Italien stellt LVMH-Tochter Loro Piana unter Zwangsverwaltung

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Dass die Luxusbranche eine Welt krasser Gegensätze ist, wird in diesen Tagen in Italien sichtbar: Hier die glamourösen Laufstege und die hochpreisigen Konsumtempel an den Edelmeilen der Metropolen, die das Einkaufen zum „Erlebnis“ machen sollen. Dort die Arbeiter in manchen Zulieferbetrieben, die neben der Nähmaschine schlafen und ohne Sicherheitsvorrichtungen im Akkord schuften. Der jüngste Fall betrifft die italienische Modemarke Loro Piana, die der weltführende Luxuskonzern LVMH aus Frankreich im Jahr 2013 mehrheitlich erworben hat.

Die Staatsanwaltschaft in Mailand hat das Unternehmen in dieser Woche für ein Jahr unter staatliche Sonderverwaltung gestellt, womit dem Management ein Verwalter zur Seite gestellt wird, der über die Korrekturen der Abläufe wachen soll. Der Staatsanwalt Paolo Storari wirft Loro Piana vor, wegen mangelnder Kontrollen bei den Zulieferern zur „Ausbeutung“ von Arbeitern beigetragen zu haben. Er sieht darin eine bewusste Geschäftsstrategie zur Gewinnmaximierung. Loro Piana verfolge laut Staatsanwaltschaft eine Philosophie des „maximalen Profits bei minimalen Kosten“.

Für den LVMH-Konzern, dessen Börsenwert in Paris mit seinen rund 80 verschiedenen Marken etwa 240 Milliarden Euro beträgt, ist die Unterstellung unter einen staatlich berufenen Verwalter besonders unangenehm. Gerade erst im Februar dieses Jahres war die Marke Dior aus dem LVMH-Konzernkreis von einem Mailänder Gericht aus dieser Zwangsmaßnahme entlassen worden, nachdem sie ausreichend Gegenmaßnahmen getroffen hat.

Vor Loro Piana war schon Dior betroffen

Nun aber trifft es LVMH erneut, was die Frage aufwirft, inwieweit innerhalb des Konzerns die gleichen Standards gelten. Den Vorwürfen gegen Loro Piana liegt eine weitreichende Verschachtelung der Lieferkette zugrunde. Wie häufig in der Branche wird ein Großteil der später als Luxusgüter verkauften Waren gar nicht von den klangvollen Unternehmen hergestellt, sondern von kleinen unbekannten Herstellern. Im aktuellen Fall hat Loro Piana die Produktion seiner Kleidungsstücke, darunter etwa luxuriöse Kaschmirjacken, an das Unternehmen Evergreen Fashion Group Srl mit Hauptsitz in Mailand vergeben, das freilich weder über Maschinen noch Personal zur Textilherstellung verfügt. Evergreen gab den Auftrag daher an die Firma Sor-Man Snc in der Kleinstadt Nova Milanese nördlich von Mailand weiter.

Doch auch Sor-Man fertigte nur zum Teil selbst und beauftragte zusätzlich Werkstätten, die von chinesischen Einwanderern in Italien betrieben werden. Konkret handelt es sich um die Firmen Clover Moda Srl in der Mailändischen Vorstadt Baranzate sowie Dai Meiying in der Kleinstadt Senago, ebenfalls nahe Mailand. Dort wurden Arbeiter illegal beschäftigt, sie mussten laut Staatsanwaltschaft unter gefährlichen und unhygienischen Bedingungen arbeiten und in illegalen Schlafstätten unterkommen, um jederzeit für die Schichten zur Verfügung zu stehen, heißt es in den Ermittlungsakten. Im Mai dieses Jahres habt die italienische Polizei die Produktionsstätten geschlossen und einen der Betreiber wegen illegaler Beschäftigung unterbezahlter Arbeiter festgenommen. Die Ermittler fanden in den Werkstätten nicht nur fertige Produkte und Etiketten von Loro Piana, sondern auch Produktionsunterlagen.

80 Euro im Einkauf – bis zu 3000 Euro im Verkauf

Das Problem in der Branche ist die Preisdrückerei, die über mehrere Lieferstufen weitergereicht wird. Die Produktionskosten für einzelne Kaschmirjacken beliefen sich laut der Staatsanwaltschaft auf rund 100 Euro – in den Geschäften werden sie dagegen zwischen 1000 und 3000 Euro verkauft. Evergreen zahlte den chinesischen Werkstätten offenbar häufig sogar nur 80 Euro pro Jacke ohne Zuschnitt, 86 Euro mit Zuschnitt. Die Preise schwankten um maximal 10 Euro. Nach Angaben von Loro Piana spiegeln diese Ziffern jedoch nicht die tatsächlichen Zahlungen an die Lieferanten wider, weil sie nicht den vollständigen Produktionsprozess, einschließlich der Materialien und Stoffe, berücksichtigten. Das LVMH-Unternehmen hatte die Zusammenarbeit mit den Zulieferern gekündigt, sobald die Vorwürfe bekannt wurden.

Eine Mitinhaberin des Zulieferers Sor-Man erklärte der Staatsanwaltschaft, dass ihre Firma die bestellten Volumina für Loro Piana – 6000 bis 7000 Jacken pro Jahr – nicht selbst bewältigen konnte und daher die chinesischen Firmen einschaltete. Gegenüber Evergreen habe sie daraus nie ein Geheimnis gemacht. Sor-Man habe in anderthalb Jahren mit Evergreen einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro erzielt. Die Chefin von Sor-Man betonte auch, dass Loro Piana mehrmals Überprüfungen bei ihrem Unternehmen durchgeführt habe, etwa durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Nexia Audirevi. Laut Staatsanwaltschaft kam es dabei jedoch nicht zu einer Einschätzung der Produktionskapazitäten.

Vorwürfe auch gegen Armani, Valentino, Montblanc

Loro Piano und Dior sind keine Einzelfälle. In jüngerer Zeit haben ähnliche Maßnahmen der Mailänder Staatsanwaltschaft die Luxusmarken Armani, Valentino und Alviero Martini getroffen. Beschäftigte von Subunternehmen der Schweizer Richemont-Luxusmarke Montblanc, die aus Pakistan, Afghanistan und China stammen, protestierten zudem gegen „unmenschliche Arbeitsbedingungen“ in der Industriestadt Prato bei Florenz, wo sich besonders viele Chinesen angesiedelt haben. Bei einem Dior-Zulieferer hatten die Carabinieri im vergangenen Jahr 23 Arbeiter angetroffen, die direkt neben ihren Werkstätten schliefen und ohne Schutzvorrichtungen arbeiteten. Dior stellte nach der Zwangsverwaltung mehr als ein Dutzend Fachkräfte ein, die Kontrollen in der Produktionskette verschärfen und Verträge mit problematischen Zulieferern kündigen sollen.

Der Hersteller Loro Piana, dem Antoine Arnault, einer der Söhne des Konzerngründers Bernard Arnault, als Verwaltungsratsvorsitzender vorsteht, teilte mit, dass man „jegliche illegale Praktiken aufs Schärfste verurteilt“. Inoffiziell war jedoch auch zu hören, dass die Kontrolle bis ins letzte Glied der Lieferkette schwierig bis unmöglich sei.

Kritiker werfen der Mailänder Staatsanwaltschaft vor, einen „Feldzug“ gegen die Luxushersteller zu führen. Diese verweist darauf, dass ihre Eingriffe schon teilweise zu einer Verbesserung in der Branche mit mehr regulären Arbeitsplätzen geführt habe. In der Region Lombardei haben die Hersteller im Mai einen Kodex unterzeichnet, der zu mehr Kontrollen anhalten und zu einer Datenbank verlässlicher Zulieferer führen soll. Es wird daran gedacht, den Kodex auf ganz Italien auszuweiten.