Gerade wurde John Romero der Geldhahn zugedreht. Und dennoch steht er kurz darauf auf einer Bühne in einem fremden Land. Der Auftritt am 11. Juli in Berlin auf dem We Are Developers World Congress, einer Pflicht, der er seit Längerem jedes Jahr nachkommt, war sicherlich kein einfacher für den legendären Spieleentwickler.
In der vorangegangenen Woche hatten sich die Nachrichten in der Spielebranche überschlagen: Microsoft zieht den Stecker bei verschiedenen Videospielstudios, die der Großkonzern aus Redmond zuvor aufgekauft hatte. In verschiedenen weiteren Tochterunternehmen mussten Mitarbeiter ihren Hut nehmen.
Der Amerikaner John Romero und seine vierte Frau Brenda waren indirekt betroffen. Eigentlich hatten die beiden 2015 ein unabhängiges Unternehmen gegründet. Das eigene Studio in Irland, Romero Games , hat seitdem vier Titel veröffentlicht, ein Projekt eingestellt und befand sich in der Entwicklung eines neuen, noch nicht benannten Spiels, für das Microsoft offenbar das Geld bereitstellen sollte. Einen konkreten Namen eines Verlegers nannte Romero Games zwar nicht, aber in einer Stellungnahme, die das Studio im Internet veröffentlichte, hieß es, man könne sich die Identität des Verlegers aus öffentlich zugänglichen Informationen erschließen.
So fiel der Sparrunde von Microsoft Berichten zufolge die Finanzierung von Romero Games zum Opfer, und das Studio musste seine Arbeit einstellen. Man überprüfe die gesamte Personalbesetzung, hieß es aus dem Studio. Am 11. Juli in Berlin kommentierte Romero den Sachverhalt nur knapp und bestätigte, dass das laufende Projekt von Romero Games eingestellt wurde. We Are Developers habe Unterstützung angeboten, und man sei auf der Suche nach neuen Geldgebern. Ein Gespräch mit der F.A.Z. wurde im Vorfeld der Konferenz und nach dem Wegbrechen der Finanzierung für Romero Games abgesagt.
Romero hielt seinen jährlichen Vortrag am 11. Juli in seiner typisch-anarchischen Erscheinungsform: Haare bis zur Brust, offenes Hemd und mit Pailletten besetzte Hose. Thema war die Bekämpfung von sogenannten Cheatern, also Schummlern in Spielen, die mithilfe verschiedener Werkzeuge versuchen, im digitalen Wettkampf zu betrügen. Programme, die Spieler besser zielen, schneller laufen oder durch Wände sehen lassen, bringen einen unfairen Vorteil und verursachen enorme finanzielle Schäden für Spieleentwickler. „Sobald du Cheater in deinem Spiel hast, verlierst du Vertrauen, deine Spielerbasis und damit letztlich Umsatz“, sagte Romero.
Technologie überspringt Branchengrenzen
Den Schaden für die Spielebranche bezifferte Romero auf jährlich 29 Milliarden Dollar. Cheater vergraulen ehrliche Spieler, die ihr Geld für Spiele und gekaufte Gegenstände im Spiel zurückfordern und zu einem anderen Spiel wechseln. Es gibt mittlerweile ganze Unternehmen, die Schummelsoftware anbieten und ihr Geschäft wie ganz normale Softwareanbieter betreiben – mit verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten, regelmäßigen Updates und Kundenbetreuung.
Romero sprach von einem Wettrüsten zwischen Entwicklern und Schummlern, beide Seiten würden mittlerweile mit Künstlicher Intelligenz und immer raffinierteren Techniken arbeiten. Während die Schummler versuchen, das Verhalten ihrer Software nicht zu perfekt aussehen zu lassen, um den Anschein eines echten Spielers zu erwecken, müssen Entwickler versuchen, genau zu erkennen, welche Spieler sich nicht natürlich verhalten. Ähnliche Techniken würden mittlerweile von Banken in der Bekämpfung von Finanzkriminalität oder Polizeikräften verwendet.
Er prägte den Ego-Shooter mit
Der 57 Jahre alte Romero dürfte während seiner Zeit in der Spielebranche genügend Erfahrungen mit Cheatern gemacht haben. Ihren Anfang nahm seine Karriere 1987 beim amerikanischen Entwickler Origin Systems, der einige prägende Computerspiele der Achtziger- und Neunzigerjahre und viele Talente hervorgebracht hat. Zum Beispiel entstanden dort viele Teile der Rollenspielreihe „Ultima“ unter dem Designer Richard Garriott.
Kurz nach Romeros Zeit bei Origin Systems entwickelte Warren Spector dort die finstere Science-Fiction-Geschichte „System Shock“ um die wahnsinnig gewordene Künstliche Intelligenz Shodan. Romero selbst gelangte zu größerer Bekanntheit aber erst, als er nach einigen Stationen mit Kollegen des Entwicklers Softdisk – John Carmack und Tom Hall – zusammen das neue Studio Id Software gründete. Nach einigen heute weniger bekannten Titeln brachte das Studio Spiele wie „Wolfenstein 3D“, „Doom“ und „Quake“ heraus. Gerade der Ego-Shooter „Doom“, in dem Spieler Dämonen auf dem Mars jagen mussten, zementierte Romeros Ruf als begnadeter Designer mit einem Gespür für Ästhetik und Spielfluss gleichermaßen. Unter anderem entwarf er für das Spiel viele Umgebungen und war mit dafür verantwortlich, dass die Spieler zur Dämonenhatz von Heavy-Metal- und Techno-Klängen begleitet wurden.
„Indies, bleibt standhaft!“
Mit diesem Ruf machte sich Romero Mitte der Neunzigerjahre selbständig und startete verschiedene neue Studios mit Spielen, die mal mehr, mal weniger erfolgreich waren. Trotz aller Rückschläge und Karriereumwege wird Romero für seine frühen Errungenschaften noch immer als einer der einflussreichsten Köpfe der Branche gehandelt und ist gern gesehener Gast auf Konferenzen.
Zusammen mit seinem Weggefährten Warren Spector saß er zum Abschluss der We Are Developers Conference am Freitagnachmittag noch einmal auf der Bühne und diagnostizierte die heutigen Probleme der Branche, auch nach den massenhaften Entlassungen und Studioschließungen der vergangenen Jahre. Jungen, unabhängigen Entwicklern, auch Indies genannt, rief er von der Bühne aus zu: „Bleibt standhaft! Diese Branche wurde von Indies gegründet. Verleger waren früher ein oder zwei Leute, die alle mit den Spielen von Entwicklern arbeiten mussten, die von ihrem Schlafzimmer aus programmierten.“ Dass Romero wieder vor einem Rechner in seinem Schlafzimmer landet, scheint nach all den Rückschlägen und Neugründungen auch dieses Mal unwahrscheinlich.