Immer wieder Streit um den Zauberwürfel

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Sechs Seiten mit 54 mehrfarbigen Quadraten: Noch heute ist der „Zauberwürfel“, der im Jahr 1974 vom ungarischen Architekten Ernö Rubik erfunden wurde und der bis heute seinen Namen trägt, wohlbekannt. Doch „Rubik’s Cube“ genießt in der EU weiter keinen Markenschutz. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg hat am Mittwoch voriger Woche die Nichtigerklärung der Marken bestätigt, die aus der Form des mehrfarbigen Drehwürfels bestehen.

Diese waren in den Jahren 2008 und 2012 zugunsten der britischen Firma Spin Master Toys für „dreidimensionale Puzzles“ beim zuständigen EU-Markenamt EUIPO im spanischen Alicante eingetragen worden. Da die wesentlichen Merkmale dieser Form jedoch erforderlich sind, um eine technische Wirkung zu erreichen, hätte keine Unionsmarke eingetragen werden dürfen, argumentierte das EU-Gericht in einer Mitteilung. Gegen die Urteile kann noch Berufung zum Europäischen Gerichtshof eingelegt werden (Rechtssache T-1170/23 und andere).

Langer Rechtsstreit

Der Streit um den Bestand der Unionsmarken zog sich über knapp zwölf Jahre. Ein griechisches Unternehmen hatte damals beantragt, die bestehenden Markenrechte für den Zauberwürfel löschen zu lassen. Das Markenamt der EU gab dem Antrag statt. Dagegen zog wiederum Spin Master ­Toys vor Gericht. Zwischenzeitlich wurde der Rechtsstreit für mehrere Jahre ausgesetzt. Es gab einige weitere markenrechtliche Streitigkeiten um den Zauberwürfel, um seine Form und auch um die Technik.

Anfang der 1980er Jahre hatte Rubiks Erfindung eine internationale Welle sowohl der Begeisterung als auch der Frustration ausgelöst: Begeisterung über ein Spiel, das formale Einfachheit und höchste Komplexität so genial vereinte, Frustration über die Hunderte und Tausende Drehungen, die doch nicht zum Ziel führten, einem in nur fünf Sekunden verdrehten Würfel wieder farblich harmonische Einseitigkeit zu verleihen.

Lösung in drei Sekunden

Insofern war die ursprüngliche Werbung „Fassen Sie ihn um Gottes willen nicht an – er lässt Sie nicht mehr los“ so wahr wie verkaufsfördernd raffiniert. Auch die Zahl von mehr als 43 Trillionen Kombinationsmöglichkeiten trug zum Faszinosum Rubik’s Cube bei. Professor Rubik selbst, der am kommenden Sonntag seinen 81. Geburtstag feiert, benötigte nach eigenem Bekunden weniger als fünf Minuten für die Lösung. Später, mithilfe von in Buchanleitungen erörterten Strategien, konnte grundsätzlich jeder den Würfel lösen.

Die aktuellen Weltrekorde belaufen sich auf rund drei Sekunden, allerdings mit einer mit leichtgängigen Magneten statt mit Federn gebauten Spezialausführung. Ein eigens dafür konstruierter Roboter schafft das Kunststück sogar in einer Zehntelsekunde.

Mit seinem dreidimensionalen Knobelspiel wollte der studierte Bauingenieur, Bildhauer und Designer Rubik zunächst nur die mangelhaften räumlichen Fähigkeiten seiner Studenten verbessern. Es wurde weit mehr daraus.

Das im Jahr 1975 zum Patent angemeldete „Raumlogik-Spielzeug“ machte nach seiner Vorstellung auf der Nürnberger Spielwarenmesse eine ungeahnte internationale Karriere. Rund eine halbe Milliarde Exemplare sollen seitdem auf der ganzen Welt verkauft worden sein. Nach dem anfänglichen Boom sanken zwar die Absatzzahlen, doch hat sich der Würfel zu einem der beliebtesten Spielzeuge überhaupt entwickelt.

Jede neue Generation habe Spaß daran und Rubik’s Cube sei noch immer populär, stellen selbst Wissenschaftler beeindruckt fest. Vielleicht liegt es daran, dass der Zauberwürfel wie „ein Stück zu Plastik geronnene Mathematik“ wirkt, wie der Schweizer „Tagesanzeiger“ konstatierte.

„Technische Lösung“ oder eine Marke?

Dieser wissenschaftliche Zauber des Zauberwürfels spielt in der Welt der Wirtschaft und der Justiz kaum eine Rolle. Dort gibt es häufiger Streit um ihn. So klagte etwa der deutsche Spielzeughersteller Simba Toys jahrelang vor europäischen Gerichten wegen des sich gut verkaufenden Produkts.

Schon im Jahr 2006 argumentierte das Unternehmen aus dem fränkischen Fürth, das Entscheidende beim Zauberwürfel sei dessen Drehbarkeit. Dies sei allerdings eine „technische Lösung“ und könne folglich nur durch ein Patent und nicht durch eine eingetragene Marke geschützt werden.

Mit dieser Auffassung kassierte Simba Toys zunächst eine juristische Niederlage. Denn für das EUIPO war entscheidend, dass sich der verdrehbare Würfel als sogenannte dreidimensionale Marke schützen lässt. Die Registrierung blieb damals bestehen. Dagegen wiederum zog Simba vor den Europäischen Gerichtshof – mit Erfolg. Das Unternehmen erreichte, dass das EUIPO die Marke löschte.

In der Folgezeit gelang es dem ursprünglichen Inhaber nicht, diese Entscheidung anzufechten. Somit war seit dem Jahr 2019 klar, dass Rubiks Zauberwürfel in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls keinen Schutz mehr als Unionsmarke genießt. Insofern war die jetzige Entscheidung des EuG vorhersehbar.

Erfinder Ernö Rubik stellte in der Vergangenheit immer wieder klar, Geld und Ruhm hätten ihn nie interessiert. In einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ im Jahr 2020 sagte er auf die Frage, wie viel er mit seinem Würfel verdient habe: „Weniger, als Sie denken, und mehr, als ich je erwartet hätte.“ Er sei kein Geschäftsmann und auch nie einer gewesen.

Zum Thema Glück sagte Rubik, man brauche Antrieb und Ausdauer: „Sie gehen einen Wanderweg entlang und finden unter den vielen Kieseln einen Stein, der ein bisschen komisch aussieht. Bei dem Sie so ein Gefühl haben. Um dieses Gefühl zu haben, benötigen Sie Vorwissen. Und Sie müssen den Stein säubern können. Wenn Sie Glück haben, ist der Stein ein Diamant. Der Würfel war so ein Diamant.“