Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen arbeitet weiter an neuen EU-Schulden. Schon bei der Präsentation des nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmens 2028 bis 2034 am Mittwoch hatte sie einen neuen schuldenfinanzierten Reservefonds für Krisen in Höhe von 400 Milliarden Euro vorgeschlagen. Damit will sie sich aber offenkundig nicht zufrieden geben: Die EU soll darüber hinaus weitere Anleihen im Wert von 150 Milliarden Euro aufnehmen und sie als Kredite an bedürftige Mitgliedstaaten weiterreichen. Diese sollen damit ihren Anteil am EU-Budget für die Kohäsions- und Agrarpolitik oder andere Politikfelder aufstocken.
Sichtbar ist das erst jetzt aus den inzwischen von der Kommission veröffentlichten Dokumenten geworden. Von der Leyen hatte das Instrument unter dem Namen „Catalyst Europe“ zwar am Mittwoch erwähnt. Anders als beim Krisenfonds gab es darüber hinaus aber zunächst keinerlei Informationen zu diesem zweiten Schuldenfonds. Dabei hat die Idee viel mehr Gewicht. Der Krisenfonds ist nur als Reserve für den Fall einer neuen großen Krise gedacht und muss einstimmig aktiviert werden. Er soll dann bei Bedarf Kredite an die Mitgliedstaaten vergeben. Catalyst Europe hingegen soll sofort greifen. Die Mitgliedstaaten, die die Kredite in Anspruch nehmen wollen, sollen das der Kommission bis Ende Januar 2028 mitteilten. Das Geld soll dann in die neuen nationalen und regionalen Partnerschaftspläne fließen. In diesen will die Kommission künftig mit den Mitgliedstaaten vereinbaren, wie sie in den sieben Jahren der Finanzperiode ihre Landwirte, Regionen und andere europäische Ziele wie die Rüstung fördern wollen.
Die Kommission will den Kritikern damit offenkundig die starke Kürzung des Agrar- und Regionalbudgets schmackhaft machen. Bisher haben beide zusammen zwei Drittel des Gesamthaushalts ausgemacht. Ihr Anteil an dem Zwei-Billionen-Haushalt für 2028 bis 2034 soll nach dem Willen der EU-Kommission nur noch bei rund 45 Prozent liegen.
Idee läuft auf Eurobonds hinaus
Die EU-Staaten müssen die Kredite zurückbezahlen. Das unterscheidet Catalyst Europe vom Corona-Aufbaufonds, der vor allem Zuschüsse vergibt, die die Mitgliedstaaten nicht zurückzahlen müssen. Allerdings hat auch der Corona-Fonds eine Kredit-Komponente, wie sie die Kommission nun wieder wählt.
Der Vorteil der von der Kommission weitergereichten Kredite liegt für viele Staaten darin, dass die EU sie zu günstigeren Konditionen aufnehmen kann. Die Staaten sparen Zinskosten. Letztlich geht es damit um zinsvergünstigte Darlehen. Für Deutschland, das sich selbst günstig am Markt finanzieren kann, sind diese Kredite deshalb auch nicht interessant.
Die günstigeren Zinsen sind am Ende nichts anderes als ein Zuschuss an die Mitgliedstaaten, die die Kredite in Anspruch nehmen. Damit läuft die Idee auf Eurobonds hinaus, wenn auch in anderem Ausmaß wie bei reinen Zuschüssen. Die Kommission setzt offenbar darauf, dass sich der Widerstand in Grenzen hält, weil es sich nur um ein Art „Eurobonds light“ handelt. Das hat zuletzt gut funktioniert. Das neue SAFE-Instrument zur Rüstungsfinanzierung ist nach genau demselben Muster gestaltet und wurde von den EU-Staaten, auch von Deutschland, weitgehend kritiklos angenommen.
Das könnte dieses Mal anders sein. Die Niederlande haben sich schon klar gegen neue Gemeinschaftsschulden ausgesprochen. Die Kritik aus Berlin bezog sich zunächst zwar vor allem auf die Höhe des Budgets. Auch dort gibt es aber offenbar große Skepsis, wie zu hören ist. Das gilt insbesondere für Catalyst Europe.