Stress und Trauer lassen das Gehirn schrumpfen

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Trauer und Stress können Hirnareale schrumpfen lassen und das Risiko für Alzheimer erhöhen. Dabei reagieren Männer und Frauen unterschiedlich.

Der Tod eines geliebten Menschen, Arbeitslosigkeit oder finanzielle Not – solche Erlebnisse belasten nicht nur die Psyche. Sie können auch das Gehirn möglicherweise dauerhaft schädigen. Manche Schicksalsschläge waren sogar mit einer erhöhten Anfälligkeit für Alzheimer verbunden. Das zeigt eine neue Studie des Barcelonabeta Brain Research Centre in Spanien. Die Analyse wurde in dem Fachmagazin “Neurology” veröffentlicht.

Für die Studie befragte das Team 1.290 Erwachsene im Alter zwischen 45 und 75 Jahren aus der sogenannten ALFA-Kohorte (“ALzheimer’s and FAmilies”). Alle Teilnehmenden hatten ein erhöhtes familiäres Risiko, an Alzheimer zu erkranken – zeigten aber zum Untersuchungszeitpunkt keine geistigen Einschränkungen.

Die Forscher wollten wissen: Haben belastende Lebensereignisse wie der Tod des Partners, Arbeitslosigkeit oder finanzielle Krisen messbare Folgen im Gehirn? Und können diese Faktoren den Beginn einer Alzheimer-Erkrankung möglicherweise sogar beschleunigen? Dafür kombinierten sie ausführliche Befragungen mit modernen Untersuchungsmethoden – etwa der Analyse der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) und der Magnetresonanztomografie (MRT).

Die Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen schweren Lebensereignissen und biologischen Veränderungen im Gehirn:

Die Studie zeigt außerdem: Je nach Geschlecht und Bildungsgrad reagiert das Gehirn unterschiedlich auf Stress. Männer zeigten besonders durch den Verlust ihres Partners oder durch Arbeitslosigkeit Veränderungen. Bei ihnen fanden sich zudem häufiger Hinweise auf Beta-Amyloid-Ablagerungen und ein verringertes Hirnvolumen. Auch bei Menschen mit niedrigem Bildungsniveau war Arbeitslosigkeit mit einem geringeren Volumen verschiedener Cortex-Regionen verbunden, welche unter anderem für das Denken und die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen zuständig sind. Frauen hingegen reagierten stärker auf finanzielle Notlagen – bei ihnen stiegen vor allem die Tau- und Neurogranin-Werte im Liquor.

Die Forscher vermuten, dass chronischer Stress – insbesondere Trauer und wirtschaftlicher Stress – über verschiedene Mechanismen zu Gehirnschäden und einer erhöhten Anfälligkeit für Alzheimer führen kann. Dazu gehören etwa Veränderungen des Immun-, Hormon- und Herz-Kreislauf-Systems. Zudem führe Dauerstress zu einer kontinuierlichen Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, welche auf Dauer Nervenzellen schädigen können.

Darüber hinaus können Stress und Schicksalsschläge den Autoren zufolge ungesundes Verhalten wie Rauchen, Schlafmangel oder Bewegungsmangel fördern. Dieses sei wiederum mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko verbunden. Und auch Depressionen – ein weiterer Risikofaktor für Alzheimer – könnten sich durch den chronischen Stress verschlimmern.

Die Autoren schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass psychologische Angebote zur Stressbewältigung eine wichtige Maßnahme zur Prävention von Alzheimer und anderen Erkrankungen des Gehirns darstellen könnten. Künftige Studien müssten jedoch noch weiter erforschen, ob auch Menschen ohne familiäre Vorbelastung von diesen Veränderungen betroffen sind und welche Bevölkerungsgruppen am stärksten von einer psychologischen Hilfe profitieren würden.