hamburger Stadtteil Billstedt wissen Sie, wie wichtig ein guter Abwehrriegel ist. Muss die Commerzbank ihr Abwehrbollwerk nun mit Unicredit als größtem Aktionär im Eigentümerkreis neu justieren?
Eine gute Handballmannschaft ist zunächst einmal danach ausgerichtet, Tore zu erzielen, und Offensive ist die beste Verteidigung. Dass wir die richtige Aufstellung haben, sehen Sie auch unserer aktuellen Platzierung: Unser Aktienkurs hat sich seit September 2024 mehr als verdoppelt und hat sämtliche relevanten Indizes übertroffen.
Die geplante Ausschüttung an die Aktionäre in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen wird als Teil der Abwehrmaßnahmen angesehen. Ist das so?
Das ist keine Abwehrmaßnahme. Der Plan ist Teil unserer Strategie, Wert für alle Stakeholder und damit auch für unsere Aktionäre zu generieren. Dieser Wert entsteht auch dadurch, dass wir Kapital zurückgeben. Wir haben uns vorgenommen, für die kommenden Jahre 100 Prozent unseres Nettoergebnisses nach Abzug der AT-1-Kuponzahlungen (Bank-Kapitalinstrumente) an unsere Aktionäre zurückzugeben. Mit dieser Kapitalrückgabe und mit dem Geschäftswachstum landen wir im Jahr 2028 bei unserer Zielkapitalquote.
Ist der Rückkauf eigener Aktien nicht einfallslos? Sie hebeln damit bei gleichem Gewinn die Eigenkapitalrendite. Ist die Commerzbank wirklich überkapitalisiert?
Wir sind der Meinung, dass sich unsere Kernkapitalquote von derzeit 15,1 Prozent durchaus auf das Ziel von 13,5 Prozent hinbewegen darf, damit die Bank völlig angemessen mit Eigenkapital ausgestattet ist. Und darauf kann man dann auch eine angemessene Rendite erwirtschaften.
Sie schrumpfen mit Aktienrückkäufen die Eigenkapitalbasis. Dabei gibt es so viel Gerede über europäische Wehrhaftigkeit – auch im Banking. Die Commerzbank könnte durch Unicredit Teil eines europäischen Champions sein. Warum sperren Sie sich dagegen? Größe ist im Banking doch wichtig.
Das Argument, große, starke Player nicht nur auf nationaler Ebene, sondern vielleicht auch auf kontinentaler Ebene zu haben, sehe ich durchaus. Gerade im Vergleich zu den wirklich großen Finanzinstitutionen weltweit, ist das ein absolut valider Punkt. Wir brauchen eine Konsolidierung, aber das funktioniert nur, wenn wir eine Bankenunion haben. Und die haben wir noch nicht. Im Kern würde es sich bei einem Zusammenschluss mit der Unicredit daher nur um eine Konsolidierung innerhalb Deutschlands handeln. Es muss schlussendlich für alle Beteiligten einen Sinn ergeben.

Ich habe in den Jahren ab 2009 die Integration der Dresdner Bank in die Commerzbank miterlebt. Bankenfusionen beschäftigen über Jahre hinweg die beteiligten Institute sehr stark intern. Unsere Mitarbeitenden könnten sich dann nicht so intensiv auf die Kunden konzentrieren wie erforderlich.
Ist das Ihre eigentliche Sorge?
Ich hätte keine Angst davor, aber das wäre ganz klar mit Nachteilen für das laufende Geschäft und unsere Stakeholder verbunden. Die deutsche Wirtschaft braucht Impulse für Wachstum und benötigt dafür Banken und Finanzinstitute, die verlässlich finanzieren können. Ist es in dieser Phase sinnvoll, ein oder zwei Spieler quasi für längere Zeit vom Markt zu nehmen und sie auf sich selbst konzentrieren zu lassen? Ich habe meine Zweifel.
Wie müssen wir uns Ihr Doppelleben vorstellen? Einerseits führen Sie als seit Februar amtierender Finanzvorstand einen Abwehrkampf gegen den Großaktionär Unicredit. Und andererseits haben Sie Ihr Tagesgeschäft zu leisten. Wie ist so ein Job mit dieser Doppelrolle?
Ehrlich gesagt empfinde ich das nicht als Doppelrolle. Für mich ist es eine einzige Rolle, die sich vollkommen auf unsere Strategie und deren Umsetzung konzentriert. Wir haben uns eine Wachstums- und Transformationsstrategie gegeben. Darauf liegt meine gesamte Aufmerksamkeit. Die anderen Themen ergeben sich fast von selbst. Mein Job ist es, Finanzvorstand der Commerzbank im laufenden Geschäft zu sein, und das ist mein Fokus.
Aber Ihr Job besteht doch auch darin, mit Investoren zu sprechen, die sich Fragen zur vom Commerzbank-Vorstand geplanten Eigenständigkeit stellen dürften.
In den Investorengesprächen, die ich führe, steht die Strategie ganz klar im Zentrum. Es geht darum, wie wir unsere ambitionierten, aber realistischen Ziele erreichen wollen, wie etwa eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent und eine Cost-Income-Ratio von 50 Prozent. Die Gespräche sind positiv, da wir uns als Bank etwas vorgenommen haben, was wir uns in der Vergangenheit unternehmerisch nicht zugetraut haben. Natürlich werden auch Themen wie Erträge, Kosten, Kapital, Regulatorik und die Marktsituation angesprochen, ebenso wie die unvermeidliche Frage nach Interessenten.
Manche könnten sagen, es ist traurig, dass die Bank sich erst etwas zutraut, wenn jetzt durch Unicredit eine Bedrohung von außen da ist. Wie sehen Sie das?
Die Bank hat sich in den vergangenen Jahren aus eigener Kraft eine starke Position erarbeitet und ist sehr wettbewerbsfähig. Der Impuls, ambitionierte Ziele zu setzen, kommt aus der Bank selbst. Mit dem CEO-Wechsel war der Anlass gegeben, sich als Management mit der Weiterentwicklung der Strategie zu beschäftigen. Seit vergangenem Sommer zeigt sich mehr denn je eine geschlossene Bank, die willens und fähig ist, ihre Ziele zu erreichen.
Vor einigen Jahren gab es mit Cerberus einen ähnlichen Impuls von außen, der jedoch zu Unruhe führte. In der Folge mussten der Vorstandsvorsitzende Martin Zielke und der Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Schmittmann gehen. Warum ist es diesmal anders?
Damals war die Bank in einer anderen Phase, geprägt von den Nachwirkungen der Finanzkrise, einem niedrigen Zinsumfeld und einem Geschäftsmodell im Umbau. Heute haben wir ein stärker kundenorientiertes Geschäftsmodell und eine geschlossene Belegschaft. Wir sind eine mutigere und stärker unternehmerisch geprägte Bank, die sich in einer anderen Ausgangslage befindet.
Damals wartete die Commerzbank, wie auch die gesamte Bankenbranche sehnsüchtig, auf die Zinswende. Die kam dann tatsächlich und ließ den Zinsüberschuss sprudeln. Inzwischen sinken die Zinsen wieder. Machen Sie sich Sorgen um Ihr Geschäft?
Sorgen mache ich mir nicht, aber wir beobachten die Situation genau. Unser Zinsüberschuss wird stabil bleiben, auch wenn wir das Niveau des vergangenen Jahres nicht mehr ganz wieder erreichen werden. Unsere Absicherungsmaßnahmen funktionieren gut, sodass wir zuversichtlich sind. Wir haben das ja auch schon gezeigt und die Ziele für den Zinsüberschuss im Gesamtjahr 2025 im ersten Quartal leicht angehoben.
Simulieren Sie verschiedene Zinsszenarien, um sich vorzubereiten?
Wir haben Spareinlagen, die unsere Kunden im Prinzip fast jederzeit abziehen könnten, und wir haben Kredite langfristig ausgegeben, teilweise noch in der Niedrigzinsphase. Wenn diese Kredite jetzt auslaufen, können wir sie höher verzinst wieder vergeben oder am Kapitalmarkt anlegen. Das gehört zu der Absicherung, die uns am Ende stabiler macht. Denn wir berechnen die Zinsänderungsrisiken mit Modellen und glätten die tatsächlichen Ausreißer bei den Zinsüberschüssen ein Stück weit über die Jahre. Deshalb kann ich Befürchtungen vor einem starken Einbruch im Zinsüberschuss in den kommenden Jahren nicht nachvollziehen.
Sie sagten vorhin, der Vorstand zeige sich mutiger als früher. Richtig mutig wäre, eine große Fondsgesellschaft wie Allianz Global Investors (AGI) zu kaufen und damit den Provisionsüberschuss zu steigern!
Zukäufe sind möglich, aber sie müssen Sinn ergeben für unsere Stakeholder und uns als Bank. Das heißt: Sie müssen zum Geschäftsmodell passen und den Zielen zuträglich sein, also helfen, die angesprochenen 15 Prozent Eigenkapitalrendite und 50 Prozent Cost-Income-Ratio bis 2028 zu erreichen. Wir haben zuletzt in der Vermögensverwaltung immer mal wieder kleinere strategische Zukäufe getätigt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir im Bereich technologische Lösungen bald interessante Zukäufe zu prüfen haben werden.
Wie wollen Sie das Verhältnis der Kosten zu den Erträgen weiter senken?
Wir haben Maßnahmen wie Investitionen in unsere IT-Infrastruktur und Digitalisierung sowie eine Anpassung unserer Personalstruktur angekündigt. Das geht mit einem Bruttoabbau von bis zu 3900 Stellen einher, aber auch mit Verlagerungen und einem Aufbau von Stellen in anderen Bereichen. Gleichzeitig planen wir mit einem jährlichen Ertragswachstum von vier Prozent bis 2028. Diese Schritte sollen uns helfen, die Cost-Income-Ratio von 59 Prozent im Jahr 2024 auf 50 Prozent zu senken.
Würden Sie die Transformation der Commerzbank als abgeschlossen bezeichnen?
In dem dynamischen Wirtschafts- und Technologieumfeld, in dem wir uns bewegen, ist Stillstand keine Option. Für die aktuelle Strategiephase bis 2028 sind wir gut aufgestellt. Wir haben uns klare Wachstumsziele gesetzt und wollen unser Produktportfolio erweitern, um das Wachstum unserer Kunden zu unterstützen.
Wachstum aus eigener Kraft hat Priorität. Wir wollen unseren Kreditbestand bis 2028 jedes Jahr um vier Prozent erhöhen und damit auch das Wachstum unserer Kunden und der Volkswirtschaft unterstützen. Das Produktspektrum erweitern wir dabei beständig. Wir agieren auch im Interbankenmarkt immer stärker mit innovativen Instrumenten wie den Verbriefungen. Das haben wir in den vergangenen Jahren schon getan und forcieren das jetzt noch mehr.
In der Finanzkrise ist man mit innovativen Finanzierungen nicht besonders gut gefahren. Besonders Verbriefungen haben seither einen sehr schlechten Ruf. Jetzt wird wieder sehr dafür getrommelt – weitgehend vergeblich.
Ich habe das Gefühl, dass sich das ändert und der Markt langsam wieder ins Laufen kommt. Die Verbriefungsmärkte sind allerdings immer noch sehr national reguliert. Dadurch fehlt dem Markt die notwendige Tiefe. Investoren sind momentan immer von den jeweils länderspezifischen Verbriefungsstrukturen abhängig. Eine Vereinheitlichung wäre sehr hilfreich für Investoren.
Sie sind nicht die einzige Bank, die Firmenkunden umwirbt. Wie kann man sich in diesem Segment von anderen abgrenzen?
Die Produkte der Banken sind oft ähnlich, aber unser Unterscheidungsmerkmal ist die Intensität der Kundenbeziehung. Wir kennen unsere Kunden und ihre Sektoren seit Jahrzehnten und haben sie durch Höhen und Tiefen begleitet. Diese intensive Marktkenntnis schätzen unsere Kunden sehr.
Das würden viele andere auch genauso von sich behaupten.
Ich sage ganz klar, dass das viele andere so nicht liefern können wie wir.
Die Commerzbank hat lange auf ein schnelles Kundenwachstum im Privatkundengeschäft sogar mit Begrüßungsgeld gesetzt, das sich am Ende für die Bank bei vielen Kunden nicht ausgezahlt hat.
Auf der Privatkundenseite haben wir uns in den vergangenen Jahren schon ganz klar in Richtung einer bewussteren Strukturierung unserer Kundengruppen und einer gezielteren Ansprache bewegt. Wir fokussieren gehobenes Privatkundengeschäft, also Vermögensverwaltung im Private Banking und Wealth Management. Zudem setzen wir mit Comdirect als digitaler Hauptbank und Leistungsbroker auf eine Zwei-Marken-Strategie. Das wird in den nächsten Jahren für uns auch der Kern sein, um den Provisionsüberschuss weiter zu stärken.
Was wäre denn ein vernünftiges Verhältnis von Überschuss im Zinsgeschäft zu Überschuss bei Gebühreneinnahmen und -ausgaben und wie ist das Verhältnis dieser Einnahmequellen im Moment?
Derzeit stehen wir bei zwei Drittel Zinsüberschuss und einem Drittel Provisionsüberschuss. Mit dieser Aufteilung fühlen wir uns komfortabel aufgestellt. Unser Bestreben ist es gleichwohl, die Zinsabhängigkeit noch weiter zu verringern und den Provisionsüberschuss überdurchschnittlich zu steigern. Aber am wichtigsten ist, dass die Einkommensströme stabil sind und auch am Kundeninteresse ausgerichtet sind.
Gibt es Anzeichen für eine Zunahme ausfallgefährdeter Kredite?
Unser Portfolio ist robust, und wir sehen keine unerwarteten Veränderungen. Unsere Risikomanager sind vor Ort und kennen die Kunden und Sektoren gut. Das hilft uns, Risiken im Buch zu steuern.
Ist auf Grund der globalen Unsicherheiten eine Zurückhaltung zu spüren? Sie wollen Kredite gewähren, aber greifen Kunden auch zu?
Wir merken, dass Unternehmen aufgrund von Unsicherheiten wie geopolitischen Spannungen oder Zöllen Investitionen aufschieben. Gleichzeitig sehen wir, dass das Vertrauen langsam zurückkehrt, was sich in steigenden Indizes wie dem Ifo-Index zeigt. Wir erwarten, dass sich dies in den kommenden Quartalen in einer höheren Nachfrage niederschlägt. Allerdings finde ich spannend, dass die Wahrnehmung von ausländischen Investoren eine ganz andere ist. Da wird eher die Frage gestellt, ob Deutschland nicht viel zu sehr unterschätzt, was mit den Investitionspakten alles möglich ist.
Wie viel mehr an Krediten könnte die Commerzbank vergeben? Wie stark sind die zugesagten Linien von den Unternehmen gezogen?
Wir haben in unserem Risikobudget, gemessen an den risikogewichteten Aktiva (RWA) von momentan 173 Milliarden Euro, noch einiges an Luft. Wir wollen die RWA-Nutzung bis 2028 steigern. Für dieses Jahr erwarte ich eine Steigerung der RWA-Nutzung auf 178 Milliarden Euro. Das heißt also wir haben noch einiges an Kapazität zur Verfügung.
Wie sehr stresst Sie gerade der Stresstest der Bankenaufsicht der EZB?
Das ist schon ein großer Aufwand. Alle zwei Jahre müssen wir da durch. Wir haben Teams, die darin sehr erprobt sind und gleichwohl wochenlang damit beschäftigt sind, die Risiken für verschiedene Szenarien zu berechnen. Das ist eine komplexe Übung. Und wir betreiben sie mit großer Ernsthaftigkeit.
Kennen Sie schon das Ergebnis der Commerzbank im Stresstest?
Wir haben die mannigfaltigen Templates mehrfach ausgefüllt und gesendet. Wir kennen Teilergebnisse und warten jetzt auf die Veröffentlichung durch die Aufsicht. Das ist nichts, was mir schlaflose Nächte bereitet.
Und Unicredit? Als Sie im September Ihren Vertrag unterschrieben, um von der Danske Bank in Dänemark zurückzukehren zur Commerzbank, wussten Sie von diesem Angreifer. Haben Sie vertraglich vorgesorgt und schon eine Anschlussverwendung in Aussicht?
Das, was die Commerzbank aus sich heraus leisten kann, finde ich beeindruckend. Als mir die Aufgabe als Finanzvorstand angeboten wurde, die ja auch eine Chance war, mehr Verantwortung zu übernehmen, habe ich nicht lange überlegen müssen. Klar gibt es auch Unsicherheiten. Aber ich denke nicht in Anschlussverwendungen, sondern ich möchte meinen Vertrag hier in ein paar Jahren verlängern.