Was steht im deutsch-britischen Freundschaftsvertrag?

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Der britische Premierminister Keir Starmer hat am Donnerstag Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu dessen Antrittsbesuch in London empfangen. Im Mittelpunkt des Besuchs steht die Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrags zwischen Deutschland und Großbritannien, der eine tiefere Kooperation der beiden Länder in verschiedenen Bereichen vorsieht. Obwohl ein Freundschaftsvertrag umfassend die Beziehungen zwischen zwei Ländern abdecken und umfassen soll, ist der Schwerpunkt des deutsch-britischen Vertrages doch offensichtlich: der Wunsch nach einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit. Das geht von der besseren strategischen Abstimmung über die Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten bis hin zu einer militärischen Beistandsklausel. Es geht aber auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Migration und den gesellschaftlichen Austausch.

So bekennen sich die beiden Parteien schon im zweiten Absatz der Präambel dazu, „getragen von einem gemeinsamen Willen, sich den neuen Herausforderungen von großer Tragweite für die euroatlantische Sicherheit in einem Zeitalter zu stellen, das durch verstärkten strategischen Wettbewerb, Herausforderungen für die regelbasierte internationale Ordnung und Herausforderungen für ihre Demokratien durch zunehmende hybride Bedrohungen gekennzeichnet ist“.

Und was die größte Gefahr ist, steht da auch: „Der brutale Angriffskrieg der Russischen Föderation“ wird als „die bedeutendste und unmittelbarste Bedrohung“ der Sicherheit benannt. Klargestellt wird, dass diese Zusammenarbeit als Ergänzung zu verstehen ist zu der NATO, der beide angehören, und der EU, aus der Großbritannien ausgetreten ist. In der Bundesregierung wird darauf verwiesen, dass auch die Beistandsklausel nur „als Ergänzung zu lesen“ sei, „nicht als Ersatz zum Nordatlantikvertrag“.

Tiefere Zusammenarbeit bei den Nachrichtendiensten

Das ganze erste Kapitel ist der Sicherheitspolitik gewidmet. Da wird unter anderem ein jährlicher Strategischer Dialog der Außenminister zugesagt und Treffen hochrangiger Beamter, um die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu koordinieren. Aber auch eine tiefere Zusammenarbeit bei den Nachrichtendiensten wird zugesagt, wovon vor allem Deutschland profitieren dürfte. Ausdrücklich erwähnt wird die trilaterale Zusammenarbeit mit Frankreich, als E3 habe hat man zuletzt immer enger versucht zusammenzuarbeiten bei der Unterstützung der Ukraine und auch mit Blick auf den Nahen Osten und speziell Iran.

Vergangene Woche hatten Paris und London beschlossen, das gemeinsame Lancaster-House-Abkommen zu aktualisieren – auch eine Absichtserklärung hatten die beiden unterzeichnet, den Einsatz ihrer Nuklearwaffen koordinieren zu wollen, dafür gründeten sie eine Supervisionsgruppe.

In dem deutsch-britischen Vertrag steht hingegen nichts zur atomaren Abschreckung speziell. Allgemeiner wird nur im Artikel sieben davon gesprochen, die Zusammenarbeit bei der Abschreckung zu vertiefen. In der Bundesregierung verweist man darauf, dass dieses Thema „in geeigneter Weise“, also vertraulich, deutsch-französisch erörtert werde und „zu gegebener Zeit“ deutsch-britisch. Immerhin heißt es in dem Vertrag, man bemühe sich „einen eingehenden Dialog über Verteidigungsfragen, die im gemeinsamen Interesse liegen, und eine globale strategische Vorausschau, einschließlich nuklearer Themen, zu führen“.

Gemeinsame Raketen mit mehr als 2000 Kilometer Reichweite

Aber auch mit Blick auf die konventionelle Abschreckung haben London und Berlin schon eine Rüstungskooperation vereinbart: Mit der im vergangenen Herbst von den Verteidigungsministern unterzeichneten Trinity-House-Vereinbarung war auch die Absicht erklärt worden, gemeinsam sogenannte Deep-Precision-Strike-Fähigkeiten aufzubauen. Diese Raketen sollen eine Reichweite von mehr als 2000 Kilometern haben und konventionell bewaffnet sein.

Im Kapitel zwei des deutsch-britischen Vertrags zur Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich steht darüber hinaus, dass beide ihre Kräfte bei der Abschreckung und Sicherung der Nord- und Ostflanke der NATO koordinieren wollen. Gemeinsam erkennt man mit Blick auf Rüstungsexporte auch „die Bedeutung einer verlässlichen Agenda im Hinblick auf Weitergaben und Ausfuhren an“. Das zielt offenbar auf die deutsche Zurückhaltung bei Exporten, die bei gemeinsamen Rüstungsprojekten mit Partnern schon zu Verzögerungen und Verstimmungen geführt hatte.

Im dem Vertrag sagen die beiden Parteien eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen organisierte Kriminalität zu und gegen „irreguläre Migration“. Auch die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird hervorgehoben. Schließlich geht es am Ende um die Zusammenarbeit in der Wissenschaft und Forschung, bei der Energiewende und dem Kampf gegen den Klimawandel und um die Bedeutung des Austausches von Bürgern beider Länder. In einem Aktionsplan zum Freundschaftsvertrag werden dazu konkrete Projekte aufgezählt: So soll Schulklassen der Reiseverkehr zwischen Großbritannien und Deutschland erleichtert werden, dieser soll künftig wieder visumfrei möglich sein.

Eine gemeinsame Expertengruppe soll für beide Seiten „akzeptable Lösungen“ für Mobilitätsprobleme in Großbritannien und Deutschland finden, das zielt auch auf Studenten und Wissenschaftler. Allgemeiner heißt es im Vertrag, man wolle einen „reibungsloseren Grenzverkehr“ fördern und den Bürgern „Zugang zu automatisierter Grenzkontrolltechnologie“ gewähren. Zudem soll eine direkte Zugverbindung zwischen den Ländern eingerichtet werden. Der Vertrag ist am Mittwoch im Kabinett gebilligt worden und muss vor der Ratifizierung noch durch den Bundestag.