OP-Roboter operiert erstmals allein an Schweinekadavern

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Stand: 15.07.2025 13:08 Uhr

Ein Roboter hat zum ersten Mal ohne menschliche Hilfe operiert – an Schweinekadavern. Trainiert haben ihn Forschende der Johns-Hopkins-Universität in den USA. Für die Medizin ist das womöglich ein Meilenstein.

Franziska Ehrenfeld

Achtmal hat der Roboter mit dem Namen Surgical Robot Transformer-Hierarchy (SRT-H) einen Teil einer Gallenblasenentfernung an Schweinekadavern durchgeführt. Er hat die Gallenblase vom Rest des Kadavers getrennt, sodass sie hätte entnommen werden können. Dabei hat der Roboter keine Befehle angenommen, sondern selbst Entscheidungen getroffen.

Die Erfolgsquote lag laut den Forschenden bei 100 Prozent. Ihre Ergebnisse haben sie in Science Robotics veröffentlicht.

Der Roboter war bei den OPs zwar durchschnittlich etwas langsamer als ein menschlicher Chirurg, aber er hat sich gleichmäßiger bewegt. Alles in allem sprechen die Forschenden von einem vergleichbaren Ergebnis zu menschlichen Chirurgen.

Studienleiter stammt aus Baden-Württemberg

Studienleiter war Axel Krieger, Maschinenbau-Professor an der Johns-Hopkins-Universität in Maryland in den USA. Krieger ist vor mehr als 20 Jahren aus Baden-Württemberg in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Er und sein Team haben den Roboter mithilfe von manuell beschrifteten Videos trainiert.

Die Forschenden haben dem Roboter also gezeigt, wie Menschen eine Gallenblasen-OP durchführen und ihm gesagt, welcher Schritt gerade gemacht wird. Mithilfe einer Künstlichen Intelligenz haben sie ihn trainiert, diese Schritte automatisch zu erkennen und nachzuahmen.

Selbstständige Roboter-OPs sind Meilenstein

Dirk Wilhelm ist Chirurg am Klinikum Rechts der Isar in München und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie. Er hält die gelungenen Roboter-OPs für einen Meilenstein in der Medizin.

Von vollwertigen Operationen will der Chirurg allerdings nicht sprechen. Denn die Bedingungen von Gallenblasenoperationen bei Menschen seien viel variabler als bei Schweinen, wären für den Roboter also herausfordernder:

Wir sind unterschiedlich groß, wir sind unterschiedlich adipös. Und vor allem sind die Organe, die wir operieren, in der Regel krank. Das heißt, wir rechnen nicht mit einer Gallenblase, die frei im Bauchraum liegt, sondern damit, dass Verwachsungen da sind, dass Entzündungen stattgefunden haben, dass Vernarbungen da sind.

Weitere Tests an lebenden Schweinen geplant

Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass die Versuchsschweine, an denen SRT-H operiert hat, tot waren. Sie waren also nicht durchblutet. Kriegers Team hat die Schweinekadaver deshalb teilweise eingefärbt, um Blut zu simulieren. Das habe der Roboter gut bewältigt. Als nächstes stehen Tests an lebenden Schweinen an.

Das Forschungsteam ist optimistisch, dass auch das funktioniert. Mit seiner Technik will Krieger Chirurginnen und Chirurgen künftig Arbeit abnehmen: “Das ist jetzt der erste Schritt, um mehr Automatisierung in die Chirurgie zu bringen. Wir denken da ein bisschen ans automatische Fahren, wo moderne Fahrzeuge Park- oder Bremsassistenten haben. Sowas möchten wir in der Chirurgie auch.”

Einschränkungen der autonomen Chirurgie

Operationen wie die Entfernung der Gallenblase werden ohnehin schon mithilfe von minimalinvasiven Robotern gemacht und sind hochstandardisiert. Solche Aufgaben autonom durchführen zu lassen, könne die Medizin auch laut Chirurg Wilhelm voranbringen. Gleichzeitig warnt er davor, das Potenzial der Technik zu überschätzen.

Anders als Menschen habe der Roboter kein Ziel vor Augen. Für menschliche Chirurginnen und Chirurgen ist das: eine erfolgreiche Operation. “Man muss auch verstehen, dass wir als Menschen, wenn wir operieren, gelegentlich bewusst Risiken eingehen müssen, um Operationen erfolgreich durchzuführen. Aber diese Taktik oder auch Intention, die einen guten Arzt ausmachen, (…) von einer Maschine zu erwarten – da weiß ich nicht, inwieweit wir da nicht eine Maschine überschätzen”, sagt Wilhelm.

Solch ein Bewusstsein in einer KI abzubilden, sei auch deshalb schwierig, weil Menschen – und damit auch Chirurginnen und Chirurgen – viele Entscheidungen unbewusst treffen.

Außerdem findet Wilhelm, dass zu einer OP mehr als nur der Eingriff gehört: Das Arzt-Patienten-Verhältnis sei wichtig – einerseits dafür, dass die Patientinnen und Patienten Vertrauen haben und andererseits dafür, dass sich die Behandelnden verantwortlich fühlen. Ein Roboter könne das nicht.

Ethische und rechtliche Fragen offen

Laut dem Chirurgen stellen sich auch ethische Fragen: Wollen wir Maschinen das Privileg geben, einen Menschen zu verletzen? Denn rechtlich gesehen stellt eine Operation eine Körperverletzung dar. Und was, wenn etwas schief geht? Wer ist dann verantwortlich?

Roboter-Entwickler Krieger hält die autonome Chirurgie dennoch für unumgänglich. Immerhin würden in Zukunft immer mehr Operationen nötig, weil unsere Gesellschaft altert. Andererseits fehlten medizinische Fachkräfte.

Keine OP ohne medizinisches Fachpersonal

Aber auch Krieger findet, dass Roboter nicht vollkommen allein handeln dürfen: “Wir denken, dass so eine Technik helfen kann, (…) dass der Arzt einfach nur zuschauen und dann eingreifen kann, wenn irgendetwas nicht gut klappt. Das ist die Chance: Dass man die Effizienz erhöht und vielleicht Komplikationen reduziert.”

Ein spezieller Anwendungsfall, bei dem ein Roboter in Zukunft komplett allein operieren könnte, fällt dem Ingenieur aber doch ein: Wenn keine Chirurgin und kein Chirurg in der Nähe sind – etwa bei einem Unfall auf dem Land, wo das nächste Krankenhaus weit weg ist. “Da könnte ein robotischer Arm im Krankenwagen einen Ultraschall machen, um Blutungen zu erkennen und dann vielleicht eine Nadel einsetzen, um die Blutung zu stoppen”, sagt Krieger. So könne der Patient stabilisiert werden, um noch ins Krankenhaus zu kommen. “Aber im Krankenhaus wollen wir, in vorhersehbarer Zeit, auf keinen Fall Chirurgen ersetzen.”