Mit Meerwasser gegen die Dürre

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Stand: 19.07.2025 07:49 Uhr

Durch immer mehr heiße Tage wird Wasser knapp. Mehrere Länder setzen bereits auf die Entsalzung von Meerwasser. Könnte das ein Game Changer auch für Deutschland sein? Die Ostsee bietet zumindest einen strategischen Vorteil.

Die kleine Insel Malta ist ein beliebtes Touristenziel und für ihr mediterranes Klima bekannt. Malta ist aber auch dafür bekannt, dicht besiedelt zu sein. Das führt zu einem Problem: Es gibt nicht genügend Wasser, weil nicht ausreichend Niederschlag fällt. Deshalb betreibt das Land schon seit 1982 eine Meerentsalzungsanlage. Ist das eine mögliche Lösung für den Wassermangel auch in Deutschland?

Israel, Saudi-Arabien, USA und Spanien nutzen diese Technik bereits ebenfalls zur Wassergewinnung. Die Stadt Barcelona beispielsweise deckt so ein Drittel ihres Trinkwasserbedarfs, das Emirat Kuwait generiert fast sein gesamtes Trinkwasser aus Entsalzungsanlagen.  

Auch in Marokko gibt es Entsalzungsanlagen, wie die Anlage Chtouka Aït Baha in Inchaden südlich von Agadir.

Trinkwasser und Klimawandel

Der Klimawandel führt weltweit in immer mehr Regionen zu einer Wasserverknappung. Dabei sind rund zwei Drittel der Erde mit Wasser bedeckt. Aber nur 2,5 Prozent davon sind Süßwasser und überwiegend nicht zugänglich, weil es in Gletschern und Eis gebunden ist oder tief unter der Erde schlummert. So kann der Mensch nur weniger als ein Prozent des Wasservorkommens der Erde als Trink- und Brauchwasser nutzen.

Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit werden bis zum Jahr 2050 nach Schätzungen rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in wasserarmen Regionen leben und der Wasserbedarf aufgrund des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums um bis zu 30 Prozent steigen.

Interesse an Entsalzungsanlagen steigt

Auch in Deutschland wird über Entsalzungsanlagen im Kampf gegen die Trockenheit diskutiert. Bis dato konnte die Bundesrepublik ihren Wasserbedarf durch genügend Grundwasser und Fernwasserleitungen sichern. Aber die Grundwasserspiegel sinken auch in wasserreichen Gegenden.

Doch ist Entsalzung von Meerwasser tatsächlich eine gute Lösung? Denn die Entsalzungstechnologie bringt Probleme mit sich: Sie ist derzeit oft noch sehr energie- und kostenintensiv. 

Hoher CO2-Ausstoß bei Entsalzungsverfahren

Zur sogenannten Desalination werden meist zwei Verfahren verwendet: die Umkehrosmose und das thermische Verfahren. Bei letzterem wird das Meerwasser erhitzt und verdampft. Der Dampf wird dann zu Süßwasser kondensiert. Dieses Verfahren ist der größte Energiefresser, weil das Wasser stark erhitzt werden muss. Es wird deshalb häufig in Regionen mit viel Öl- oder Gasvorkommen verwendet. Der CO2-Fußabdruck ist jedoch enorm.

Immer noch hoch, aber geringer als beim thermischen Verfahren, ist der CO2-Ausstoß bei der Umkehrosmose. Mehr als 90 Prozent aller Anlagen funktionieren heute weltweit nach diesem Prinzip.

Hierbei wird das Meerwasser mit hohem Druck durch eine Membran gepresst, die nur Wassermoleküle, aber kein Salz durchlässt. Für diesen enormen Druck wird zwar immer noch viel Kraft benötigt, aber diese Technik verbraucht teilweise bis zu zehnfach weniger Energie als das thermische Verfahren.

Die International Water Association rechnet damit, dass der Energieverbrauch und die Kosten für die Verfahren in den folgenden 20 Jahren stark zurückgehen werden, etwa durch die Nutzung von erneuerbaren Energien und weitere technologische Fortschritte.

Im marokkanischen Dakhla wird eine weitere Entsalzunganlage gebaut. Diese Windräder sollen dafür die Energie liefern.

Ostsee im Vorteil

“Deutschland hat mit der Ostsee einen strategischen und wirtschaftlichen Vorteil”, betont Claus Mertes, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutsche MeerwasserEntsalzung (DME) in Duisburg. Die Windparks lieferten “stetig grüne Energie und das Brackwasser der Ostsee hat einen viel geringeren Salzanteil als andere Meere”.

Die Kosten würden deshalb um ein Vielfaches geringer ausfallen, weil weniger Energie bei der Produktion benötigt werde. Mertes schätzt, dass ein Kubikmeter Wasser für den Endverbraucher rund 2,25 Euro kosten könnte.

Im Vergleich: Für einen Kubikmeter Wasser aus Grundwasser und Seen zahlt man in Deutschland derzeit im Durchschnitt 2 Euro. Laut Mertes könnte das entsalzte Wasser aus der Ostsee sogar über vorhandene Kanäle das Ruhrgebiet oder Berlin zum Teil versorgen.

Machbarkeitsstudie in Rostock

Das Interesse an möglichen Lösungen gegen den Wassermangel ist auf jeden Fall groß, gerade in trockenen Regionen Deutschlands wie Rostock. Der Wirtschaftsstandort kann schon heute nicht mehr alle Investorenanfragen bedienen, weil nicht genügend Wasser für neue Industrie- und Gewerbeunternehmen verfügbar ist.

Der Planungsverband Rostock hat deshalb 2024 gemeinsam mit der Stadt, dem Landkreis und dem Bundesland eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um eine “zukunftssichere, zusätzliche Wasserversorgung zu untersuchen”, berichtet Michael Fengler, Geschäftsstellenleiter des Verbandes. Er ist der Meinung, dass “Meerwasserentsalzung kostengünstig ist und umweltfreundlich die Region Rostock stärken kann”.

Für die Landwirtschaft noch zu teuer

Die Landwirtschaft, die der weltweit größte Verbraucher von Brauchwasser ist, kann heute weltweit noch nicht im großen Stil von der Technik der Entsalzung profitieren. Für die Massen an Wasser, die hier benötigt werden, sind die Kosten noch zu hoch.

Zudem müsste das Wasser ausreichend mit Dünger versetzt oder mit Süßwasser vermengt werden, weil es durch die Reinigungsprozesse möglicherweise zu wenig Nährstoffe für die Pflanzen enthält.

Sollten aber in den kommenden Jahren vermehrt nachhaltige Technologien wie Solar oder Wind bei der Produktion eingesetzt werden und diese damit günstiger werden, könnte die Entsalzung auch in der Landwirtschaft ein Lösungsansatz sein. Vorausgesetzt es würde auch eine Lösung für ein weiteres Problem geben: die entstandene Sole, also das salzhaltige Wasser.

Wasser in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist mit Abstand der größte Verbraucher von Süßwasser weltweit – rund 70 Prozent der Wasserentnahmen aus Flüssen und dem Grundwasser entfallen auf sie. Bis 2050 wird der Wasserbedarf der Landwirtschaft aufgrund des steigenden Bedarfs an Bewässerung um weitere 19 Prozent steigen. Schon heute stammen etwa 40 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion aus bewässerten Anbauflächen.

Nebenprodukt Sole kann Ökosysteme im Meer gefährden

Um Brauch- oder Trinkwasser aus Meerwasser zu gewinnen, muss es von Salz und weiteren Bestandteilen wie Algen, Sand, aber auch Metallen getrennt werden. Übrig bleiben das Rohwasser und die Sole. Diese enthält nach dem Trennungsprozess hochkonzentrierte Mengen an Salz und Metallen wie Lithium oder Bor, aber auch Chemikalien aus dem Klärungsverfahren. Bis dato wird die Sole meist wieder ins Meer geleitet. Das geschieht an Stellen, an denen sie sich gut mit dem Meerwasser verdünnt.

Julio Barea von Greenpeace Spanien hält das jedoch für gefährlich. Er beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit diesem Thema: In den spanischen Küstenregionen werden täglich bereits etwa 5,8 Millionen Kubikmeter Sole erzeugt – mehr als vier Prozent der weltweiten Produktion.

“Es gibt mehrere Studien, die die negativen Auswirkungen von Sole-Ableitungen aus Entsalzungsanlagen in Spanien aufzeigen. Unter anderem, dass die Sole die Meerwassertemperatur erhöhen und den verfügbaren Sauerstoff reduzieren kann, was zu schweren Schäden für Gewässer führt”, sagt er.

Umweltbundesamt äußert Bedenken

Für Claus Mertes von der DME gibt es hier einen großen Vorteil für die Ostsee: “Bei der Produktion von 1.000 Litern Trinkwasser aus Meerwasser bleiben durchschnittlich 600 Liter Sole übrig. Bei der Produktion mit Brackwasser, wie dem aus der Ostsee, fallen nur 100 Liter Sole an.”

Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt sieht das kritisch. Er befürchtet, dass die Rückleitung der Sole “für die an diese Salzgehalte angepassten Ostseeökosysteme und ihre Flora und Fauna eine Herausforderung werden und massive Auswirkungen auf die sensiblen Ökosysteme haben könnte”. Dennoch gibt auch er zu bedenken, dass bei einem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien und fortschreitender Trockenheit die Option “Meerwasserentsalzung” künftig gründlicher geprüft werden müsste. 

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt hat Anfang 2025 die Förderung von Forschungsprojekten, die sich mit dem Thema Wasser und Energie beschäftigen, bekannt gegeben – vielleicht ergeben sich hieraus innovative Ansätze.

Superabsorber in Windeln könnten Filterproblem lösen

Einer der schon an einer neuen, energiesparenden Technik forscht, ist Sebastian Seiffert von der Uni Mainz. Er hat mit seinen Kollegen und Kolleginnen ein Verfahren entwickelt, das wesentlich weniger Energie bei der Trennung von Wasser und Salz benötigt. Dabei verwendet er den “grünen” Prozess der Vorwärtsosmose. “Wir nutzen Osmose in der Richtung, in der sie freiwillig abläuft – ohne künstlichen Druck”, erläutert Seiffert.

Die Idee, die dahintersteckt, kennt man von Binden oder Windeln: Die darin enthaltenen Hydrogel-Polymere, sogenannte Superabsorber, können sehr gut Wasser aufsaugen und stoßen Salz ab.

Nutzbar im Mittelmeerraum

Um das aufgenommene Wasser ohne künstlichen Energieaufwand wieder aus dem Polymer-Material zu bekommen, nutzt der Forscher einen natürlichen Prozess: “Wir brauchen nur eine Veränderung der Temperatur. Bei Kälte nehmen die Polymere Wasser auf, bei Wärme geben sie es wieder ab. Es reicht der Tag-Nacht-Wechsel.”

Dieses Verfahren zielt vor allem auf kleine Haushalte in einkommensschwächeren Regionen ab, wie etwa im Mittleren und Nahen Osten. Aber der Chemiker kann sich das Verfahren in Zukunft auch für Haushalte oder Hotelanlagen im Mittelmeerraum vorstellen. “Das ist keine Technologie, die darauf abzielt, große Technologien zu ersetzen, sondern sie zu flankieren.”

Ganzheitliches Wassermanagement für die Zukunft

Eine umweltfreundliche Lösung des Sole-Problems bleibt aber auch bei diesem Verfahren eine Aufgabe. Es wird zwar bereits daran geforscht, ob aus Sole zum Beispiel Baumaterial hergestellt werden könnte oder wie etwa wertvolle Metalle wie Lithium aus dem gefilterten Material gewonnen werden könnten, um diese Elemente in der Industrie zu verwenden. Doch “die Gewinnung dieser Ressourcen ist derzeit leider noch nicht wirtschaftlich”, so Mertes von der DME.

Sollte aber in Zukunft eine nachhaltige Lösung für die Sole gefunden werden, der CO2-Ausstoß durch erneuerbare Energien und die Kosten bei der Produktion durch bessere Technologien gesenkt werden, dann könnten besonders trockene Küstenregionen von der Technik der Meerwasserentsalzung profitieren – weitere Maßnahmen, wie Abwasseraufbereitung und Regenwassersammlung miteingeschlossen.

“Es ist ein bisschen absurd: Durch den Klimawandel wird die Welt trockener, aber auch nasser. Wir haben längere Dürrephasen, dann wieder extreme Niederschläge. Deshalb braucht es ein ganzheitliches Wassermanagement-System – eine Komponente kann Mehrwasserentsalzung sein”, ist Chemiker Seiffert überzeugt.