Interstellares Objekt 3I/ATLAS rast durchs Sonnensystem

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Stand: 19.07.2025 07:51 Uhr

Unser Sonnensystem hat derzeit Besuch von einem anderen Stern: Der Komet 3I/ATLAS ist erst der dritte interstellare Besucher, den Forschende entdeckt haben – und könnte älter als unser Sonnensystem sein.

Von Franziska Konitzer, BR

Zu den schätzungsweise eine Billion Kometen, die es in unserem Sonnensystem gibt, hat sich vor Kurzem ein weiteres Exemplar dazugesellt. Allerdings ist der Anfang Juli entdeckte Komet 3I/ATLAS lediglich auf Stippvisite im Sonnensystem: Er stammt ursprünglich von einem anderen Stern und ist erst der dritte interstellare Besucher, den Astronominnen und Astronomen entdeckt haben. In den Jahren 2017 und 2019 hatten sie bereits 1I/‘Oumuamua und den Kometen 2I/Borisov während ihres Besuchs unseres Sonnensystems beobachten können.

In den nächsten Monaten wollen Wissenschaftler mithilfe von Teleskopen das interstellare Objekt 3I/ATLAS eingehender untersuchen, um mehr über seinen Ursprung und fremde Welten jenseits unseres Sonnensystems zu erfahren.

Diese vom Ōtautahi-Oxford-Team zur Verfügung gestellte Illustration zeigt eine Seitenansicht der Milchstraße und die geschätzten Umlaufbahnen unserer Sonne und des Kometen 3I/ATLAS.

3I/ATLAS verfolgt eine andere Route

Das Objekt 3I/ATLAS wurde Anfang Juli zunächst von einem Teleskop in Chile entdeckt, das den Himmel routinemäßig nach derartig kleinen, schnellen Objekten absucht – hauptsächlich um Gesteinsbrocken zu finden, die auf der Erde einschlagen könnten. Diese Gefahr ging zu keinem Zeitpunkt von 3I/ATLAS aus. Doch schnell war klar, dass es sich bei diesem Objekt um einen interstellaren Besucher handelt, der nicht Teil unseres Sonnensystems ist.

Alle Objekte im Sonnensystem, von Planeten bis hin zu Asteroiden und Kometen, befinden sich auf einer mal mehr, mal weniger stark elliptisch ausgeprägten Umlaufbahn um die Sonne. 3I/ATLAS folgt hingegen einer offenen Umlaufbahn, die stark hyperbolisch ausgeprägt ist: Auf Simulationen seiner Bahn schaut es so aus, als ob das Objekt fast geradewegs durch das Sonnensystem fliegen würde und nur geringfügig von der Sonne abgelenkt wird. Sein Ursprung liegt damit weit jenseits unseres Sonnensystems.

Dieses Bild zeigt die voraussichtliche Flugbahn von 3I/ATLAS, veröffentlicht von der NASA Anfang Juli.

Erst an der Sonne, dann an der Erde vorbei

Derzeit befindet sich 3I/Atlas zwischen den Umlaufbahnen von Jupiter und Mars und rast mit rund 61 Kilometern pro Sekunde auf die Sonne zu. Seinen sonnennächsten Punkt, das sogenannte Perihelion, erreicht er voraussichtlich am 29. Oktober 2025, den erdnächsten Punkt am 29. Dezember 2025.

Dabei stellt der interstellare Besucher zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Erde dar, da sein Abstand zur Erde bei dieser größten Annäherung noch rund 1,8 AE (Astronomische Einheiten) betragen wird. Das entspricht dem 1,8-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne.  

Was Astronomen bisher wissen

Schon kurz nach seiner Entdeckung konnten Astronomen erkennen, dass es sich bei 3I/ATLAS um einen Kometen handelt, also um eine Art schmutzigen Eisball, da er bereits erste Anzeichen von für Kometen typischer Aktivität erkennen lässt. Nähern sich Kometen im All einer Strahlungs- und Wärmequelle wie unserer Sonne, erzeugt das Ausgasen flüchtiger Stoffe eine Hülle aus Gas und Staub um ihren Kern, die sogenannte Koma, sowie den für Kometen charakteristischen Schweif. Beobachtungen am Teide-Observatorium auf Teneriffa haben ergeben, dass der Schweif des interstellaren Besuchers derzeit etwa 25.000 Kilometer lang ist.

Forschende gehen aufgrund der beobachteten Helligkeit von 3I/ATLAS davon aus, dass der Komet selbst mit einem geschätzten Durchmesser von vier bis fünf Kilometern das bislang größte beobachtete interstellare Objekt sein könnte. Allerdings sind derzeit genauere Angaben noch unmöglich, da der Kern des Kometen von der hellen Koma umhüllt ist.

Schneller und möglicherweise älter

Doch bereits jetzt ist klar, dass 3I/ATLAS sehr viel schneller im Weltraum unterwegs ist als seine beiden Vorgänger. Das ist laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Hinweis darauf, dass er auch sehr viel älter sein könnte. Laut Modellen legen interstellare Objekte aufgrund von Schwerkraft-Wechselwirkungen mit Gas- und Staubwolken im All oder den Spiralarmen unserer Galaxie an Geschwindigkeit zu, je länger sie im All unterwegs sind. Während Forscher beim ersten interstellaren Besucher 1I/‘Oumuamua aufgrund seiner recht niedrigen Geschwindigkeit von 26 Kilometern pro Sekunde auf ein Alter von rund hundert Millionen Jahren kommen, waren es für 2I/Borisov mit 32 Kilometern pro Sekunde schon eine Milliarde Jahre.

Doch laut einer Vorabveröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie gehen Forschende um Matthew J. Hopkins von der University of Oxford davon aus, dass 3I/ATLAS rund sieben Milliarden Jahre und damit sogar älter als unser eigenes Sonnensystem mit seinen 4,6 Milliarden Jahren sein könnte.

Laut ihrem Modell würde 3I/ATLAS ursprünglich aus der sogenannten dicken Scheibe der Milchstraße kommen – einer Region ober- und unterhalb der “dünnen” Scheibe der Milchstraße, in der sich auch unsere Sonne befindet. 3I/ATLAS könnte schon bald nach seiner Entstehung aus seinem ursprünglichen Sternsystem geschleudert worden sein und sich somit seit Milliarden von Jahren auf einer Reise durchs All befinden. Auch eine weitere Vorabveröffentlichung schätzt das Alter von 3I/ATLAS auf drei bis elf Milliarden Jahre ein.

Wie und wo kann man 3I/ATLAS beobachten?

3I/ATLAS wird der Erde nicht nah genug und nicht hell genug sein, um ihn mit dem bloßen Auge sehen zu können. Gegen Ende 2025 und Anfang 2026 könnte er jedoch mit guten Ferngläsern oder kleineren Teleskopen für die Amateurastronomie sichtbar sein.

Die erdgebundenen Großteleskope der professionellen Astronomie hingegen werden 3I/ATLAS nicht aus ihren Augen lassen. Auch Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop sind bereits geplant. Die Astronomen wollen so viel wie möglich über den interstellaren Besucher herausfinden, bevor er im nächsten Jahr auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen des Alls verschwindet.