Deutschland vor Erstem Weltkrieg: Britisches Schlachtschiff schockte

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Blieb noch der Faktor Geschwindigkeit: 21 Knoten sah Fisher für die “Dreadnought” vor, fast 40 Kilometer pro Stunde. Das war mit den bislang verwendeten Dampfmaschinen nicht zu leisten, weswegen das neue Schlachtschiff moderne Dampfturbinen erhielt. Während es Fisher bei Geschützen und Geschwindigkeit nicht groß und schnell genug sein konnte, war er bei der Panzerung der “Dreadnought” eher zurückhaltend. Gleichwohl erhielt das Schiff eine massive Panzerung, wenn Fisher auch eigentlich befand: “Geschwindigkeit ist Panzerung.” Für ihn war die Devise: “Auf das Zuschlagen kommt es an.” Wie letzteres ging, hatten die Japaner in der Seeschlacht bei Tsushima 1905 gegen die russische Flotte demonstriert. Die britische Admiralität hatte daraus ihre Schlüsse gezogen.

Auf Geschwindigkeit legte Fisher auch bei der Fertigstellung der “Dreadnought” größten Wert. Die Marinewerft in Portsmouth galt als schnell und effizient, durch vorausschauende Planung und Standardisierung gelang die Fertigstellung in beeindruckender Zeit: Am 2. Oktober 1905 fand die Kiellegung statt, am 10. Februar 1906 der Stapellauf und bereits am 1. Oktober 1906 ging es für die “Dreadnought” zur Erprobungsfahrt. Alles lief zur vollen Zufriedenheit, Eduard VII. ließ mitteilen: “Der König ist hocherfreut.” 33 Monate dauerte für gewöhnlich der Bau eines britischen Schlachtschiffes, so der Historiker Massie. Die “Dreadnought” war in knapp einem Jahr fertig geworden.

Das hochmoderne Schlachtschiff stellte Deutschland vor ein gewichtiges Problem und eine schwere Entscheidung: Wie sollte die Kaiserliche Marine nun vorgehen? Dabei spielte ein Nadelöhr im Norden des Reichs eine entscheidende Rolle: der Kaiser-Wilhelm-Kanal, heute der Nord-Ostsee-Kanal. Wenn zukünftig größere deutsche Schlachtschiffe es mit der “Dreadnought” und ihren Nachfolgern aufnehmen sollten, musste der dafür zu kleine Kanal entsprechend ausgebaut werden. Denn die deutsche Hochseeflotte war darauf angewiesen, ihre Einheiten mittels des Kanals schnell von der Ost- in die Nordsee und umgekehrt verlegen zu können.

Kaiser Wilhelm II. hatte schon bei Bekanntwerden der gewaltigen und einheitlichen Geschütze der “Dreadnought” geäußert: “Meiner Meinung nach ist dies die Bewaffnung der Zukunft.” Alfred von Tirpitz, Chef des Reichsmarineamtes, war der gleichen Ansicht: Der Kaiser-Wilhelm-Kanal wurde erweitert, zugleich gingen die Marineplaner an den Entwurf von Kriegsschiffen, die in der Lage sein sollten, es mit der “Dreadnought” aufzunehmen.

In Großbritannien standen Jacky Fisher und sein neues Schiff derweil heftig in der Kritik – und das aus nachvollziehbarem Grund. Bis die “Dreadnought” die Welt erschütterte, war die Royal Navy unangefochten, was die Qualität und vor allem die Quantität ihrer Kriegsschiffe anging. Doch mit dem erfolgreichen Bau der “Dreadnought” wurden die Karten neu gemischt: Nun gingen auch andere Länder – um nicht ins Hintertreffen zu geraten – eilig dazu über, solche modernen Schlachtschiffe bauen, die älteren Einheiten überlegen waren.