Donald Trump lässt in diesen Tagen kaum eine Gelegenheit aus, sich über Jerome Powell zu beklagen. Der US-Präsident hat Powell in seiner ersten Amtszeit zum Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve gemacht, aber heute attackiert er ihn unentwegt. Er hat ihn als „Vollidioten“, „Hohlkopf“ und „offensichtlichen Trump-Hasser“ beschimpft. Trump findet, Powell müsste die amerikanischen Leitzinsen viel schneller und deutlicher senken, um damit die US-Wirtschaft anzukurbeln und dem Staat Zinsausgaben zu sparen.
„Er kostet unser Land viel Geld“, sagte Trump vor wenigen Tagen. Der Präsident hat mit dem Gedanken gespielt, Powell zu entlassen und ihm auch nahegelegt, von selbst zurückzutreten. Der Fed-Chef will Trump diesen Gefallen aber nicht tun. Er gibt sich nach außen hin unbeirrt und hat deutlich gemacht, dass er sich mit Zinssenkungen Zeit nehmen will. Er hat auch gesagt, er habe keinerlei Absicht, seinen Posten vor dem Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 aufzugeben.
Nun aber hat Trump in seinem Kampf gegen Powell eine neue Front eröffnet: Er versucht, dem Notenbankchef aus einem Bauprojekt einen Strick zu drehen. Es geht um die Renovierung der Fed-Zentrale in Washington, die wohl deutlich teurer sein wird als ursprünglich geplant. Die Kosten waren zunächst auf 1,8 Milliarden Dollar veranschlagt, daraus sind nun fast 2,5 Milliarden Dollar geworden, wie die Notenbank selbst zugibt. Trump und Vertreter aus seinem Umfeld versuchen nun, die Budgetüberschreitung Powell persönlich anzulasten und den Umbau als verschwenderisches Luxusprojekt darzustellen.
Viele Beobachter meinen, Trump versuche damit womöglich einen neuen Weg zu finden, um Powell loszuwerden. Der Oberste Gerichtshof in Washington hat im Mai signalisiert, aus seiner Sicht dürfe Trump Führungsmitglieder der Fed nicht ohne triftigen Grund entlassen, also zum Beispiel grobes Fehlverhalten. Nun steht die Frage im Raum, ob das Renovierungsprojekt als möglicher Entlassungsgrund herangezogen werden könnte.
Mögliche Nachfolger geben sich empört
Trumps oberster Wirtschaftsberater Kevin Hassett, der selbst als möglicher Powell-Nachfolger im Gespräch ist, hat das am Wochenende offen ausgesprochen. Gegenüber dem Fernsehsender ABC sagte er, es werde gerade geprüft, ob Trump Powell feuern könne, und sollte ein wichtiger Grund vorliegen, sei das „sicherlich“ der Fall. „Dies ist das teuerste Projekt in der Geschichte von Washington.“ Parallel empörte sich im Fernsehsender Fox News Kevin Warsh, der ebenfalls als Kandidat für den Chefposten der Fed gilt und schon einmal Mitglied in deren Gouverneursrat war. Er nannte die Renovierung „ungeheuerlich“ und sagte, die Fed brauche einen „Regimewechsel“.
Die Kontroverse hatte in der vergangenen Woche zusätzliche Fahrt aufgenommen, als Russell Vought, der einflussreiche Direktor der Haushaltsbehörde im Weißen Haus, einen Brief an Powell schickte. Dabei warf er ihm Missmanagement und möglicherweise sogar irreführende Aussagen vor: „Der Präsident ist extrem besorgt über ihr Management der Federal Reserve.“ Das Renovierungsprojekt sei „pompös“ und um ein Vielfaches teurer als vergleichbare Bauvorhaben in anderen Regierungsbehörden. Er verwies auf Baupläne, in denen von privaten Speiseräumen und Aufzügen für „VIPs“, Dachgärten und der Verwendung von „Premiummarmor“ die Rede gewesen sei. In einem Eintrag auf der Plattform X zog Vought sogar einen Vergleich mit dem Schloss Versailles.
Powell wurde schon Ende Juni in einer Anhörung vor dem Senat mit kritischen Fragen und einem Versailles-Vergleich konfrontiert. Er sagte zu seiner Rechtfertigung, die Baupläne hätten sich „weiterentwickelt“, und einige der früheren Elemente seien gestrichen worden. In den aktuellen Plänen gebe es zum Beispiel keinen „VIP-Speiseraum“. Der Fed-Chef bestritt Budgetüberschreitungen nicht und sagte dazu: „Es ist, wie es ist.“ Er versuchte auch den Eindruck zu vermitteln, das Bauvorhaben sei ihm selbst lästig. Eine Renovierung historischer Gebäude in dieser Größenordnung sei eine Bürde, die jeder Amtsinhaber lieber seinen Nachfolgern überlassen würde. Aber sie sei notwendig, die Fed-Zentrale habe Sicherheitsmängel und sei nicht mehr wasserdicht.
Fed sah sich gezwungen, Antworten zu veröffentlichen
Budgetdirektor Vought wies in seinem Brief auf „Diskrepanzen“ zwischen Powells Aussagen vor dem Senat und dem zuletzt offiziell genehmigten Bauplan hin. Diese Freigabe kam von der für Bauprojekte in Washington zuständigen Behörde National Capital Planning Commission. Sollte der aktuelle von dem früheren Plan abweichen, könnte dies ein Regelverstoß sein, schrieb Vought. Die Fed müsste dann die Bauarbeiten sofort unterbrechen und eine neue Genehmigung beantragen.
Vought listete in seinem Brief eine ganze Reihe von Fragen zu Details des Projekts auf und bat Powell um deren Beantwortung. Hassett sagte in dem Fernsehinterview, eine mögliche Entlassung Powells durch Trump werde von diesen Antworten abhängen. Trump hat derweil in der vergangenen Woche selbst zusätzlichen Anlass zu der Vermutung gegeben, dass er das Bauprojekt als Druckmittel gegen Powell benutzen will: Er entsandte drei seiner Berater aus dem Weißen Haus in die für Baugenehmigungen verantwortliche Behörde.
Die Fed sah sich am Wochenende gezwungen, zu ihrer Rechtfertigung einen ausführlichen Katalog mit Fragen und Antworten rund um die Renovierung zu veröffentlichen. Sie schrieb, das Projekt sei aus Gründen der Gesundheit und Sicherheit notwendig. Unter anderem werde Asbest entfernt, und „antiquierte Systeme“ würden ersetzt, etwa Elektrik, Heizung und Kühlung. Abermals beteuerte die Fed, es werde keinen neuen Speisesaal für VIPs geben und auch keinen VIP-Aufzug. Lediglich werde ein bestehender Aufzug etwas erweitert, was Menschen mit Behinderungen Zugang zu manchen Teilen des Gebäudes erleichtern werde.
Neuer Marmor werde nur dort verwendet, wo alter Marmor ersetzt werden müsse. Dachgärten würden von der zentralen Verwaltungsbehörde der Regierung empfohlen, unter anderem weil dies Gebäude energieeffizienter mache. Die Kosten für das Projekt hätten sich aus verschiedenen Gründen erhöht. Beispielsweise habe sich Baumaterial verteuert, auch Personalkosten seien gestiegen. Zudem sei mehr Asbest gefunden worden als erwartet. Auf längere Sicht werde die Renovierung die Kosten für die Fed senken, weil sie ihr erlaube, den größten Teil ihrer Büros an einem Ort zu konsolidieren. Es müssten daher weniger Räumlichkeiten als bisher anderswo angemietet werden.
Es geht um Gebäude aus den Dreißigerjahren
Das Projekt umfasst das Eccles Building, den eigentlichen Hauptsitz der Fed, und ein benachbartes Gebäude an der Constitution Avenue. Beide datieren auf die Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zurück, und wie die Notenbank sagt, ist keines von ihnen seither umfassend renoviert worden. Der Umbau wurde 2017 genehmigt, also noch in Trumps erster Amtszeit. Die Bauarbeiten begannen 2021 und dauern bis heute an. Schon 2023 wurde berichtet, dass die Kosten auf 2,5 Milliarden Dollar steigen könnten. Zu einem größeren Politikum wurde dies aber erst jetzt.
Neben einer Entlassung Powells ist in den vergangenen Wochen auch eine etwas subtilere Art der Entmachtung als mögliches Szenario diskutiert worden. Demnach würde Trump schon in naher Zukunft und damit deutlich vor dem Ablaufen von Powells Amtszeit eine Nachfolgelösung präsentieren. Wer auch immer dieser Kandidat wäre, könnte dann schon eine Rolle als Schattenchef der Fed haben, dessen Äußerungen an den Finanzmärkten großes Gewicht gegeben wird. Powell würde dann ein Stück weit zu einer „lahmen Ente“ degradiert. Jegliche Form der Demontage Powells dürfte nach Ansicht von Beobachtern für Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgen, weil sie als Angriff auf die traditionelle Unabhängigkeit der Fed gewertet würde. Sorgen um diese Unabhängigkeit gelten auch als eine Erklärung für die jüngste Abschwächung des Dollarkurses, neben anderen Gründen wie der steigenden Staatsverschuldung der USA und Trumps Zollpolitik.
Kevin Hassett, einer der Kandidaten für die Powell-Nachfolge, hat einst selbst die Bedeutung der Unabhängigkeit der Fed beschworen, aber in jüngster Zeit hat er Powell wiederholt scharf kritisiert. Auch Kevin Warsh, sein möglicher Rivale im Rennen um den Posten, schlägt heute andere Töne an als früher. In Trumps erster Amtszeit hat er dessen Handelspolitik kritisiert und vor den Gefahren eines „wirtschaftlichen Isolationismus“ gewarnt. Als weiterer Kandidat für den Chefposten der Fed ist auch der gegenwärtige Finanzminister Scott Bessent im Gespräch. Bessent sagte kürzlich zu entsprechenden Spekulationen, er habe „den besten Job in Washington“, letztlich sei es aber Trumps Entscheidung, welche Rolle er spielen werde. Der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ sagte Bessent am Dienstag, eine „formelle“ Suche nach einem Nachfolger Powells habe begonnen, und es gebe „viele großartige Kandidaten“.
Der nächste Zinsentscheid der Fed steht Ende Juli an. Die meisten Beobachter rechnen noch nicht mit einer Zinssenkung, allerdings scheint es darüber im Gouverneursrat keine Einigkeit zu geben, denn zwei Mitglieder haben signalisiert, sie würden schon jetzt einen solchen Schritt unterstützen. Der gegenwärtige Leitzins in den USA liegt seit vergangenem Dezember zwischen 4,25 und 4,5 Prozent. Trump schwebt eine drastische Anpassung vor. Er hat gesagt, der Zins sollte zwischen einem und zwei Prozent liegen. Damit würden die USA eine Billion Dollar im Jahr sparen.
Trump nahm auch die am Dienstag veröffentlichten Inflationszahlen zum Anlass, auf seiner Plattform Truth Social eine sofortige Zinssenkung zu fordern. Dabei ist die Inflationsrate etwas gestiegen, sie lag im Juni bei 2,7 Prozent, im Mai waren es 2,4 Prozent. Manche Ökonomen werteten dies als Indiz, dass sich Trumps Zollpolitik langsam in höheren Preisen niederschlägt. Trump dagegen beschrieb die Inflation noch immer als “sehr niedrig“.